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Auf Spurensuche nach Ahnen. Diplomkriminalist und Hobby-Genealoge Gerd-Christian Treutler schreibt Bücher, in denen er Geschichten um historische Figuren verarbeitet. „Ich packe nur etwas Fleisch um das Gerüst, um die historischen Fakten“, so Teutler.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Vaters Vorfahr war ein Räuber

Im Forum für Genealogie treffen sich Hobby-Ahnenforscher. Sie lernen Sütterlin, lesen Kirchenbücher, entziffern Grabsteine. Gerd-Christian Treutler verarbeitet die Geschichten zu Büchern

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Was tun, wenn man nicht weiß, woher die Urgroßeltern stammen? Welchen Beruf sie hatten? Ob sie im Krieg waren und wo? Dann muss man suchen – in Kirchenbüchern, Orts- und Vereinschroniken, alten Briefen. In Museen und auf Friedhöfen. Wie das geht und wie man diese Rechercheergebnisse dann aufarbeitet, auswertet und daraus etwas macht, das soll im Forum Genealogie vermittelt werden. Der offene Kreis von Hobbygenealogen trifft sich einmal im Monat im Treffpunkt Freizeit. Manche der Teilnehmer aus Potsdam, Berlin und dem Umland gehören zu Vereinen wie der Brandenburgischen Genealogischen Gesellschaft „Roter Adler“ oder zum Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin.

Die Treffen in Potsdam organisiert Dieter Schubert. Früher war der Potsdamer Lehrer für Sport und Geschichte – sein Faible für die Ahnenforschung liegt möglicherweise in dem Fach begründet. Ihm geht es, wie vielen der Gruppe, vor allem um die eigene Familienhistorie. „Ich bin schon zurück bis 1570“, sagt er. Am vergangenen Donnerstag empfängt er die rund 15 Teilnehmer mit Klemmbrett und Namensliste. Archivarbeit beginnt stets in der Gegenwart. Mit dabei am Donnerstag ist auch Gerd-Christian Treutler aus Falkensee. Und auch er tüftelt von Berufs wegen. Der Diplomkriminalist arbeitet beim Landeskriminalamt. Sein Hobby ist die Genealogie – er ist Vorsitzender des Brandenburger „Roten Adler“. Treutler schreibt außerdem Belletristik. In seinen Büchern greift er Sagen und Geschichten um historische Figuren auf. „Alle Personen, die hier vorkommen, gab es wirklich. Ich packe nur etwas Fleisch um das Gerüst, um die historischen Fakten.“

Wie man das macht, darum geht es in der November-Sitzung des Forums. Für das Buch „Märkische Geschichten“, erschienen im BGG-Verlag, Eigenverlag des „Roten Adler“, hat sich Treutler unter anderem durch diverse Kirchenbücher aus dem Havelland gearbeitet. Dabei stieß er auf einen ungewöhnlichen Eintrag aus dem Sommer 1766. Der Pastor in Falkenhagen, heute Falkensee, sollte ein Kind taufen. Doch wegen der Viehseuche waren die Dörfer Falkenhagen, Dallgow, Döberitz und Wusterwitz voneinander abgesperrt. Kein Durchkommen zum Täufling – im Übrigen „ein Hurenbalg“, schreibt der Pfarrer, denn die Eltern waren ein lediger Handwerksgeselle und eine Magd – schien in diesen heißen Julitagen möglich. Nur mit einer kleinen List gelang es, Täufling, Eltern, Paten und Küster an einem Ort zu versammeln – in der Schmiede mitten im gesperrten Gebiet, misstrauisch beäugt von den Wache haltenden Feldjägern. Die Taufe aber war gerettet.

„Das ist die Kunst“, sagt Treutler, „aus einer halben Seite Kirchenbuch 20 Seiten zu machen, die sich auch noch gut lesen.“ Unerlässlich für die Recherche ist die Kenntnis der altdeutschen Schrift. In einem Intensivkurs lernten die Forumsteilnehmer deshalb im vergangenen Jahr Sütterlin, die altdeutsche Schreibschrift. Weiterhin wird hier vermittelt, wie man einen Stammbaum aufbaut und pflegt, wie man mithilfe des Internets Quellen findet und auswertet. Und wie alte Fotos und Dokumente mithilfe von Photoshop wieder einigermaßen lesbar werden. „Aber wir sind keine Bastelrunde“, sagt Schubert. Die Teilnehmer nehmen die Anregungen mit nach Hause und arbeiten dort an ihren Projekten, die mit der eigenen Familie zu tun haben oder anderen Personen und Persönlichkeiten.

Manch Erstaunliches tritt dabei zutage. Treutler fand heraus, dass es in seiner Familie einen Mäzen gab, der die Familie Fontane kräftig unterstützte, Theodor den Rücken freihielt – damit er schreiben konnte. Eine Dame forschte zu den Vorfahren ihres Vaters – und war überrascht, dass einer von denen zu einer Räuberbande gehörte, die es um 1800 im Raum Aachen gab. Und auch die jüngere Geschichte ist interessant – wie das Kriegstagebuch eines Vaters, der darin akribisch beschreibt, wie und womit sie von den Amerikanern verpflegt werden.

„Man muss als Ahnenforscher auch aushalten können, wenn man etwas Negatives herausfindet – dass jemand ein Straftäter war oder vielleicht ein Nazi“, sagt Dieter Schubert. Im Forum wollen sie dazu ermuntern zu forschen, zu sammeln. Und dabei die jüngeren Generationen für Geschichte begeistern. Denn diese kostbaren Funde und Erkenntnisse liefern Stoff, der eben nicht im Geschichtsbuch steht. „Wir fanden Entlassungspapiere eines Soldaten aus unserer Familie, der bei den schlesischen Kriegen dabei war, für Preußen also Schlesien erobert hat“, sagt ein Mann. Der kleine Sohn habe gleich gefragt: „Gehört uns jetzt Schlesien?“

Das Forum für Genealogie trifft sich jeden dritten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Treffpunkt Freizeit, Am Neuen Garten 64. Mehr Infos unter www.bggroteradler.de

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