Homepage: Verbraucher bleiben skeptisch Diskussion zur grünen Gentechnik an der Uni
Die Schweizer haben sich am vergangenen Sonntag mit mehr als 55 Prozent für ein befristetes Verbot des Anbaus gentechnisch manipulierter Pflanzen und die Haltung von gentechnisch veränderten Tieren ausgesprochen. Auch in Deutschland ist die Skepsis gegenüber gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln groß.
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Die Schweizer haben sich am vergangenen Sonntag mit mehr als 55 Prozent für ein befristetes Verbot des Anbaus gentechnisch manipulierter Pflanzen und die Haltung von gentechnisch veränderten Tieren ausgesprochen. Auch in Deutschland ist die Skepsis gegenüber gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln groß. Als das Publikum einer Diskussionsveranstaltung zur „Grünen Gentechnik“ am Uni-Campus Golm gefragt wurde, ob man „Gen-Food“ kaufe, verneinten dies über 70 Prozent der rund 200 Anwesenden. Allerdings waren sich fast genauso viele sicher, bereits „Gen-Food“ unwissentlich gegessen zu haben.
Nicht zuletzt dadurch, dass der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine Erneuerung des Gentechnikgesetzes vorsieht, gewinnt das Thema an Brisanz. Mit Lockerungen für die „Grüne Gentechnik“ rechneten dann auch die beiden Kontrahenten am vergangenen Freitag auf dem Podium. Dr. Steffi Ober sprach für den Naturschutzbund Deutschland (NABU), Prof. Bernd Müller-Röber, Molekularbiologe der Uni Potsdam für seine Disziplin.
Für Ober sind die Vorbehalte der Verbraucher ein klarer Fall: „Durch die Lebensmittelskandale haben die Verbraucher ihr Vertrauen in die Lebensmittelindustrie verloren.“ Nur mit Öko-Lebensmitteln sei man auf der sicheren Seite. Ober sieht keinen Vorteil für Konsumenten von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Bisher zielten die Eingriffe in das Erbgut von Pflanzen weniger auf einen zusätzlichen Nutzen für den Verbraucher, vielmehr wurden die Eigenschaften von Pflanzen für die Landwirtschaft verbessert, so etwa die Resistenz gegen Unkrautvernichtungsmittel. „Für Menschen mit Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel ist der Gentransfer, etwa die Übertragung von Genen aus der Kartoffel in die Tomate, sogar ein enormes Risiko“, so die NABU-Aktivistin.
Prof. Müller-Röber sah das ganz anders: „Es ist noch kein Fall aufgetreten, bei dem Konsumenten von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu Schaden gekommen sind“. Für Müller-Röber ist das „Functional Food“, bei dem die Nahrungsmittelinhalte mit Hilfe der Gentechnik verändert werden, ganz im Sinne der Verbraucher. Wissenschaftler haben beispielsweise Reis so verändert, dass er mehr Provitamin A enthält. Müller-Röber sieht vor allem auch eine ökonomische Bedeutung: „Die Gentechnik schafft Arbeitsplätze und ist zukunftsweisend.“
Eine generelle Absage an die Gentechnik erteilte NABU-Referentin Ober nicht: „Ich sehe das Potenzial der Gentechnik für die Pharmaindustrie und die nachwachsenden Rohstoffe.“ In diesem Punkt stimmten die beiden überein. Für die nachwachsenden Rohstoffe zur Energiegewinnung könne die Gentechnik eine heute noch nicht zu erfassende Bedeutung haben, so Müller-Röber. „Man kann nicht jetzt schon Türen schließen, die für die Zukunft wichtig sind.“ Dazu ein Beispiel: Bei der Gewinnung von Biokraftstoff wie Ethanol aus Zuckerrüben, sei die Gentechnik heute noch nicht zwingend notwendig. „Doch in etwa 50 Jahren wird der Phosphat-Dünger für diese Pflanzen knapp, dann braucht man dringend die Gentechnik“, so Müller-Röber.
Bei den Risiken teilten die beiden Experten ähnliche Bedenken. „Der Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen ist schädlich, solange langfristige Risiken für die Artenvielfalt noch nicht exakt bewertet werden können“, so Ober. Der kommerzielle Vertrieb von gentechnisch verändertem Saatgut, etwa eine insektenresistente Maissorte, könnte zur Verdrängung anderer Arten führen. „Hier in Brandenburg gibt es ohnehin schon einen Trend zu Monokulturen, dieser könnte durch die Gentechnik verstärkt werden“, sagte Ober. Während Müller-Röber auf die höheren Erntegewinne der Bauern verwies konterte Ober: „Für die konventionelle Landwirtschaft ist die Gentechnik doch nur eine Millimeterschaufel. Für große Sprünge im Ernteertrag sorgt sie nicht“. Angela Gencarelli
Angela Gencarelli
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