
© H. Kramer
Exklusiv: Verschwörungsgeschichte
Der Potsdamer Bildungsträger Educon steht seit zwei Jahren unter Betrugsverdacht, ging pleite und hinterließ Schulden in Millionen Höhe und Schüler ohne Abschluss. Die einstige Chefin sieht sich als Opfer.
Stand:
Plötzlich waren sie da. „Wahnsinnige Schmerzen“, sagt Carina H. heute. „Ich klappte mitten auf der Straße zusammen.“ Als der von ihr aufgebaute bundesweit tätige private Bildungsdienstleister Educon mit Sitz in Potsdam nach Betrugsvorwürfen zusammenbrach, erwischte es auch dessen Chefin – sie erlitt einen Hörsturz. „Und das zu einer Zeit, in der es auf punktgenaue Antworten ankam“, sagt die 50-Jährige im Gespräch mit den PNN in London.
Den Hörsturz erlitt sie im Spätsommer 2010. Damals hatte sie die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat der von Potsdam aus agierenden Educon-Aktiengesellschaft nach eigenen Angaben zwar schon aufgegeben, um sich einen Lebenstraum als Buchautorin in England zu verwirklichen. Doch Inhaberin des Bildungsdienstleisters war die frühere Potsdamerin nach wie vor: „Ich haftete für alle Kredite des Unternehmens.“ Es sei furchtbar gewesen, „mein Lebenswerk den Bach runtergehen zu sehen.“ Und was noch schwerer wiege, wie Carina H. sagt: Tausende Schüler seien wegen des Educon-Zusammenbruchs gezwungen gewesen, ihre Ausbildungen noch einmal von vorn anzufangen.
MEHR ZUM THEMA UND EIN INTERVIEW: Am Freitag in den Potsdamer Neuesten Nachrichten Zwei Jahre später sitzt Carina H. in einem Besprechungsraum des Hilton-Hotels am Londoner Flughafen Gatwick. Erstmals hat sich die aus Sachsen stammende Frau entschlossen, zusammen mit ihrem Anwalt Claus-Peter Martens öffentlich zu den Vorwürfen, bei Educon seien Schülerzahlen gefälscht worden, um staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe zu kassieren, Stellung zu nehmen.
Ihr Unternehmen sei mit falschen oder oberflächlichen Informationen totgeredet worden. Sagt Carina H. „Aber ganz tot ist es nicht, ein Toter könnte sich nicht mehr wehren.“ So gebe es immer noch die Chance, die Unschuld der Führungsspitze von Educon zu beweisen. Sagt sie. Die Firma hat sie weiter verkauft – ohne die Schulden, die übernahm sie angeblich privat. In Deutschland türmen sich offene Forderungen von mehr als 30 Millionen Euro. Schüler wollen Gebühren zurück, Dozenten warten seit zwei Jahren auf Honorare und das Land Brandenburg will etwa 10 Millionen Euro zurück. Vom Finanzamt ganz zu schweigen. Und der Staatsanwalt wartet auch noch. Ermittelt wird wegen des Verdachts des Subeventionsbetrugs. Der Vorwurf, der vor zwei Jahren erhoben wurde: Educon soll Schülerzahlen gefälscht haben, um an Zuschüsse vom Staat zu kommen.
Die ehemalige Educon-Inhaberin sieht sich und ihr Unternehmen aber weiter als Opfer einer Verschwörung: 2004 habe sie bemerkt, dass einer ihrer Mitarbeiter heimlich Sponsoringverträge mit dem Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam abgeschlossen habe. Der ehemalige Mitarbeiter sei mittlerweile auch verurteilt. Sagt Carina H. Sie selbst habe das Sponsoringgeld zurück gewollt. Schon damals sei ein SPD-Minister – gemeint ist der heutige Sozialminister Günther Baaske – Präsident von Turbine Potsdam gewesen. Carina H. sieht eine Verbindung zwischen dem harten Vorgehen des Bildungsministeriums gegen Educon und den Querelen um das Sponsoring mit Arbeitsverträgen für Fußballerinnen. Seither sei die Zusammenarbeit mit dem SPD-geführten Bildungsministerium schwierig gewesen Sagt Carina H.
Inzwischen ist sie ihre Educon-Schulden los. Ihr ist eine 33-Millionen-Euro-Privatinsolvenz in Großbritannien geglückt. Der Vorteil: Auf der Insel dauert das Verfahren nur ein Jahr. In Deutschland ist eine Privatinsolvenz erst nach sechs Jahren abgeschlossen. Die Insolvenz gilt dabei laut H. auch, wenn aus ihrer alten Zeit noch neue Forderungen aufgemacht werden sollten – etwa vom brandenburgischen Bildungsministerium, das neun Millionen Euro von Educon zurückerstattet haben will. Sollte diese Forderung einmal gegen sie selbst vollstreckt werden, „dann läuft das ins Leere“. Zwar sei ihr gesamtes Vermögen inklusive Häuser in Potsdam sowie Autos eingezogen worden, aber nach der Privatinsolvenz nach britischem Recht sei ihr nun ein Neustart möglich. „Hier in England geht es darum, dass ein Mensch nach einem Jahr wieder voll handlungsfähig ist und Steuern zahlen kann.“
In Großbritannien wollte Carina H. zunächst von ihren Erfahrungen mit Educon profitieren: Sie wollte in Not geratenen Menschen und Unternehmen helfen. Sie gründete zwei Beratungsfirmen: Eine für Privatleute, eine für Firmen. Eine der Firmen, die Business Turnaround Solutions, nahm für eine Insolvenzabwehr bis zu 7000 Euro. Doch die Vergangenheit holte H. ein – es gab Vorwürfe, ihre Unternehmen seien einfach nur Firmenbestatter. Carina H. sagt, sie habe lernen müssen, dass Berichte über die Educon-Affäre ihr auch heute noch in England schaden könnten. Inzwischen habe sie beide Firmen verkauft.
Nun verdiene sie ihr Geld bei einer internationalen Kanzlei. Den Namen will sie nicht nennen – um ihrem Arbeitgeber nicht zu schaden. In ihrem neuen Job sei sie für Investmentbeschaffung und Hilfe für Unternehmen tätig. Mit ihrem neuen Lebenspartner wohne sie in einer Art Business-Wohngemeinschaft zusammen mit jungen Menschen, die sich wie sie noch keine eigene Wohnung leisten könnten. Außerdem, sagt Carina H. Derzeit schreibe sie an einer Biographie – in Romanform. Carina H.: „Die Filmrechte sind schon vergeben.“ Und auch ein anderes Projekt betreibt die gescheiterte Unternehmerin, gegen die in Potsdam die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Subventionsbetruges ermittelt. Sie arbeitet an einem Film, der 2014 in die Kinos kommen soll: „Eine Art indische Version von Cinderella“, sagt Carina H. Ein Märchen.
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