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Landeshauptstadt: Viel Kritik an neuem Rathausbündnis

Gemischte Reaktionen aus Potsdams Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur auf Kooperationsvertrag

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Viel Kritik, nur wenig Lob: Die Vereinbarungen der neuen Potsdamer Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und Potsdamer Demokraten/Freie Wähler sind am Mittwoch bei Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur auf ein geteiltes Echo gestoßen.

Zum Teil harsch sind die Reaktionen in der freien Kultur. Achim Trautvetter, Betreiber des „Freiland“-Jugendzentrums in der Friedrich-Engels-Straße, nannte die Deckelung der jährlichen Zuwächse bei freiwilligen Leistungen auf maximal 1,8 Prozent eine „Kampfansage an die Kulturszene“. Mit der Deckelung würden Kulturschaffende, die ohnehin vielfach in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebten, von der allgemeinen Gehaltsentwicklung abgekoppelt. Alternativ können die freien Träger nur die Preise erhöhen oder Kulturabbau betreiben, warnte Trautvetter. Auch Jens-Uwe Sprengel vom T-Werk in der Schiffbauergasse sagte, 1,8 Prozent Zuwachs würden angesichts der Lohnentwicklung de facto eine Kürzung für die Kultur in einer wachsenden Stadt bedeuten: „Das ist besorgniserregend.“

Vorsichtiger äußerte sich Volkmar Raback, der Direktor des städtischen Hans Otto Theaters. Zunächst sei es gut, dass sich die Kooperation zum Erhalt des Kulturangebots bekannt habe. Was die Deckelung in der Kulturförderung bedeute, könne er noch nicht bewerten, so Raback – es sei noch unklar, ob es beim gegenwärtigen Verteilerschlüssel bleibt oder mehr Prioritäten gesetzt werden. „Wir werden das weiter beobachten – immer in der Hoffnung, dass die Kultur nicht kleingespart wird.“ Auch Linke-Kreischef Sascha Krämer sagte, die Kooperation bleibe die Antwort schuldig, ob künftig mehr Hoch- oder Alternativkultur gefördert werde.

Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte vor allem, dass die Kooperation am nach 2020 geplanten Abriss des Staudenhof-Wohnblocks am Alten Markt festhalte. „Wenn im Zusammenhang mit dem Festhalten an diesem Plan laut Vertrag von Verlässlichkeit die Rede ist, dann muss das für die Mieter wie Hohn klingen“, sagte Scharfenberg. Nach dem Willen der Kooperation soll das Haus für die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte weichen. Für die Mieter sollen sozialverträgliche Lösungen gefunden werden.

Die Fraktion Die Andere kritisierte, dass über die Bezahlung der Beschäftigten in den städtischen Betrieben in der Vereinbarung kein Wort verloren werde. Zudem würden beim Thema Potsdamer Mitte die Wunschträume einer kleinen Minderheit um den Verein Mitteschön weiter zum Kernziel erklärt, kritisierte Die Andere. Dagegen erklärte Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster, mit dem neuen Bündnis verbinde man die Hoffnung, dass das beschlossene Leitbautenkonzept – inklusive Abriss des Staudenhofs – auch umgesetzt werde.

Unterschiedlich fallen die Reaktionen von Verkehrsexperten aus. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßte die Vereinbarungen grundsätzlich, forderte aber jährlich 2,5 Millionen Euro für den Ausbau von Radwegen – statt wie geplant rund eine Million. „Hier hätten wir uns mehr Mut erhofft“, sagte Brandenburgs VCD-Chef Marc Nellen. Zudem würde weiteres Geld benötigt, um den Anteil des Autoverkehrs weiter zu senken. Dagegen kritisierte Brandenburgs ADAC-Vorsitzender Manfred Voit, die geplante Sanierung und der Ausbau von Potsdamer Straßen bei gleichzeitigem Verzicht auf den Neubau von Entlastungsstraßen seien aus seiner Sicht kein Garant für eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung. Er hätte sich konkretere Maßnahmen gewünscht, etwa attraktive Alternativen zum Auto, so Voit.

Es gibt auch weniger kritische Töne. Stadtsportbund-Geschäftsführerin Anne Pichler sagte etwa, nach einem ersten Überfliegen des Kooperationsvertrags sei sie froh darüber, dass die Sportstätten weiter kostenlos genutzt werden dürften.

Für die Industrie- und Handelskammer erklärte der Potsdamer Regionalleiter Tilo Schneider, die von der Kooperation geplante Einrichtung eines Wirtschaftsbeirats sei ein sinnvoller Schritt zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft. Begrüßt werde auch der Ausbau von Kitas – das sei ein Standortvorteil im Wettbewerb um Fachkräfte. Schneider weiter: „Für einen ausgeglichenen Haushalt darf eine Erhöhung von Steuern oder Gebühren nur die Ultima Ratio sein.“ In Potsdam gelte schon ein sehr hoher Gewerbesteuersatz.

Der Stadtjugendring forderte indes, im Rahmen der anstehenden Debatte um ein Leitbild für Potsdam auch Kinder und Jugendliche im Sinne einer qualitativen Stadtentwicklung zu beteiligen.

Kalt erwischt wurden offensichtlich die Stadtwerke: Diese sollen die Einführung von Familientarifen für Wasser und Strom prüfen, um eine Entlastung bei den Wohnnebenkosten zu erreichen. Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz teilte dazu schlicht mit: „Wir kennen diesen Vorschlag derzeit nur aus der Presse, direkte Gespräche hat es noch nicht gegeben.“

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