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Landeshauptstadt: Viel Lärm um Potsdams Lärmaktionsplan Papier auf Bürgerversammlung vorgestellt. Zuhörer fordern schnelle Umsetzung

Innenstadt - Johannes Großmann weiß, was Lärm ist. Seit 1973 wohnt der Rentner in der Potsdamer Charlottenstraße.

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Innenstadt - Johannes Großmann weiß, was Lärm ist. Seit 1973 wohnt der Rentner in der Potsdamer Charlottenstraße. Vor dem Hochhaus fährt die Tram, Autos drängen sich über die Straße und ab und an rast ein Rettungswagen mit Blaulicht zum benachbarten Klinikum. „Es ist immer lauter geworden“, sagt Großmann. Praktisch neben seinem Esstisch landen seit einigen Jahren auch noch Rettungshubschrauber. „Wenn die in der Nacht kommen, ist an Schlafen nicht zu denken.“ Ohne Schallschutzfenster ginge es gar nicht. „Aber wenn man im Sommer bei 30 Grad zugemummelt in der Wohnung sitzt, ist der Spaß vorbei.“ Großmann will wieder ein bisschen Ruhe und ist damit nicht allein.

Die Stadt ist zu laut: Etwa jeder zehnte Potsdamer wird im Schlafzimmer vom nächtlichen Verkehrslärm geplagt. Wie berichtet sind besonders Anwohner in der Großbeeren-, der Charlotten-, der Rudolf-Breitscheid- oder der Karl-Liebknecht-Straße betroffen. Das ist das Ergebnis des Entwurfs der zweiten Stufe des Lärmaktionsplans der Stadt. Der Lärm ist demnach so hoch, dass er Herz-Kreislauf-Krankheiten, Hör- und Schlafprobleme hervorrufen kann. Um den Lärm zu mindern, sollen Autofahrer langsamer fahren, so der Vorschlag. Am Mittwochabend wurde das Papier im Rathaus präsentiert. Knapp 40 Potsdamer waren gekommen, um ihre Sorgen loszuwerden und die Stadt zu einem schnellen Vorgehen zu ermutigen.

„Die Leute können nicht mehr schlafen“, machte Rentner Großmann seinem Ärger Luft. Andere stimmten mit ein. „Die Stadt hält sich sklavisch an die Lärmvorgaben, aber wir wollen mehr“, tönte es durch den Saal. Statt die ruhigen Parks der Stadt zu schützen, sollte es auch darum gehen, ruhige Wohngebiete zu schaffen.

Im Detail stand unter anderem die Potsdamer Chaussee in Groß Glienicke in der Kritik. Die Straße muss saniert werden. Jedes Loch erzeugt Lärm, wenn ein LKW durchdonnert. Immerhin: Eine Lösung werde gesucht, hieß es von der Stadt. Gleiches gelte für die Straßen am Brauhausberg. Um den Straßenlärm zu verringern, wurden Leipziger Straße und Brauhausberg zu Einbahnstraßen verändert. Allerdings in die falsche Richtung. Bergauf stehen Autos im Stau, bergab ist die Straße leer. Eigentlich müsste es andersherum sein, um Motorengeräusche zu mindern.

Rathausmitarbeiter Lars Schmäh versprach Besserung. Die Änderung der Einbahnstraßenregelung am Brauhausberg sei in Planung. Dafür sei ein Umbau am Leipziger Dreieck erforderlich. Noch seien die Kosten nicht eingeplant. Schneller gehe es beim Projekt „Grüne Welle“: Noch in diesem Jahr sollen die Ampelschaltungen in der Innenstadt abgestimmt werden.

Der auf Potsdams Straßen erzeugte Lärm zähle zu den mit Abstand wichtigsten Lärmquellen der Stadt. Nimmt man alle Lärmkartierungen zusammen, müssen rund 15 000 Potsdamer in ihren Wohnungen Verkehrslärm ertragen, der über den nächtlichen Schwellenwert von 55 Dezibel liegt – das ist lauter als ein Kühlschrank, leiser als eine Nähmaschine. Tagsüber liegen die Werte an den betroffenen Strecken mit 65 und 70 Dezibel höher – zum Beispiel an der Magdeburger Fernbahntrasse. Hier sind knapp 1000 Potsdamer „verlärmt“. Die offizielle staatliche Schutzgrenze liegt bei 67 Dezibel am Tage. Die Stadt will sich mit 65 Dezibel einen eigenen Grenzwert setzen.

Um den Wert zu halten, könnte auf viel befahrenen Strecken, wie der Charlotten-, Friedrich-Engels- oder Großbeerenstraße, ganztägig Tempo 30 gelten, auf der Drewitzer Straße, in der Kastanienallee oder der Templiner Straße zumindest nachts. Der Lärmeffekt ist enorm und entspricht der Halbierung des Verkehrs.

Der Lärmaktionsplan strotzt vor weiteren Vorschlägen. Sie umzusetzen, liegt in der Hand der Stadtverordneten, sagt Rentner Großmann. Er hofft darauf – und auf Ruhe, denn umziehen will er nicht.

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