Landeshauptstadt: „Viele haben abgeblockt“
Welt-Aids-Tag: Potsdamer spendeten 1354 Euro / 40 Neuinfektionen, fünf Aids-Tote in Brandenburg 2007
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Innenstadt – Die Potsdamer zeigten sich wenig spendabel am 20. Welt-Aids-Tag am vergangenen Samstag. Die Spendenbüchsen der Straßensammler des Aids-Hilfe Potsdam e.V. enthielten am Abend lediglich 1353,85 Euro. Im vergangenen Jahr waren es noch 2139,37 Euro.
Dabei wird das Geld dringend benötigt, wie Sabine Kaschubowski, Sozialarbeiterin bei der Aids-Hilfe, erklärte: Denn die Spenden fließen in den „Nothilfefonds“ des Vereins. Aus dem Fonds könnten bedürftige Betroffene unbürokratisch Unterstützung erhalten, etwa für eine Betriebskostennachzahlung oder die Praxisgebühr beim Arzt. 2007 wurden nach Angaben des Vereins bereits 1800 Euro auf diesem Weg zur Verfügung gestellt – der Bedarf ist also wesentlich höher als die Summe, die am Samstag eingenommen wurde.
Als „absolut sammelfeindlich“ bezeichnete Sven Petke (CDU) das Regenwetter, als er kurz nach zehn Uhr zum Info-Stand der Aids-Hilfe in die Brandenburger Straße kam. Zusammen mit Vertretern aller Parteien nahm er dennoch die Sammelbüchse und rote Schleifen – das Symbol für Solidarität mit den Betroffenen – in die Hand und warb bei Passanten um Spenden. Auch Schülerin Nicole Schröder beteiligte sich: Die Neuntklässerin war eine von fünf Schülern der Käthe-Kollwitz-Schule, die die Aids-Hilfe unterstützten. Auch in den Bahnhofspassagen waren Sammler unterwegs: Hier kamen ihnen allerdings Berliner Kollegen zuvor, wie Hortense Lademann von der Aids-Hilfe Potsdam erzählte.
„Viele haben abgeblockt“, resümierte Nicole Schröder nach einer Stunde enttäuscht: „Ich hätte gedacht, dass mehr Leute Geld geben.“ Die schlimmste Reaktion auf die Frage nach einer Spende für die Aids-Hilfe sei ein „Ach du Scheiße, dankeschön“ gewesen. Aids sei im Schulunterricht Thema, erzählte die Neuntklässlerin weiter. Dennoch glaubt sie, dass sich viele Jugendliche nicht genügend gegen die unheilbare Immunschwächekrankheit schützen: „Ich finde es schlimm, dass viele auf Partys gehen, sich betrinken und dann mit irgendeinem ins Bett hopsen.“
„Man merkt, dass es nicht mehr so ein Thema ist“, findet Sozialarbeiterin Sabine Kaschubowski. Zusammen mit ihrer Kollegin Hortense Lademann sei sie in diesem Jahr bereits 70-mal an Potsdamer Schulen gegangen, um über Ansteckungswege, Test- und Beratungsmöglichkeiten zu informieren: „Wichtig ist, dass junge Menschen lernen, dass sie sich so viel wert sind, dass sie ihren Körper schützen“, so die Sozialarbeiterin.
„Alle haben sich daran gewöhnt“, war der Eindruck der SPD-Landtagsabgeordneten Susanne Melior am Samstag: „Aufklärung ist weiter notwendig“, sagte sie. „Relativ wenig junge Leute sind bereit, zu spenden“, stellte Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann (Die Linke) fest. Sie kritisierte, dass politisch zu wenig gegen die „zunehmende Verarmungstendenz in Teilen der Gesellschaft“ getan werde: „Für das, wofür wir hier sammeln, müsste eigentlich die soziale Sicherung da sein“, so die Politikerin.
40 HIV-Neuansteckungen und fünf Aids-Todesfälle registrierte das Robert-Koch-Institut in Berlin (RKI) 2007 für das Land Brandenburg. Bundesweit waren es nach RKI-Schätzungen 3000 Neuansteckungen und 650 Aidstote. Das sind rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt geht das RKI von 400 Brandenburgern aus, die mit Aids oder HIV leben. In der Infektionsambulanz des Bergmann-Klinikums werden laut Kaschubowski aktuell mehr als 90 HIV-Patienten behandelt. Die Aids-Hilfe Potsdam betreue über 60 Betroffene. Am Donnerstagabend findet im Hans Otto Theater die Aids-Gala zugunsten der Potsdamer Aids-Hilfe statt. Jana Haase
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