Landeshauptstadt: Vier oder sechs Jahre Grundschule?
HU-Bildungsforscher bezweifelt, dass gute Schüler ausreichend gefördert werden
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Brandenburg und Berlin haben sie – in Hamburg wird momentan über die Einführung der sechsjährigen Grundschule diskutiert. Dabei ist sich der Erziehungswissenschaftler Rainer Lehmann von der Humboldt-Universität sicher: „Im Gymnasium lernen besonders leistungsfähige Kinder mehr, als wenn sie nach der vierten Klasse noch in der Grundschule bleiben“. Dazu hat er die Kenntnisse von 4700 Viert- bis Sechstklässlern in Berlin untersucht. Zwar liegt seine seit langem erwartete Studie offiziell noch nicht vor. Aber Lehmann lässt keinen Zweifel daran, in welche Richtung seine Forschungen gehen.
Lehmann hatte im Auftrag des damaligen Berliner Schulsenators Klaus Böger (SPD) im Jahr 2003 begonnen, das Lese- und Mathematikverständnis von Viertklässlern an 69 repräsentativen Grundschulen zu untersuchen. In den Jahren 2004 und 2005 beobachtete sein Forscherteam, wie sich die Leistungen veränderten. Im Rahmen dieser sogenannten Element-Studie wurden deshalb auch Schüler an grundständigen Gesamtschulen und 31 Gymnasien untersucht. Der Wissenschaftler sagte klipp und klar, dass er leistungsstarken Schülern nicht den Verbleib auf der Grundschule raten würde. Denn dort würden sie nach dem jetzigen Stand „langsamer lernen“. Auch das Argument, dass das gemeinsame Lernen die sozialen Unterschiede verringere, lässt der Humboldt-Professor nicht gelten: Eine derartige „Vermutung“ lasse sich anhand seiner Untersuchungen nicht belegen, betonte Lehmann im Gespräch mit dem Tagesspiegel.
Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung konnte gestern nicht sagen, wann sie die Studie offiziell veröffentlicht. Klar ist aber schon jetzt, dass sie erheblichen Wirbel auslösen wird, weil die Gegner der sechsjährigen Grundschule neuen Aufwind bekommen. In Brandenburg gibt es seit diesem Schuljahr so genannte Leistungs- und Begabungsklassen, die besonders schlaue und leistungsstarke Schüler fördern sollen. 35 der Klassen gibt es brandenburgweit, allerdings nicht in allen Landkreisen. In Potsdam gibt es fünf solcher LuBK-Klassen, allerdings gibt es doppelt so viele Anfragen von Eltern und Schülern wie Kapazität an den Schulen. Die Klassen waren ein Kompromiss der Großen Koalition Brandenburgs.
An Berliner Grundschulen beklagen Schulleiter jedoch zunehmend, dass ihnen die Leistungsträger abhanden kommen. Der Grundschulforscher Jörg Ramsegger von der FU Berlin plädierte für eine bessere Lehrerausbildung: Es müsse mehr darauf geachtet werden, dass der Umgang mit heterogenen Lerngruppen geübt werde. Andernfalls seien Lehrer eben nicht in der Lage, sowohl Leistungsstarken als auch Leistungsschwachen gleichermaßen gerecht zu werden. sve
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