Landeshauptstadt: Vier Ratten pro Einwohner
Das Potsdamer Gesundheitsamt gibt aber trotzdem Entwarnung
Stand:
Ihr Schwanz ist fast nackt und kann 25 Zentimeter lang werden. 160 bis 190 Hautringe reihen sich vom braun bepelzten Hinterteil bis zur gräulichen Spitze aneinander. Die Ratte daran ist ungefähr noch einmal genauso groß. Rund 300 Millionen Ratten sollen in Deutschland leben, also fast vier pro Einwohner. Das schätzen zumindest Schädlingsbekämpfer. Und auch in Potsdam hängen zurzeit an Gartenzäunen und Häuserwänden wieder Schilder, auf denen „Vorsicht Rattengift steht!“. Wie viel der Tiere es in der Stadt genau gibt, kann Gesundheitsamtschefin Karola Linke aber nicht sagen. Denn in Brandenburg muss es niemand dem Amt melden, wenn er eins entdeckt. Sie geht allerdings davon aus, dass die Zahl der Ratten in den vergangenen Jahren ungefähr gleich geblieben ist.
Das glauben auch Potsdams Kammerjäger. Sie rücken nach eigenen Angaben aber teilweise einige hundert Mal pro Jahr aus, um Ratten zu beseitigen – meistens mit einem Gift, das sie innerlich verbluten lässt. Die Tiere gebe es überall. In Altbauten, in Neubauten; in Gaststätten, aber auch in Schulen und Kitas. Und natürlich im Freien. In Potsdam fühlen sich die Tiere offenbar besonders wohl in der Neustädter Havelbucht und am Platz der Einheit. Das waren 2008 laut Linke die Schwerpunkte bei der Rattenbekämpfung. „Wenn jemand bei uns anruft, weil er zum Beispiel in einem Wohnblock Ratten gesehen hat, dann fordern wir den Vermieter auf, die Tiere zu bekämpfen“, erklärt Karola Linke. 23 Mal hat das Gesundheitsamt 2008 den Befehl dazu gegeben.
Ratten gehören zu den Gesundheitsschädlingen. Sie können Krankheiten wie Tollwut, Typhus, Cholera, Ruhr, Tuberkulose, Maul- und Klauenseuche und Fadenwürmer übertragen, aber auch das Hantavirus, das Blutungen und hohes Fieber auslösen kann. Auch in Brandenburg seien Menschen daran erkrankt, wie viele konnte die Gesundheitsamtschefin nicht sagen, deutschlandweit seien es in diesem Jahr bislang 216 gewesen. Aber Karola Linke gibt Entwarnung: „Die Erreger befinden sich im Speichel, im Urin und im Kot der Tiere“, sagt sie. Und damit kämen Menschen selten in Kontakt.
Auch können nicht alle Ratten ohne Weiteres getötet werden. Der Bestand der Hausratte zum Beispiel sei so weit zurückgegangen, dass die Tiere teilweise schon unter den Artenschutz fallen. Hausratten dürfen Kammerjäger nur bekämpfen, wenn die Landesnaturschutzbehörde es genehmigt. Die Wanderratte ist dagegen viel häufiger – auch in Potsdam. Sie stammt ursprünglich aus Zentralasien und Nordchina. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie aber schon seit dem 9. Jahrhundert in Europa siedelt. Heute vor allem in der Kanalisation, in Uferzonen und auf Müllplätzen. Sie wird zwar kaum älter als ein Jahr, aber die Weibchen gebären in ihrem Leben sechs- bis achtmal – jedesmal etwa 40 Junge. „Jeder Einzelne kann aber dazu beitragen, den Ratten die Entwicklungsmöglichkeiten zu entziehen“, sagt Karola Linke: Speisereste dürften nicht in die Toilette oder den Ausguss gegossen werden und Essensabfälle gehörten in geschlossene Mülltonnen. Und die Potsdamer müssten ihre Häuser überprüfen: Durch defekte Kellerfenster, Löcher in den Wänden, Dächern und Fußböden oder kaputte Abwasserrohre gelangten Ratten leicht in Häuser. Sie können sehr gut schwimmen, tauchen und klettern. Juliane Wedemeyer
Juliane Wedemeyer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: