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Landeshauptstadt: Vom Saulus zum Paulus

CDU Potsdam ehrte Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen

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Die Vita auch dieses Widerständlers ist problematisch: Der CDU Ortsverband Potsdam, Vertreter der SPD sowie Zeitzeugen ehrten gestern Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1937 Regierungspräsident von Potsdam. „Ja, er war Mitglied der SS“, stellte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bei einer Gedenkveranstaltung vor dem ehemaligen Amtssitz des Geehrten fest, dem heutigen Stadthaus. Schönbohm weiter: „Ja, er hatte sich geirrt, aber er hat alle moralische Kraft aufgewendet, um den Weg zu gehen, der soviel Mut erforderte.“

Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen war der Enkel des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck. In der NS-Zeit gehörte er zunächst dem Freundeskreis Reichsführer-SS an und wurde 1943 zum SS-Oberführer ernannt. Später schloss er sich dem konservativen Widerstand gegen Hitler an und kam ins Konzentrationslager. Potsdams CDU- Vorsitzender Wieland Niekisch versuchte um Verständnis für diesen Lebensweg zu werben. Von Bismarck habe im Nationalsozialismus „einen Ausweg aus dem fürchterlichen Chaos“ der Weimarer Republik wie aus der Schmach des Versailler Vertrages gesehen. Er habe als junger Mensch nach Hitlers Machtantritt 1933 schnell Karriere machen können, mit 32 Jahren war er Landrat auf Rügen, sagte Niekisch. Mit 37 Jahren wurde er Regierungspräsident von Potsdam. Doch dann habe er sich laut Niekisch „vom Saulus zum Paulus“ gewandelt und viele geheime Treffen im Stadthaus abgehalten, unter anderem mit dem schwedischen Bankier Jakob Wallenberg, der für die Widerstandsgruppe die Bereitschaft Churchills sondieren sollte, mit einem Nach-Hitler-Deutschland gemeinsam gegen den Bolschewismus vorzugehen. Auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der spätere Hitler-Attentäter von 20. Juli 1944, traf sich mit dem Regierungspräsidenten im heutigen blauen Salon und im heutigen Amtszimmer des Oberbürgermeisters. Nach seiner Verhaftung wurden er und seine Frau schwer gefoltert. Unklar ist, warum er nicht auch hingerichtet wurde. Niekisch vermutet: „Mitten im Krieg einen Bismarck zu hängen war nicht opportun.“ Graf Bismarck-Schönhausen kam am 14. September 1949 einem Autounfall in Verden/Aller ums Leben.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) würdigte den „Aufstand des Gewissens“ der Hitler-Gegner und setzte sich mit der Frage auseinander, ob die Widerständler Landesverräter waren. Er zitierte dazu Graf von Stauffenberg: „Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“

Mit Blick auf die Potsdamer Widerständler „kann man diese Stadt nicht auf den Tag von Potsdam reduzieren“, erklärte Innenminister Schönbohm in seiner Ansprache weiter. Schönbohm erinnerte sich daran, wie sich noch zu seiner Zeit als junger Offizier ein Riss durch die Bundeswehr zog. Es gab Ritterkreuzträger, die sich schämten, dieses zu tragen – und es gab welche, die sagten, „wie kann man nur im Widerstand gewesen sein“.

Anwesend war gestern auch Alexander von Bismarck, der äußerte, an der richtigen Stelle Widerstand zu leisten, sei in seiner Familie „keine Besonderheit, sondern Normalität“. Dies blieb im Nachgang nicht unwidersprochen: „Die Familie von Bismarck ist vielschichtig, man sollte sie nicht einseitig schildern“, erklärte SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert.

Vielleicht die schönste Ehrung für Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen stellte die stille Anwesenheit von Vera Schieckel dar. Mehreren Mitgliedern ihrer Familie, der jüdischen Familie Mendelssohn-Bartholdy, haben dem persönlichen Eingreifen Gottfried Graf von Bismarck-Schönhausen ihre Rettung vor der NS-Verfolgung zu verdanken.

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