STATIONEN: Von den Bergen zum Paradies
Letzte Wandertour der PNN-Aktion „Potsdam erleben“ führte von der Waldstadt zum Ufer des Templiner Sees mit Einsteinhaus und Marienquelle / Abschluss der Tour am schönsten Aussichtspunkt Potsdams auf dem Brauhausberg
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STATIONENLetzte Wandertour der PNN-Aktion „Potsdam erleben“ führte von der Waldstadt zum Ufer des Templiner Sees mit Einsteinhaus und Marienquelle / Abschluss der Tour am schönsten Aussichtspunkt Potsdams auf dem Brauhausberg Von Günter Schenke „Das Segelschiff, die Fernsicht, die einsamen Herbstspaziergänge, die relative Ruhe, es ist ein Paradies.“ So beschreibt Albert Einstein im Jahre 1929 seinen Caputher Sommersitz. Als die PNN-Wandertruppe Sonnabendfrüh hier ankommt, hat sie schon acht Kilometer durch den Forst Potsdam hinter sich. Wanderleiter Friedrich-Wilhelm Reinhardt erklärt, dass Einsteins Sommerhaus erst seit 26. Mai 2005 wieder der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es gibt ein Rieseninteresse und auch an diesem Morgen wimmelt es von Besuchern, obwohl es kein Museum ist. Überwiegend im Besitz der hebräischen Universität in Jerusalem, wird es vom Einstein-Forum Potsdam verwaltet und als Ort des wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Dialogs genutzt. Die Wandertour nach Caputh führte über den Caputher Heuweg zwischen Kleinem und Großem Ravensberg vorbei und streifte die Caputher Heide bis zur Straße Am Waldrand. Mancher bedauerte, dass die Sehenswürdigkeiten im Forst Potsdam wie die Waldschule, der Feuerwachturm sowie Teufelssee und Moosfenn außerhalb der Route lagen. Wanderleiter Reinhardt musste zum wiederholten Male empfehlen: „Das können Sie alles auf eigenen Wanderungen nachholen.“ Rast am Forsthaus Templin. Braumeister Jörg Kirchhoff, einer der beiden Besitzer der Ausflugsgaststätte, erteilte eine Lektion über die Arbeit der hauseigenen Braumanufaktur. Seit zwei Jahren betreiben die beiden Brauer die Ausflugsgaststätte mit Erfolg. „Wir brauen ökologisches Bier“, erklärt er. Hopfen und Malz kommen aus „zertifiziertem ökologischem Anbau.“ Daraus entsteht ein trübes weil ungefiltertes Bier mit dem Aroma der Hefe, die in winzigen Partikeln die Trübung bewirkt. Wanderleiter Friedrich-Wilhelm Reinhardt kennt die Forsthaus-Betreiber noch aus deren Lehrzeit in der Brauerei in Rehbrücke. Reinhardt hat ein 48-jähriges Berufsleben in dieser Branche hinter sich, war gar Direktor für Produktion des DDR-Getränkekombinats für den Bezirk Potsdam. Im Garten der Ausflugsgaststätte hatte Peter Altmann diesmal einen Elektrogrill aufgestellt und versorgte die PNN-Wanderer mit knuspriger Bratwurst. Die Stärkung war nötig, denn anschließend ging es auf rustikalen Treppen ziemlich steil nach oben. Der Weg führte von der Templiner Chaussee hinauf auf den Kieskutenberg am Rande der früheren Kiesgrube. Hier am „Steilhang“ führt ein Weg entlang Die Stadtkarten verzeichnen einen Aussichtspunkt. Von diesem, durch ein Geländer gesichert, ist jedoch nur ein kleines Guckloch übrig geblieben. Die schöne Sicht auf den Templiner See ist weitgehend zugewachsen. „Der Potsdamer Wanderbund hat mit der Forst gesprochen, damit die Aussicht wieder frei geschlagen wird“, berichtet Reinhardt. Er berührt damit einen wunden Punkt der gesamten Potsdamer Kulturlandschaft, deren historische Sichten nach und nach verschwinden, wenn nicht eine regelmäßige Pflege erfolgt. Ein kreisrundes aus der Erde herausragendes Mauerwerk mit etwa vier Metern Durchmesser erregt die Aufmerksamkeit der Wanderer. „Ich habe lange gebraucht um zu erfahren, worum es sich handelt“, berichtet Reinhardt. Es sei eine Fäkaliengrube, weit mehr als hundert Jahre alt, habe er schließlich herausgefunden. Hierher seien mit Pferdefuhrwerken die Fäkalien der Stadt Potsdam transportiert worden, als es noch kein Abwassersystem gab. Noch heute ist die Pflasterstraße für den Antransport mit den Jauchewagen teilweise sichtbar. Von oben sind die Backsteinmauern der Marienquelle an der Templiner Straße zu erkennen, aber daran geht es eilig vorbei bis zum Küssel auf der Insel Hermannswerder. 1200 Meter lang ist die Umfassungsmauer, welche die hier ansässige Hoffbauerstiftung umschließt. Im Jahre 2001 beging die Einrichtung, die sich als „Sachwalter der Kranken und Schwachen“ versteht, ihr hundertjähriges Bestehen. Reinhardt erinnerte an die Stifter Clara und Hermann Hoffbauer. Er hob besonders die Rolle von Clara hervor, die nach dem Tode ihres Mannes, eines wohlhabenden Kaufmannes, die Stifterrolle fortsetzte und das vom ihrem Mann hinterlassene Kapital zu vermehren verstand. Nach der Geldentwertung nach dem ersten Weltkrieg schmolzen die Millionen allerdings wie Schnee in der Sonne dahin, wodurch die Stiftung in arge Schwierigkeiten geriet. Einen schönen Abschluss der Wanderung bildete der „Aufstieg“ zum Brauhausberg. Im Finkenweg erinnerte Reinhardt an die Vorkriegspläne der Stadterweiterung zum „Wald Potsdam“, an die heute nur noch einige Musterhäuser und Rudimente vom unvollendeten Bau einer Straßenbahntrasse durch den Potsdamer Forst nach Caputh erinnern. Einmalig ist noch heute der Blick auf die Stadt Potsdam von der steinernen Kaiser-Friedrich-Bank aus. Viele Künstler haben die Stadtansicht von hier aus gemalt. So gab Friedrich II. dem Maler Johann Friedrich Meyer den Auftrag, den Blick vom Brauhausberg festzuhalten. So entstanden im Jahre 1771 einige Ansichten der Stadt, die zusammen ein eindrucksvolles Panorama ergeben. Die heutige Ansicht erinnert nur noch wenig an die herrlichen Veduten des 18. Jahrhunderts. Geprägt von den bunten Plattenbauten an der Neustädter Havelbucht ragt im Panorama unter anderem der neue Heiliggeistturm auf, dessen Stahlgerippe wie zur Erinnerung an eine vergangene Schönheit das Bild bestimmt. Das Einsteinhaus ist ein besonderer Anziehungspunkt in Caputh. Albert Einstein lebte in den Jahren 1929 bis 1932 einige Monate hier. Nicht weit von hier entfernt befindet sich die beliebte Ausflugsgaststätte Forsthaus Templin, die eine eigene Brauerei betreibt. Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler haben das Restaurant wieder hergerichtet und vor zwei Jahren eröffnet. Besonders an den Wochenenden wird der Biergarten bevölkert. Unweit vom Forsthaus ist an der Templiner Straße die Baulichkeit der Marienquelle zu sehen. August Stüler hat sie im Auftrag des preußischen Königs als Waldtränke angelegt. Die Quelle ist versiegt, die Restaurierung des Mauerwerks abgeschlossen. G.S.
Günter Schenke
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