Von Michael Meyer, Köln: Von der Kurve auf den Rasen
Turbine Potsdam verpasste durch ein 1:2 gegen den FFC Frankfurt den vierten Pokalsieg ausgerechnet in dem Stadion, in dem Torfrau Anna Felicitas Sarholz schon oft im Fanblock stand
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Die Enttäuschung stand Anna Felicitas Sarholz nach dem Abpfiff deutlich ins Gesicht geschrieben. Am Samstag verlor die Torhüterin mit Turbine Potsdam in Köln das DFB-Pokal-Endspiel gegen den FFC Frankfurt mit 1:2 (1:1). Und das ausgerechnet im RheinEnergieStadion, in dem sie in der Vergangenheit bei so manchem Heimspiel des 1. FC Köln auf der Südtribüne im Fanblock stand. „Da habe ich nie damit gerechnet, mal unten im Tor zu stehen. Mir ging es ähnlich wie Manuel Neuer bei Schalke – von der Kurve auf den Rasen. Das war jetzt eine große Ehre für mich und wie ein Märchen. Unsere Niederlage war natürlich bitter, aber davon geht die Welt nicht unter. Und diese Medaille hat auch nicht jeder“, erklärte die 18-Jährige, nachdem ihr Bundespräsident Christian Wulff bei der Siegerehrung die Silbermedaille umgehängt hatte. Wulff, vor zwei Wochen mit seiner Frau Bettina in Babelsberg Augenzeuge des Potsdamer Meistertitel-Gewinns, war am Samstag allein angereist und brachte Turbine diesmal kein Glück, will aber zum Champions-League-Halbfinalrückspiel Turbines gegen den FCR Duisburg am 17. April mit seiner Gattin ins Karl-Liebknecht-Stadion kommen.
„Die heutige Niederlage war nicht so deprimierend wie unser 0:7 vor zwei Jahren gegen Duisburg, das ich damals in Berlin von der Bank aus erlebte“, meinte Sarholz. „Heute waren wir auf Augenhöhe mit dem Gegner, heute haben wir uns gut verkauft.“ Turbines Champions-League- Finalheldin von 2010 musste am Samstag vor 20 312 Zuschauern schon früh hinter sich greifen, nachdem Svenja Huth einen Fehler Inka Weselys ausnutzte und den Ball aus Nahdistanz flach über die Linie drückte (15.). Anschließend verhinderte sie sehenswert gegen Birgit Prinz (18., 28., 45.+1) sowie Dzsenifer Marozsan (45.+2) Ärgeres und konnte mit Turbine jubeln, als Yuki Nagasato nach schönem Pass Viola Odebrechts rechts in den Strafraum wieselte, Meike Weber aussteigen ließ und aus spitzem Winkel ins lange linke Eck zum 1:1 einnetzte (42.). Die Potsdamerinnen belohnten sich damit für eine Steigerung im Verlauf der ersten Spielhälfte, hatten aber Glück, als Josephine Henning für Sarholz gegen Prinz rettete (25.) und als Gina Lewandowskis Kopfball an der Latte landete (45.+3).
Und sie waren kurz nach dem Seitenwechsel noch nicht wieder richtig bei der Sache, als Kerstin Garefrekes für Frankfurts 2:1 sorgte (48.). Prinz eroberte sich den Ball kurz vor Potsdams Strafraum, Sarholz parierte mit einer Glanzparade ihren Schuss, doch dann kam Garefrekes angerauscht, und nach ihrem Schuss bekam die Turbine-Schlussfrau das Leder erst hinter der Torlinie zu fassen (48.). Beim letztlich von Schiedsrichterin Christina Jaworek nicht gegebenen Freistoß-Tor durch Jennifer Zietz (59./siehe unten) „habe ich schon gejubelt. Ob Angerer dabei behindert wurde, habe ich nicht erkennen können“, so Turbines Torfrau.
„Jedes Tor ist vermeidbar, ohne Fehler würden alle Spiele Null zu Null ausgehen“, erklärte Anna Felicitas Sarholz, die in Köln geboren wurde, ehe sich ihre Eltern trennten und sie als Zweijährige mit der Mutter zunächst ins Saarland und dann nach Dessau zog, während der Vater in Köln blieb. Das Mädchen spielte bei Germania Roßlau, ehe es 2006 zu Turbine kam und hier zu einer für ihr Alter schon sehr guten Torfrau reifte. Als solche verhinderte sie mit tollen Aktionen gegen Prinz (50., 54.) und Jessica Landström (89.) einen größeren Rückstand. Sie feuerte immer wieder ihre Mannschaft lautstark an und musste doch tatenlos zusehen, wie Turbine verheißungsvolle Chancen vergab (Babett Peter 40., Fatmire Bajramaj 52., 53.) oder an Frankfurts Ballfängerin Nadine Angerer scheiterte (Nagasato 64., Bajramaj 71.). Die jetzt 32-jährige Angerer war von 2001 bis Ende 2007 Potsdams Stamm-Torhüterin und gewann in dieser Zeit mit Turbine dreimal das Pokalfinale gegen Frankfurt, ehe sie via Djurgarden IF an den Main zog. „Beim zweiten Gegentor sah sie nicht so gut aus, ansonsten hat sie aber sehr gut gehalten“, sagte die Nationalmannschafts-Torfrau über Sarholz, und Turbines Torwart-Trainer Dirk Heinrichs erklärte: „Sara hatte heute mehr zu tun als ihr Gegenüber und hat ihre Sache gut gemacht. Jeder hat heute gesehen, was Sara kann.“ Sara wird die Torfrau von der Mannschaft gerufen, Felix von den meisten Fans, Anna von der Familie. Mutter Eva, Vater Stephan und Onkel Marco drückten im RheinEnergieStadion die Daumen – leider umsonst.
„Ich höre auf alle diese Namen“, meinte Sarholz, die sich in Potsdam so wohl fühlt, dass sie am 5. Juli vergangenen Jahres – ihrem 18. Geburtstag – ihren Vertrag bei Turbine bis 2013 verlängerte. „Ich habe hier alles und will hier noch eine Ausbildung machen, denn man braucht ein zweites Standbein neben dem Fußball“, erklärte die Kickerin, die nach ihrem Abitur an der Potsdamer Sportschule derzeit ein Praktikum in der Turbine-Geschäftsstelle bei Pressechefin Nadine Bieneck absolviert.
Auch wenn das erhoffte Triple – Meistertitel, DFB-Pokal und Champions-League- Sieg – für Potsdam in dieser Saison nun nicht mehr möglich ist, steckt Anna Felicitas Sarholz den Kopf nicht in den Sand. „Dafür gewinnen wir jetzt die Champions League“, lautete ihre Kampfansage am Samstag. „Und den Pokal holen wir uns im nächsten Jahr.“ Für Platz zwei bekommt Turbine vom Deutschen Fußball-Bund 70 000 Euro; jeder Männer-Finalist übrigens erhält garantiert zwei Millionen Euro. Ob das Frauen-Finale 2012 erneut in Köln ausgetragen wird, will der DFB demnächst entscheiden. Sarholz wünscht sich dann „weniger Brimborium als in diesem Jahr. Diesmal war die Show ja wichtiger als der Fußball.“ Ansonsten gefiel ihr die Stimmung im Stadion. „Die Kölner“, meinte sie, „haben mich nicht enttäuscht.“
Frankfurt: Angerer; Krieger, Hingst, Lewandowski, Weber (90.+2 Thunebro); Garefrekes, Smisek, Behringer (81. Landström), Huth (61. Pohlers); Prinz, Marozsán.
Potsdam: Sarholz; Wesely (62. M. Kerschowski), Peter, Henning; Schmidt, Zietz, Odebrecht, Kemme (46. I. Kerschowski); Nagasato (81. Andonova), Bajramaj, Mittag.
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