zum Hauptinhalt
Abgestumpft. Der Rentierzüchter Golz beschallt die Tiere auf seiner Farm unter anderem mit einer DVD von einem Live-Auftritt des Komikers Mario Barth, um sie gegen äußere Reize abzustumpfen.

© Patrick Pleul dpa/lbn

Von Leticia Witte: Von der Weide ins Museum

Spezialtraining für Rentiere in der Uckermark / Proben für Auftritte in der Öffentlichkeit

Stand:

Kleptow - Man nehme eine DVD mit einem Live-Auftritt des Komikers Mario Barth, werfe den Beamer an und beschalle eine Herde Rentiere in einem Stall mit Gags, Applaus und Gejohle. „Dann schrecken die Tiere vor nichts mehr zurück“, erklärt Rentierzüchter Thomas Golz aus der Uckermark sein Rezept.

„Auf der DVD ist alles, was ich brauche, um die Tiere gegen äußere Reize abzustumpfen.“ Golz steht auf der winterlichen, weitläufigen Weide in Kleptow bei seinen Rentieren. Rechts und links hält er Rudolph und Hein Blöd an der Leine - in der Tat wirken sie sehr zahm. Der Barth-Trick sei kein Scherz, versichert der Züchter irritierten Besuchern.

Die Golzschen Rentiere werden nicht nur für das gebucht, was man von ihnen in der Weihnachtszeit gemeinhin erwartet: Sie ziehen Schlitten im Schnee oder lassen sich auf Adventsveranstaltungen bestaunen. Sie sind auch die Attraktion in einer ungewöhnlichen Ausstellung eines Berliner Museums: Zwölf Rentiere vom Kleptower Hof sind zusammen mit trällernden Kanarienvögeln in der „Soma“-Schau von Carsten Höller im Hamburger Bahnhof zu sehen.

Dank des Spezialtrainings per DVD machten den Rentieren schreiende Kinder, fahrende Autos oder andere Geräuschkulissen auf den jeweiligen Veranstaltungen nichts mehr aus, ist Golz überzeugt. Früher habe er seinen Vierbeinern mit dem verästelten Geweih Radio vorgespielt - alles in Zimmerlautstärke, wie der Züchter betont.

Seine Methode des Tiertrainings sei „Marke Eigenbau“ und funktioniere einwandfrei. Gerade ist Hochsaison für sein Geschäft. Bis zu den Feiertagen reihen sich die Termine für seine Rentiere aneinander. Zwischendurch muss Golz nach Schweden fahren, um Nachschub für einen französischen Züchter abzuholen.

Der Hof in der Nähe von Prenzlau ist von Weiden umgeben, auf denen 30 Rentiere und acht Elche stehen - auf insgesamt 30 Hektar, die hin und wieder von einem Haus gesäumt werden. „Die Tiere kennen ja ursprünglich gar keine Zäune“, sagt Golz. Zäune sind aber selbst in der dünn besiedelten Uckermark nötig, damit die Exoten nicht ausbrechen. Die Rentiere füttern der Züchter und seine Mitarbeiter zum Beispiel mit Heu und einem speziellen Kraftfutter aus Schweden. Die derzeitigen Minusgrade seien das ideale Wetter für die Tiere.

Vor mehr als zehn Jahren zogen die Rentiere in die Uckermark ein, alles begann zunächst mit der Zucht. „Wir haben ausprobiert und ausprobiert“, erinnert sich Golz. Nicht ohne Verluste, denn Rentiere seien sehr empfindlich. Golz sagt, dass er auf seinem Gebiet ein Pionier in Deutschland gewesen sei, der heute an Züchter in ganz Europa liefere und selbst seinen skandinavischen Kollegen Tipps für die Rentierhaltung gebe. Später kamen die öffentlichen Auftritte der Vierbeiner, zum Beispiel in der Fernsehserie „Tierärztin Dr. Mertens“ oder im Tier-Quiz mit Frank Elstner.

Beanstandungen von Tierschützern oder Veterinären habe es bislang nicht gegeben, betont Golz. Seine Tiere - inklusive Nachwuchs - fühlten sich in der uckermärkischen Weite wohl. „Wenn es Tieren schlecht geht, vermehren sie sich nicht“, heißt sein Rezept. Laut Deutschem Tierschutzbund in Bonn werden Rentiere als Haustiere angesehen. Vorschriften für die anspruchsvolle Haltung gebe es nicht, es sollten aber 1000 Quadratmeter Wiese pro Tier zur Verfügung stehen.

Der Sprecher des Tierschutzbundes, Marius Tünte, weist ebenfalls auf die Empfindlichkeit der Vierbeiner hin. „Eine Haltung der Rene in Deutschland ist sehr kritisch zu bewerten.“ Dennoch gibt es sie dort - etwa auf den Kleptower Weiden, wo sie unerschrocken auf Besucher zugehen, an ihnen schnuppern und sich das Fell streicheln lassen. Und eben im Museum. „Die Tiere spielen, fressen, schlafen“, sagt die für die Ausstellung in Berlin zuständige Sprecherin.

Leticia Witte

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })