Landeshauptstadt: Von der Wüste zum Vorzeigekiez
Die Waldstadt II, eines der schönsten DDR-Neubaugebiete, feiert 35-jähriges Bestehen. Die ersten Mieter hatten es damals schwer
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Waldstadt II - Von wegen Waldstadt! „Als ich hier 1979 eingezogen bin, war ringsum nichts als Wüste“, erinnert sich Renate Goldammer. Nun, das stimmt nicht ganz. Zumindest gab es in der Wüste ein paar Bauminseln. Denn bei der Planung der Waldstadt II gingen die Verantwortlichen für DDR-Verhältnisse behutsam vor: Das Waldstück zwischen der Heinrich-Mann-Allee und den Ravensbergen, auf dem das Plattenbaugebiet entstehen sollte, wurde nicht komplett gerodet. Stattdessen wurden die Neubaublocks um die bestehenden Baumgruppen herum angeordnet. Auf diese Weise wurde tatsächlich der Charakter eines Wohngebiets im Grünen geschaffen – einer Waldstadt eben.
Goldammer war eine der ersten, die in der Waldstadt II eine Wohnung bekamen. Am 18. Mai 1979 konnte sie in den Block am Kiefernring 19-25 einziehen. Damals hieß die Straße noch Anton-Fischer-Ring, benannt nach einem Antifaschisten. Die meisten Straßen im Kiez sollten solche Namen bekommen. Heute heißen sie Moosglöckchenweg, Am Moosfenn oder Sonnentaustraße. Für die Bürgerinitiative Waldstadt, kurz Biwa, ist es inzwischen Tradition, das Jahr der Übergabe der ersten Wohnungen im Plattenbaukiez alle fünf Jahre mit einer Feier zu würdigen. Am heutigen Samstag wird das 35-jährige Bestehen begangen.
Nach Feiern war Biwa-Mitglied Goldammer 1979 nicht unbedingt zu Mute – obwohl eine neue Plattenbauwohnung zu DDR-Zeiten als Goldstaub galt. Weil es schnell gehen musste, sei der erste Block als Mängelblock übergeben worden, sagt die 63-Jährige. Die Folge: Wenn es regnete, lief das Wasser innen an der Wand herunter, im Winter bekam man es trotz voll aufgedrehter Heizung nicht wärmer als 17 Grad Celsius.
Weggezogen ist sie trotzdem nicht. Denn die Wohnzufriedenheit in der Waldstadt II, das galt damals wie heute, ist eine der höchsten in ganz Potsdam. Auch Biwa-Gründer Karl-Heinz Rothkirch will nirgendwo anders leben. Vor 30 Jahren zog er aus der Waldstadt I hinüber auf die andere Seite der Heinrich-Mann-Allee. Damals war der Stadtteil schon weit entwickelt und „eines der schönsten Wohngebiete überhaupt“, sagt Rothkirch.
1979 war davon allerdings noch nicht so viel zu sehen. Wie bei allen Plattenbaugebieten in der DDR hinkte auch in der Waldstadt II die Infrastruktur hinter dem Wohnungsbau hinterher. Es fehlten Schulen, Kitas, Einkaufsmöglichkeiten – ja sogar Straßen. „Ich hatte Schwierigkeiten, mit dem Kinderwagen nach Hause zu kommen“, erzählt Goldammer. Doch nach und nach kam alles dazu, was die Einwohner noch heute an der Waldstadt II schätzen: Schulen, Kitas, soziale Angebote. Geradezu legendären Status hatten die 1982 eröffneten Jugendklubs „Hanns Eisler“ und „Otto Nagel“, die es noch immer gibt.
In den ersten Jahren nach der Wende erlebte auch die Waldstadt II ein Tief. Die Menschen zogen weg, der Leerstand wuchs. Einen dreistelligen Millionenbetrag haben die Pro Potsdam und die Genossenschaften seitdem in die Sanierung der Wohnungen gesteckt – inzwischen ist der Stadtteil, inklusive der meisten Straßen und Plätze, runderneuert.
Das freut auch die Biwa, die seit ein paar Jahren ein eigenes Büro im Bürgertreff betreibt, gleich neben der Zweigbibliothek. Im Bürgertreff finden regelmäßig Veranstaltungen statt; Ausstellungen, Kurse, Schul- und Geburtstagsfeiern. Rund 400 Menschen nutzen die Räume jeden Monat. Die Anwohner schätzen die familiäre Atmosphäre. Eine Frau kommt im Bürgertreff vorbei, ihren kleinen Sohn an der einen, eine Torte in der anderen Hand. „Für die Feier morgen“, sagt sie zu Rothkirch. Der Rentner lächelt und bedankt sich. Auf dem Weg zu einem perfekten Stadtteil, wo wäre da die Waldstadt II? „Bei 86 Prozent“, sagt Rothkirch. Es gebe noch viel zu tun. Der Zustand einiger Spielplätze etwa sei katastrophal. „Doch im Großen und Ganzen“, sagt Rothkirch, „sind wir zufrieden“.
Jubiläumsfeier „35 Jahre Waldstadt II“ am heutigen Samstag ab 13.30 Uhr auf dem Parkplatz zwischen Waldstadt-Center und Oberstufenzentrum mit Bühnenprogramm und Live-Musik. Der Eintritt ist frei
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