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Potsdamer Militärforscher veröffentlichen das Militärhistorische Handbuch für Brandenburg und Berlin
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Kaum eine deutsche Region ist so vom Militär bestimmt worden und hat so unter Kriegen gelitten wie Brandenburg und Berlin. Noch 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind dessen Spuren in die Landschaft und in das Gedächtnis der Betroffenen eingegraben. Darauf verwies Professor Bernhard R. Kroener, Inhaber des Lehrstuhls für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, bei der Vorstellung des Militärhistorischen Handbuchs für Brandenburg und Berlin. Nach einem langwierigen Prozess erlebte das bereits für das Jahr 2005 angekündigte Werk zum Jahresende 2010 am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr in Potsdam nun endlich seine Buchpremiere.
Kroener wies darauf hin, dass ein solches Handbuch für die Aufarbeitung der Geschichte ebenso wichtig sei wie ähnliche Werke zu anderen Bereichen, so das Brandenburgische Biographische Lexikon oder das Potsdam-Lexikon. Dies wird auch im Geleitwort von Ministerpräsident Matthias Platzeck deutlich. Die Herausgeber Kurt Arlt, Bruno Thoß, beide pensionierte MGFA-Mitarbeiter, und der jüngere Michael Thomae mussten eine schier unübersehbare Fülle von Informationen strukturieren, spielte der Raum Brandenburg mit Berlin seit dem Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht doch in der deutschen Militärgeschichte eine zentrale Rolle. Diese Zusammenhänge werden im allgemeinen Teil des Handbuchs erläutert, den Wolfgang Petter von den Anfängen bis 1871 und Martin Rink bis 1945 darstellt. Die Abschnitte bis 1990 werden durch die MGFA-Historiker Dr. Torsten Diedrich und Oberst Dr. Winfried Heinemann („Brandenburg und Berlin im geteilten Deutschland“) erläutert. Generalleutnant a. D. Werner von Scheven , der maßgeblich an der Überführung der NVA in die Bundeswehr beteiligt war, wurde für die Entwicklung nach 1990 gewonnen.
Den mehr als 200 Seiten der Überblicksdarstellung folgen von Altengrabow bis Zossen 450 Seiten Ortslexikon. Für dessen 126 Beiträge sind die Herausgeber auf Autorensuche gegangen. Die Liste reicht von studierten MGFA-Historikern über ehemalige Mitarbeiter des Militärhistorischen Instituts der NVA wie Klaus Froh, Offiziere der Bundeswehr und auch der DDR-Volksarmee, so Generalmajor Hans-Georg Löffler, Museumsleiter wie Reinhard Schmook, Mitglieder des Vereins Militärmuseum Berlin-Brandenburg wie Volker Schobeß bis hin zu Studenten und anderen historisch Interessierten. Der Bogen spannt sich zeitlich von der unlängst als Museum nachgebauten Slawenburg Raddusch bis in die Gegenwart, in der Potsdam durch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr und das MGFA seine Bedeutung als Militärstandort behauptet hat.
In nahezu jeder größeren Stadt gab es eine Garnison, berücksichtigt wurden unter anderem Befestigungswerke wie Peitz oder die Burg Eisenhart, Kasernen wie die des IR 9 in Potsdam, Schlachtfelder von Dennewitz bis zu den Seelower Höhen, Übungsgelände wie die Döberitzer Heide, Rüstungsbetriebe wie Arado in Brandenburg und Babelsberg, die Militärarchitektur wie etwa im Olympischen Dorf Elstal, Kriegsgräberstätten und -denkmale, Fliegerhorste und Bunkeranlagen wie die zuletzt durch das Kommando der NVA-Landstreitkräfte im Wildpark genutzte.
Ebenso wenig fehlt der Beelitzer Soldatenstreik an der Jahreswende 1989/1990 gegen die unwürdige Behandlung in der NVA. Auch die Wohnstätten der Widerständler des 20. Juli 1944 und Bombardierungen wie der englische Angriff auf Potsdam am 14. April 1945 werden behandelt, denn die Publikation ist laut Kurt Arlt „kein Buch über den Krieg, sondern stellt die Verflechtungen zwischen Militär und Zivilgesellschaft dar“. Das Handbuch soll „im besten Sinne populär“ sein und nicht nur dem Historiker, sondern ebenso interessierten Laien, Touristen und Bundeswehrangehörigen Lesevergnügen bereiten. Dazu tragen die jedem Ortsbild angefügten Hinweise auf Informationsstellen, Museen und Sehenswürdigkeiten bei. Erhart Hohenstein
Arlt, Thomae, Thoß (Hrsg.) Militärgeschichtliches Handbuch Brandenburg-Berlin, MGFA/bebra-Wissenschaftsverlag, Potsdam 2010, 703 Seiten, 48 Euro, ISBN 978 3 937233 642.
Erhart Hohenstein
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