Landeshauptstadt: Von Krustentieren und Küchenschürzen
Am Wochenende startete die „Kochschule“ von Sternekoch Alexander Dressel – in der neuen Schau-Küche der „Alten Försterei“
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Wildpark – Als das Wasser sprudelnd kocht, wird es ernst. Alexander Dressel greift in die Holzkiste, in der einige Dutzend Flußkrebse träge zappeln – die Krustentiere sind von der Lagerung im Kühlschrank noch ganz benommen. Ihre letzte Stunde schlägt kurz vor halb eins an einem Samstag in der Schau-Küche des Restaurants „Alte Försterei“. Unter dem gebannten Blick von elf Kochkurs-Teilnehmern gibt Chefkoch Dressel eine Handvoll Krebse ins kochende Wasser. Innerhalb von Sekunden verfärben sie sich orange. Mit einer Schöpfkelle werden die Krustentiere dann in die bereit stehende Schale mit Eiswasser gegeben. Das wäre geschafft. Bis aus den Krebsen die orange-weißen Kringel werden, die schließlich den Vorspeisenteller mit Wolfsbarsch-Carpaccio, weißem Tomatenmousse und Pernodsahne komplettieren, ist es allerdings noch ein weiter Weg.
Den aber nahmen die ersten Teilnehmer der neuen Kochschule des Fünf-Sterne-Hotels „Bayrisches Haus“ am vergangenen Samstag gerne auf sich. Ein Frühlingsmenü in vier Gängen stand auf dem Tagesprogramm, zusammengestellt von Alexander Dressel, dem einzigen Michelin-Stern-gekrönten Koch Brandenburgs und Chefkoch des „Bayrischen Hauses“ seit Ende 2003. Eine topmoderne Küche hat neuerdings zwischen den Holzbalken des Dachgeschosses der „Försterei“ Platz gefunden – Dressel hatte den Arbeitsplatz erst im März mit zwei Spitzenköchen aus Hongkong eingeweiht. Da macht das Arbeiten Spaß.
In den ersten zwei Stunden geht es an das Vorbereiten von Fisch und Fleisch: Immer wieder lässt Dressel die Gäste an die Messer – sei es für das Zerlegen eines Zickleins oder das Filetieren des Wolfsbarsches. Nebenbei bekommen die Koch-Eleven einen Einblick in die Kulturgeschichte des Essens und erfahren zum Beispiel, wie das Carpaccio zu seinem Namen kam. Schuld war eine kranke Comtessa, wie Dressel zu berichten weiß. Die blaublütige Lady lebte in den 1950er Jahren in Venedig – ihr Arzt hatte ihr den Verzehr gekochten Fleischs verboten. „Der Alptraum jedes Kochs“, erzählt Dressel. Der Maître der legendären „Harry“s Bar“ jedoch fand einen Ausweg: Er erschuf die Vorspeise aus hauchdünnen rohen Rindfleischscheiben und einer weißen Soße. Den Namen erhielt das Ganze nach dem venezianischen Renaissance-Maler Vittore Carpaccio: „Der hat meist in rot-weiß gemalt“, sagt Dressel und lacht.
Malerisch geht es nach einer kurzen Stärkung bei einer delikaten Brennnesselsuppe mit Welseinlage dann weiter: Morcheln, Bärlauch, Mönchsbart – das ist ein Wegerich-Gewächs – , Fave-Bohnen, Paprika, Minigurken, Himbeeren und Rhabarber müssen verarbeitet werden. Zu jedem Handgriff weiß der Chef Tipps: Das fängt an beim praktisch an der Schürze befestigten Küchentuch – das Herumsuchen ist Geschichte – und hört auf bei der Wahl des richtigen Öls zum Anbraten von Fleisch: Statt hitzeempfindlichem Olivenöl empfiehlt Dressel hier Maiskeim- oder Rapsöl.
Unterdessen wird der Nudelteig für die Bohnentortellione des Zwischengangs ausgewalzt und fällt in weichen Falten auf die Holzarbeitsplatte. Langsam stellt sich die Frage, wie lange das alles eigentlich dauern würde, wenn Dressel nicht seinen Chef-Turner Andreas mitgebracht hätte, der einen großen Teil der Arbeit fast unbemerkt erledigt und immer wieder „klar Schiff“ macht.
Nun drängt der Chef doch zur Eile und klatscht in die Hände: „So, hopp, hopp, zügig!“ Zwölf blütenweiße Teller stehen auf der Arbeitsplatte und wollen gefüllt werden. „Der Rand gehört dem Gast“, ermahnt der Dressel seine Schüler: „Der Rand bleibt frei!“ Halb sieben können sie endlich an der bereits seit dem Morgen gedeckten Tafel Platz nehmen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich nicht nur das eigene Küchenwissen enorm erweitert, sondern auch die Ehrfurcht vor der Arbeit der Köche hinter den Kulissen – und das Verständnis für jede Minute, die man im Restaurant auf Speisen wartet.
Noch weitere zwei Stunden dauert es, bis die nun wirklich erschöpften, aber glücklichen Kochschüler das selbst zubereitete Dessert genießen können. Bei der Heimreise durch die hereingebrochene Nacht schließlich können sie bereits davon träumen, welche Erfolge sie Dank der neu gewonnenen Ideen bei der nächsten Dinnereinladung feiern werden.
Nächster Termin der Kochschule ist der 26. April. Thema: „Schalen- und Krustentiere“. Anmeldung unter Tel. (0331) 550 50
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