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Von Günter Schenke: Von Mondos bis Minol-Pirol

Der Berliner Fotograf Volker Weinhold setzt die „wunderbare Werbewelt der DDR“ neu ins Bild / Ausstellung im Stern-Center

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Am Stern -„Mondos spezial - für höchste Ansprüche feucht“, lautet der Text auf der gelben Packung vom VEB Fromms aus Berlin Friedrichshagen. Die schon etwas abgegriffenen Packungen für Präservative hat der Berliner Fotograf Volker Weinhold neu ins Bild gesetzt: Die quadratischen Schächtelchen liegen auf einem farbigen Karikaturblatt mit einem der berühmten Nackedei-Mädchen von DDR-Illustrator Werner Klemke. In seinem Bildband „Unser Weg ist gut! Die wunderbare Werbewelt der DDR“ hat Weinhold über neunzig solcher Arrangements aus DDR-Werbematerial abgebildet. Der Minol-Pirol ist ebenso dabei wie das Knox-Räuchermännchen oder Fix und Fax aus der Kinderzeitschrift „Atze“. Noch bis zum 1. November sind die Foto-Kunstwerke und die dazu gehörenden Originale im Stern-Center zu sehen. Sie sind Teil der Ausstellung über 40 Jahre Alltagskultur in der DDR.

Vor allen in den ersten beiden Jahrzehnten der DDR-Existenz trieb die Werbung reiche Blüten. In der Gestaltung war sie der bundesdeutschen Reklame sogar ähnlich, wie Center Manager Stephan Raml, der aus dem Ruhrgebiet stammt, bestätigt.

Weinhold verfügt über eine kleine Privatsammlung mit den DDR-Werbefiguren, von denen die Fewa-Johanna vielleicht die bekannteste ist. „Dass wir diese hier in Potsdam zeigen können, darüber bin ich besonders erfreut“, sagt er und führt an eine Vitrine mit der überlebensgroßen Johanna inmitten von Waschutensilien - eine Leihgabe des sächsischen Industriemuseums Chemnitz. Viel kleiner, aber nicht weniger wertvoll, sind die beiden Maskottchen des Reisebüros der DDR aus dem Jahre 1970: Tourina und Tourino. Ein Holzschnitzer aus Seiffen hat die unverkennbar erzgebirgischen Figürchen hergestellt. „Der Reisebüro-Chef war nicht sehr begeistert von dieser Werbung“, berichtet Volker Weinhold.

Die Besonderheit seiner Fotos besteht darin, dass der Autor die Werbung mit Gegenständen und Bildern kombiniert und damit ein neuartiges Werk schafft. So kombinierte er beispielsweise die Zellstofftaschentücher vom VEB Papierfabrik Kriepa mit dem Bild eines lachenden Mädchens im Schnee. Das Bild führte auch schon zu einer unerwarteten Begegnung in der Realität, wie Weinhold berichtet. „Kann ich das Bild haben, da ist meine Oma drauf“, habe ihn eine Ausstellungsbesucherin gebeten. „Das Schönste war, dass sich anschließend die 80-jährige Oma bei mir meldete“, erzählt der Fotograf. Sie sei kein Werbe-Model gewesen, rein zufällig habe sie sich für ein Foto, ursprünglich für eine Farbfilm-Werbung der Filmfabrik „Orwo“ zur Verfügung gestellt.

Werbung ist immer Spiegelbild des Alltagslebens. Die Zündholzschachteln der Konsum-Fabrik in Riesa verfolgten oft auch eine erzieherische Absicht. „Klimaschutz verhütet Verluste“, heißt es auf einer Schachtel. Dabei ging es im Jahre 1966 nicht etwa um CO2-Vermeidung, sondern um Warenverluste durch schlechte Kühlung. „Sichere dein Fahrrad“ und „Trink nicht!“, so die Aufforderung auf anderen Schachteln.

Die „(N)ostalgie-Schau zum Anfassen“ im Stern-Center, in der Weinholds Fotos zu sehen sind, findet viel Interesse, Zuspruch, aber auch Kritik. „Volkspolizisten mit so zerknitterten Hosen gab es in der DDR nicht, die waren immer akkurat gekleidet“, moniert ein Besucher. Auch der schäbige Trabant, der neben einem verschlissenen Wartburg zu den Exponaten gehört, findet wenig Anklang. Mit viel Liebe zum Detail sind unter anderem eine DDR-Küche und ein Wohnzimmer nachgestaltet. Ausrufe der Überraschung und des Wiedererkennens gibt es beim Öffnen der Schränke, in denen sich DDR-Gebrauchsartikel finden. „Ostmarken auf Tour“, heißt eine Verkaufsabteilung mit mehr oder weniger originalen Ostprodukten wie Cottbuser Keksen, Linda neutral für die Hand-Wäsche nach Trabi-Radwechsel und Kirsch-Whisky. Der Andrang ist groß. „Es wird alles gekauft, von Einkaufsnetzen bis zum kuschligen Pittiplatsch“, sagt die Verkäuferin.

Günter Schenke

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