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FH veranstaltete internationale Tagung zur Zukunft der Behindertenarbeit
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FH veranstaltete internationale Tagung zur Zukunft der Behindertenarbeit Vor circa 100 Jahren kamen die Schweden nach Deutschland um vom damals sehr fortschrittlichen Gesundheits- und Pflegesystem zu lernen. Heute sei es umgekehrt. „Wir müssen von den Schweden lernen“, erklärte Prof. Dr. Helmut Knüppel von der Fachhochschule Potsdam. In Brandenburg wie in ganz Deutschland finde zu viel Behindertenarbeit und -betreuung im stationären Bereich, wie in Pflegeeinrichtungen und -heimen statt. In Schweden wurden Anstalten für behinderte Menschen bereits 1985 per Gesetz abgeschafft. Von 22 000 geistig behinderten Erwachsenen würden heute 60 Prozent in Gruppenwohnungen, 20 Prozent in eigenen Wohnungen und 20Prozent bei ihren Eltern wohnen. Doch wie schafft man es eine Gesellschaft und ihren Umgang mit Behinderten so umfassend zu reformieren? Über diese Frage berieten und informierten die Experten auf der internationalen Fachtagung „Behindertenarbeit in Brandenburg: Europäisch denken – lokal handeln!“ am Mittwoch in Berlin. Die FH Potsdam und das brandenburgische Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV) hatten zu der Tagung in die Brandenburgische Landesvertretung geladen. Während der brandenburgische Wahlkampf auf vollen Touren läuft, ging es bei der Tagung im Kern darum, wie man die Standards der Agenda 22 der Vereinten Nationen zur „Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung“ möglichst schnell in Brandenburg umsetzen könne. Die 22 Regeln umfassende Agenda wurde bereits 1993 verabschiedet und viele europäische Staaten wie etwa die Niederlande haben längst mit deren Umsetzung begonnen. Deutschland aber tue sich aus einer Reihe von Gründen schwer, Behinderten die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Trotz des seit 20 Jahren im Bundessozialhilfegesetz verankerten Vorrangs ambulanter vor stationären Hilfen, sei dieser bisher nicht umgesetzt. Bundesweit stieg die Anzahl der Heimplätze für Behinderte Menschen von 1991 bis 2001 sogar um 55 Prozent. Brandenburg sei bundesweit leider an der Spitze was die stationäre Versorgung angehe, erklärte LASV-Präsident Paul Meusinger. Er gab jedoch zu bedenken, dass man in Brandenburg nach der Wende eine schlechte Ausgangslage vorgefunden habe. Deshalb seien viele Gelder in die stationäre Pflege investiert worden. Um effektiv handeln zu können, müsse zuerst die Verantwortlichkeit in eine Hand kommen. Im Moment liegt der ambulante Bereich bei den Kommunen während das Land für den stationären Pflegeeinrichtungen zuständig ist. Was die von der Agenda geforderte autonome Entscheidung Behinderter über Art und Umfang ihrer Behandlung angeht, ist ein persönliches Budget im Gespräch. Damit könnten Behinderte selbst wählen welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Bevor dies aber eingeführt werden könne, brauche es Modellvorhaben. Abgesehen von den politischen Voraussetzungen sei jedoch ein gesamtgesellschaftlicher Mentalitätswechsel, ein völliges „neu Denken“ des Umgangs mit Behinderten nötig. Doch auch in Schweden habe der Paradigmenwechsel mindestens 30 Jahre gebraucht, bremste Prof. Dr. Karl Grunewald. Der schwedische Kinder und Jugendpsychiater befand, dass in Deutschland noch sehr paternalistisch mit Behinderten umgegangen werde. Deshalb blieben viele Behinderte weit unter ihren potentiellen Möglichkeiten. In Schweden gebe es prozentual weniger Menschen mit Einschränkungen, weil ihre Stärken von Kindheit an gefördert würden und sie so gar nicht erst in diese Kategorie fielen. Ein wenig schien es als wundere sich Grunewald über das Land, auf das die Schweden vor 100 Jahren noch neidvoll schauten. M. Krause
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