zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Vor dem Zaun das Stern-Plaza

Grüne Oase inmitten von Beton – „Sonnenland“ mit 23 Pächtern und 34 Vogelarten

Stand:

Grüne Oase inmitten von Beton – „Sonnenland“ mit 23 Pächtern und 34 Vogelarten Von Erhart Hohenstein Drewitz. Im Gartenverein „Sonnenland“ an der Sternstraße haben sie sogar noch einen Imker – heute, wo sich die Honigproduktion im Kleinen nicht mehr lohnt, eine ausgesprochene Seltenheit. Doch der gelernte Tischler Gerhard Bergmann hält die Bienen aus Spaß an der Freud, und die übrigen 30 Vereinsmitglieder haben den Nutzen davon: Sie kaufen nicht nur den wohlschmeckenden Honig; die fleißigen Insekten tragen durch Bestäubung dazu bei, dass es in allen Gärten prächtig grünt und blüht. Die Verbundenheit mit der Natur steht beim langjährigen Vorsitzenden Erhard Schacht oben an. Er hat sogar die hier lebenden Vögel erfasst: 34 Arten, außerdem zahlreiche Frösche, Fische, Käfer, Schmetterlinge. In vielen Gärten wurden kleine Teiche als Biotope angelegt. Nur der Fischreiher, der ab und an in die Anlage einfliegt, ist nicht gern gesehen. Unter dem Motto „Das Auge frisst mit“ holt er zielgerichtet die größten und am schönsten gefärbten Goldfische aus dem Wasser. Schachts Nachbar ist gerade dabei, ihn durch eine Überspannung seines Teichs daran zu hindern. Partner Stern-Center Der abgenutzte Begriff der „grünen Oase“, hier trifft er zu. Nachbarn von „Sonnenland“ sind das Stern-Center, Wohnblocks, Autofirmen – also jede Menge Beton. Auf den ersten Blick fast bedrohlich erhebt sich das „Stern-Plaza“ 73 Meter hoch in 22 Etagen über den Gärten. Beinahe wäre 1993 auch das kleine Stückchen Gartenland vom Beton aufgefressen worden. Dass ihre Parzellen bebaut werden sollten, erfuhren die Pächter aus der Zeitung. Ihr energischen Proteste kanzelte der damalige Stadtplanungschef mit der Bemerkung ab, die Sonnenländer müssten erkennen, „dass Einkaufscenter, Industrie und Kleingärten nicht zusammenpassen“. Sie haben längst das Gegenteil bewiesen. Im Gegensatz zu den Hardlinern in der Stadtverwaltung erwies sich das Handelsunternehmen ECE als Bauherr und Betreiber des Stern-Centers ausgesprochen kompromissbereit. Zwar bestand es auf der Räumung von 23 Parzellen, ließ aber die anderen 20 unangetastet und trat sogar zwei Landstreifen für elf neue Gärten ab. Auch aus dem mit der Stadtverwaltung geführten langwierigen Streit um die Entschädigung für den verlorenen Teil ging Erhart Schacht, bestens unterstützt vom Kreisverband der Garten-und Siedlerfreunde (VGS), mit seinem Vorstand als Sieger hervor. Das Geld versetzte den Verein in die Lage, eine Wasserleitung zu bauen und Erdkabel für den Strom zu verlegen. Längst leben die „Sonnenland“-Gärtner mit den angrenzenden Unternehmen in guter Nachbarschaft. Das Stern-Center, dessen Manager sich zum Sommerfest des Vereins sehen lässt, und die Autowaschstraße ließen sogar auf ihre Kosten Lärmschutzwände errichten. „Die Geräusche des Waschstraße hört man zwar immer noch etwas, doch die Frösche in unseren Teichen quaken manchmal auch ganz schön laut“, kommentiert Erhard Schacht humorvoll. Ein Drittel Gemüse Gute Nachbarschaft kennzeichnet ebenso das Verhältnis der Pächter untereinander. Treulich hält jeder die Festlegung ein, mindestens ein Drittel seines Gartens mit Gemüse zu bebauen, bei den Pacht- und Beitragszahlungen treten kaum Rückstände auf. In manch anderem Verein ist das heute nicht mehr so. Bei technischen Problemen lässt sich Max Kasan nicht lange bitten – ein handwerkliches Allroundgenie, wie es sich jeder Verein wünscht. Erhard Schacht kann davon ausgehen, dass „Sonnenland“ seinem 75-jähriges Bestehen im Jahr 2007 ohne Zukunftsängste entgegenstrebt. Am 1. Oktober 1932 war der erste Hauptpachtvertrag für damals 27 Parzellen mit dem Grundstückseigentümer Landwirt Haseloff unterzeichnet worden. Vor allem Lokomotivbauer von Orenstein & Koppel – dem späteren Karl-Marx-Werk – suchten hier mit ihren Familien in der Gartenarbeit einen Ausgleich für ihren anstrengenden Beruf und bereicherten durch Gemüse- und Obstanbau den oft schmalen Küchenzettel.

Erhart Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })