Landeshauptstadt: Vor-Frühlingsgefühle
Die wärmsten Winternächte seit knapp 100 Jahren / Auch bei kommendem Frost sind Pflanze, Tier und Mensch gerüstet
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Die wärmsten Winternächte seit knapp 100 Jahren / Auch bei kommendem Frost sind Pflanze, Tier und Mensch gerüstet Von Michael Kaczmarek Die Weidenkätzchen entfalten ihre Pracht, die ersten Schneeglöckchen zeigen sich, und auch die Haselnuss blüht ebenso wie die Kornelkirsche. Frühlingsbilder zeigen sich mitten im Winter. Schließlich erlebt Potsdam und Umgebung zur Zeit die wärmsten Februarnächte seit knapp 100 Jahren. Nachttemperaturen um 15 Grad hat es im Berliner Raum zu dieser Jahreszeit seit 1909 nie gegeben, berichtete der Wetterdienst Meteomedia. Für Pflanzen, Tiere und Menschen ist dieser frühlinghafte Ausflug zwar ungewöhnlich, aber auch wenn an diesem Wochenende die Temperaturen wieder unter Null Grad fallen, ist die Natur gerüstet. Naturliebhaber, die sich bei wieder kommenden Frost um blühende Pflanzen sorgen, kann Sven Kerschek beruhigen. „Alles ist völlig normal. Die Kornelkirsche blüht zwar etwas zeitig, aber das ist kein Problem“, sagt der Fachbereichsleiter im Neuen Garten von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Das kurzfristige warme Wetter mit anschließendem Frost habe sogar positive Auswirkungen für die Pflanzen. „Die Insekten unter der Baumrinde wachen auf, deren Stoffwechsel wird erhöht und bei Minusgraden erfrieren die Baumschädlinge.“ Die Pflanzen die jetzt blühen, hätten dagegen alle einen eingebauten Frostschutz. Gefährlicher wird es im Frühjahr, wenn die Obstbäume blühen und Blätter austreiben. „Bei Minusgraden erfrieren dann die Obstblüten sehr schnell“, so Kerschek. Übrigens könnten sich Naturfreunde über diesen kurzen Frühlingsausflug auch aus einem anderen Grund freuen. „Viele Pflanzen haben es gerade so über den trocknene heißen Sommer geschafft. Dauerhafte, klirrende Kälte würde ihnen stark zusetzen.“ Ein ordentlicher Regentag wäre für Pflanzen ideal, denn entgegen der allgemeinen Auffassung würden die Pflanzen im Winter nicht erfrieren, sondern häufig vertrocknen. Auch der wissenschaftliche Leiter des Botanischen Gartens sieht die jetztigen Wetterschwankungen im Normalbereich. Die empfindlichen Spätfrostpflanzen würden auch nach einer Woche keine Blätter austreiben, was bei Frost kritisch wäre. „Die jetzige Wärme ist zwar ungewöhnlich, aber sie zeigt nicht an, dass die Natur verdreht ist.“ In der Tierwelt löste diese warme Februarwoche einen kurzen Vorfrühling aus. „Wir sind fieberhaft dabei, die mobilen Amphibienschutzzäune entlang der Straßen aufzubauen“, sagt Bernhard Kneidisch von der Naturschutzbehörde. „Wir wurden durch die extreme Witterung etwas überrascht und haben die Aufbauphase vorgezogen, da die Kröten-Wanderung bei solchen Temperaturen kurzfristig einsetzen kann.“ Allerdings sei ein Rückfall in Minusgrade für die Tiere kein Problem. „Das ist so eine alte Tierart, sie verträgt solche Schwankungen problemlos.“ Selbst für Zugvögeln, die bereits gesichtet wurden und damit eher als erwartet in der Potsdamer Umgebung eintreffen, seien kommende Minusgrade keine Gefahr. „Sie befinden sich immer noch im Schwarm und können sich jederzeit wieder westlich zurückziehen“, sagt Kneiding. Winter macht Menschen krank Für gesunde Menschen seien die aktuellen Temperaturschwankungen kein Problem. „Herz-Kreislauf-Patienten haben bei sehr niedrigen Temperaturen verstärkt Probleme“, erklärt Gunnar Merz, Oberarzt in der Abteilung Kardiologie des Klinikums Ernst von Bergmann. Inwieweit der Temperaturwechsel auf sie Einfluss nehme, könne er allerdings nicht einschätzen. „Natürlich hat das Wetter einen starken Einfluss auf das Befinden des Menschen, aber das lässt sich medizinisch sehr schwer messen.“ Ihm sei nicht bekannt, dass es durch ungewöhnlich warme Tage im Winter zu mehr Erkrankungen komme. „Stattdessen ist statistisch nachgewiesen, dass Herz-Kreislauferkrankungen am häufigsten im Winter auftreten.“ Welche Faktoren da hineinspielen, seien schwer identifizierbar. „Da spielt die Dunkelheit eine Rolle ebenso wie die Temperaturen oder aber auch das gute Essen in der Weihnachtszeit“, erklärt Mediziner Merz.
Michael Kaczmarek
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