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Wahl-O-Mat für Potsdam zur Kommunalwahl: Mehr als 15.000 Mal wurde abgestimmt – Rekordbeteiligung
In 39 Städten gibt es zur Kommunalwahl eine Voto-Wahlhilfe, Potsdam sticht dabei heraus. Welche Themen in der Landeshauptstadt besonders wichtig sind – und welche am stärksten polarisieren.
Stand:
Welche Partei oder Wählergemeinschaft passt am besten zu den eigenen stadtpolitischen Meinungen und Vorstellungen? Das Interesse an Antworten auf diese Frage ist bei den Potsdamerinnen und Potsdamern vor der Kommunalwahl am Sonntag sehr groß: 15.418 Mal wurde die Online-Wahlhilfe Voto, die die Universität Potsdam mit Unterstützung der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) erstmals auch für eine Kommunalwahl entwickelt hatte, bis zum 4. Juni genutzt.
Das ist mehr als in jeder anderen der insgesamt 39 teilnehmenden Städte in Deutschland, darunter Dresden, Mainz und Halle. Das sagte der Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek, der das Potsdamer Projekt leitet, den PNN. Zum Vergleich: Rund 140.000 Potsdamer sind wahlberechtigt für die Kommunalwahl.
3445 Menschen haben zusätzlich eine freiwillige anonyme Umfrage ausgefüllt. Repräsentativ seien die Daten trotz der hohen Teilnehmerzahl nicht, weil es sich nicht um eine Zufallsstichprobe handelt, betont Voto. Dennoch ließen sich einige Einsichten gewinnen: Unter den freiwilligen Datenspendenden waren die Männer mit 53,8 Prozent in der Überzahl. Nur 44,8 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen, 1,4 Prozent identifizierten sich als divers.

© Montage: Tagesspiegel/Fotos: Voto, freepik (2)
Ausgeglichene Altersverteilung von Teenager bis 80+
Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt in Potsdam bei 47,58 Jahren. Dabei sei die Verteilung über die Altersgruppen in Potsdam verglichen mit anderen Städten ungewöhnlich ausgeglichen, sagt Politikexperte Thomeczek: Es gab Teilnehmende vom Teenager-Alter bis zu Über-80-Jährige. Ein Schwerpunkt lag auf den Jahrgängen zwischen 35 und 60 Jahren.
Wie in anderen Städten auch sind die höheren Bildungsabschlüsse stark überrepräsentiert: Mehr als 70 Prozent gaben an, Abitur zu haben. Menschen mit Realschul- oder Fachoberschulabschluss landeten jeweils nur wenig über zehn Prozent. Nur im einstelligen Prozentbereich kamen jeweils Teilnehmende, die noch an der Schule lernen, keinen Schulabschluss haben oder einen Hauptschulabschluss. Das decke sich mit den Daten von vergleichbaren Wahlhilfen „und leider und besorgniserregender auch mit der Wahlbeteiligung“, heißt es dazu von Voto.
Die Daten geben auch Aufschluss darüber, welche der 40 abgefragten Themen den Potsdamern besonders wichtig sind: Neben einer Bewertung auf einer fünfstufigen Skala konnten die Teilnehmenden zusätzlich die Option „Diese These ist mir besonders wichtig“ anwählen – dann wurde sie doppelt gewichtet.
Verkehrsthemen und Rechenzentrum oft doppelt gewichtet
Ganz vorne spielen dabei einige Verkehrsthemen mit: Am häufigsten wurde die These, dass die Radinfrastruktur nicht zulasten des Autos ausgebaut werden sollte, als besonders wichtig ausgewählt – ob die Teilnehmenden dieser These zustimmten oder sie ablehnten, lässt sich daraus nicht ableiten. Auf Platz zwei landeten mehr Projekte gegen Rechtsextremismus (942 mal doppelt gewichtet), auf Platz drei die Forderung nach dem Erhalt des Rechenzentrums (871 mal doppelt gewichtet) – auch hier lässt sich jeweils nicht ableiten, ob die Thesen befürwortet oder abgelehnt wurden. Es folgen beinahe gleichauf Thesen zu verkehrsberuhigten Zonen (853) und autofreien Zonen (851).
Bei den besonders polarisierenden Thesen sieht die Lage etwas anders aus: Dabei geht es um die Thesen, die mit starker Zustimmung oder starker Ablehnung bewertet wurden. Hier liegen die Thesen zur Information seitens der Stadt über Schwangerschaftsabbrüche, zum kostenlosen ÖPNV für Schüler, zu Projekten gegen Rechtsextremismus, dem Gendern in offiziellen Dokumenten und zu autofreien Zonen vorn.
In der Zusatzabfrage wurden auch die parteipolitischen Präferenzen abgefragt: Rund 2200 Teilnehmende beantworteten die Frage, wie Politikwissenschaftler Thomeczek den PNN sagte. Davon gab der größte Teil (428 Menschen) an, noch unentschlossen zu sein. „Das zeigt eine große Unsicherheit vor der Wahl“, so der Politikexperte.
Anhand der parteipolitischen Präferenzen kann Voto auch Informationen über durchschnittliche Einstellungen der Anhänger verschiedener Parteien zu den 40 Thesen ableiten. Diese seien allerdings mit Vorsicht zu bewerten, da es für einige Parteien nur Fallzahlen im zweistelligen Bereich gibt, schränkt Thomeczek ein.
Dennoch zeichnen sich einige Themen ab, bei denen das Meinungsbild unabhängig von der Parteipräferenz recht eindeutig ist: So findet etwa der kostenlose ÖPNV für Schüler, aber auch die Information über Schwangerschaftsabbrüche seitens der Stadt parteiübergreifend Zustimmung. Ähnlich sieht es bei dem kostenlosen Mittagessen an Schulen aus, hier landen nur die FDP-Anhänger im Mittel im ablehnenden Bereich – genau wie auch bei der Forderung nach mehr Millieuschutz-Zonen.
Das Wiedergänger-Thema Havelspange, also die Forderung nach einem dritten Havelübergang zur Entlastung der Innenstadt, findet hingegen Zustimmung bei den Anhängern vieler Parteien – auf der ablehnenden Seite finden sich hier die Anhänger von Die Andere, Grüne und knapp auch Linke.

© Kathrin Nolte, WWU
Belastbarer sind die Voto-Daten, wenn es um inhaltliche Übereinstimmungen der Parteien an sich geht: Hier zeige sich eine sehr große Übereinstimmung innerhalb des „linken Lagers“ mit SPD, Linken, Grünen, die Andere und Einzelkandidat Robert Witzsche, wie Jan Philipp Thomeczek sagt. Die SPD etwa kommt auf Übereinstimmungswerte von 0,7 bis 0,8 vom möglichen Maximalwert 1 bei Linken, Grünen, Volt, Witzsche und Die Andere.
Sollte die CDU am Sonntag stärkste Kraft werden, sehe es bei der Suche nach passenden politischen Partnern schon schwieriger aus, meint der Politikexperte: Die höchste Korrelation haben die Christdemokraten mit der AfD, wobei sie mit 0,6 auch nicht sehr hoch ist. Es folgt die FDP mit 0,4.
Sowohl die BVB/Freien Wähler als auch das neue Bündnis Mitten in Potsdam scheinen zumindest auf Grundlage der Voto-Daten wenig anschlussfähig zu politischen MItbewerbern: Bei beiden zeigen sich in allen Paarungen Korrelationswerte nahe 0. Ähnlich sieht es auch für die Satirepartei Die Partei aus: Hier zeigen die Voto-Daten schwache Zustimmungswerte zu den Parteien des linken Lagers. Die meisten inhaltlichen Gemeinsamkeiten bestehen noch mit Die Linke und Einzelkandidat Witzsche, wo der Korrelationswert jeweils bei 0,5 liegt.
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