Landeshauptstadt: „Wachschützer sind auch immer Kummerkasten“
Von der Flüchtlingskrise profitiert auch die Sicherheitsbranche. Die Potsdamer Firma GSE Protect gehört zu den Großen der Branche. An zahlreichen Unterkünften bundesweit sind ihre Mitarbeiter im Einsatz
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In ganz Deutschland entstehen derzeit in Rekordzeit Unterkünfte, um die Tausenden Flüchtlinge unterbringen zu können. Nicht nur die Hersteller von Wohncontainern oder Zelten kommen mit den Lieferungen kaum hinterher, auch das Sicherheitsgewerbe boomt angesichts dieser Entwicklung. Denn ob ehemalige Schule, umgebaute Kaserne oder Traglufthalle – alle Unterkünfte müssen bewacht werden. Die Firma GSE Protect aus Potsdam gehört heute zu den großen Playern auf dem Gebiet – etwa 300 bis 350 der 1500 Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten mittlerweile rund um Flüchtlingsheime.
Die meisten von ihnen sind bei Unterkünften in Bayern eingesetzt, wie der Aufsichtsratsvorsitzende von GSE, Michael Goldschmidt, den PNN sagte. Aber auch bei Heimen in Brandenburg, Berlin, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sei die Firma aktiv. Die Behörden bezahlen dem jeweiligen Betreiber der Unterkunft eine bestimmte Summe, mit der auch der Wachschutz abgedeckt ist. Der Betreiber sucht dann eine Firma aus – laut Goldschmidt gibt es mittlerweile 4500 solcher Unternehmen in Deutschland.
Bei GSE würden die Mitarbeiter für den Einsatz bei Flüchtlingsunterkünften eigens geschult – schließlich hätten es die Mitarbeiter mit teils traumatisierten Menschen zu tun, so Goldschmidt. „Das ist ja keine homogene Masse, sondern das sind Einzelschicksale“, betonte er.
Der Wachschutz sei zum einen für den Schutz von außen zuständig, habe aber auch den Auftrag, für Ordnung zu sorgen. „Uns ist wichtig, dass unsere Mitarbeiter wissen, dass diese Menschen auch Respekt verdienen“, so Goldschmidt. Auch wenn es mal lauter werde, müssten sie deshalb höflich bleiben. Ein Problem sei oft, dass Menschen in Uniform auf viele Flüchtlinge wie ein rotes Tuch wirkten, sagte der GSE-Chef. „Viele denken da gleich an Staatsmacht und diese wird in ihrer Heimat oft als regressive Kraft wahrgenommen.“ Außerdem gebe es viele, für die Ordnung „kulturell anders gesetzt“ sei. Hinzu kommen die persönlichen Probleme der Menschen. „Im Nebenjob sind unsere Wachschützer dort ja auch immer Kummerkasten“, so Goldschmidt. Oft komme bei den Flüchtlingen alles zusammen: die Traumatisierung durch die Flucht, das Zusammenleben auf engem Raum und dann womöglich noch ein Familienstreit.
„Auf all diese Dinge sind wir als Wachschutz nicht geeicht“, so Goldschmidt. Deshalb würden Workshops von Experten organisiert – manchmal auch zusammen mit dem jeweiligen Betreiber der Flüchtlingsunterkunft, dessen Mitarbeiter ja oft in ähnliche Situationen gerieten und ebenfalls geschult werden müssten.
Gegründet wurde GSE 1977 in Berlin-Charlottenburg – damals noch unter dem Namen „Deutsche Wachgesellschaft Wert- und Sicherheitstransporte mbH“. Seit 1993 ist der Firmensitz in Potsdam, seit 1998 auch unter dem Namen GSE. Heute hat das Drewitzer Unternehmen mit Hauptsitz in der Gerlachstraße unweit des Stern-Centers Niederlassungen unter anderem in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und Rostock. Geschäftsführer sind Andreas Stauder und der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam, René Kohl. Eigenen Angaben zufolge hat GSE im vergangenen Jahr 28 Millionen Euro Umsatz gemacht, dieses Jahr werden es laut Goldschmidt voraussichtlich mehr als 30 Millionen. Die Zahl der Mitarbeiter steigt ebenfalls kontinuierlich an – momentan sind es 1500.
Dem Vorstandschef zufolge übernimmt die GSE derzeit auch teilweise die Registrierung der Flüchtlinge. Für das „standardisierte Aufnahmeverfahren“ würden die Mitarbeiter zuvor qualifiziert. Dabei gehe es vor allem um die Erfassung personenbezogener Daten. „Das ist keine hoheitliche Aufgabe des Staates, sondern eine Verwaltungsaufgabe.“ Deshalb dürfe GSE sie übernehmen. In welchen Erstaufnahmeeinrichtungen die GSE Menschen registriert, wollte Goldschmidt nicht sagen. Auch nicht, welche Unterkünfte seine Mitarbeitern bewachen. „Das kann ich schon aus Rücksicht auf meine Kunden nicht tun“. Er schätzt aber, dass GSE mittlerweile fünf bis sechs Prozent des Marktes abdeckt, was die Bewachung von Flüchtlingsunterkünften angeht.Katharina Wiechers
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