Homepage: Warnung vor der Trivialisierung Das „Sabrow-Papier“
zur DDR-Geschichte
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Hoch oben vom 17. Stock des Mercure, im alten DDR-Interhotel, unweit des 1960 gesprengten Stadtschlosses, genießt man einen weiten Blick auf Potsdam und Umgebung. An diesen symbolträchtigen Ort lud die Friedrich-Ebert-Stiftung nun zu einer Podiumsdiskussion über das in den zurückliegenden Monaten viel diskutierte „Sabrow-Papier“ zum künftigen Umgang mit der DDR-Geschichte ein.
Noch unter der rot-grünen Bundesregierung wurde von der damaligen Kulturstaatsministerin Christina Weiss eine Expertenkommission mit dem Auftrag berufen, ein Gesamtkonzept für einen dezentral organisierten Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zu entwickeln. Ein Jahr lang trafen sich unter der Leitung von Martin Sabrow, Professor an der Uni Potsdam und Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) Wissenschaftler und ehemalige Bürgerrechtler, um eine entsprechende Empfehlung auszuarbeiten. Dazu wurde die Arbeit von mehr als vierzig Einrichtungen analysiert, der Rat von Experten eingeholt und Anhörungen durchgeführt.
Heute – im Jahr 16 der Einheit – gilt die Erforschung der DDR-Geschichte, mit ihrer institutionellen Verankerung und im Zusammenspiel von Aufarbeitungsinitiativen, Museen, Gedenkstätten und Archiven, vor allem im Vergleich zu den postkommunistischen Ländern Osteuropas, als beispielgebend. In jüngster Zeit gäbe es aber besorgniserregende Tendenzen, warnten die Podiumsgäste Sabrow und Markus Meckel (MdB): Ehemalige Stasi-Funktionäre und SED-Kader würden immer dreister öffentlich in Erscheinung treten, um ihre Parteidiktatur im Nachhinein zu legitimieren. Umfragen unter Schülern ließen ein erschreckendes Maß an Unkenntnis über die jüngste deutsch-deutsche Vergangenheit erkennen. Ostalgieshows erfreuten sich mit ihrer Trivialisierung der DDR-Vergangenheit eines Erfolgs, der die SED-Herrschaft zwischen Pittiplatsch und Halstuch zu verniedlichen drohe. Ohne Zweifel bestünden trotz der hervorragenden wissenschaftlichen Aufarbeitung erhebliche Defizite in der Bildungsarbeit, in der medialen Vermittlung von DDR-Geschichte, aber auch in der Kooperation der verschiedenen Einrichtungen.
Das in diesem Frühjahr vorgelegte Votum der Kommission sieht drei inhaltliche Schwerpunkte für den künftigen Umgang mit der DDR-Geschichte vor: „Herrschaft – Gesellschaft – Widerstand“, „Überwachung und Verfolgung“ sowie „Teilung und Grenze“. Jedem dieser Bereiche solle eine „impulsgebende und kompetenzsichernde Kernsinstitution“ zugeordnet werden, die auf bestehende Einrichtungen wie der Stiftung Aufarbeitung, der Birthler-Behörde oder der Gedenkstätte Berliner Mauer zurückgreift, aber auch neue Strukturen schafft. So wird empfohlen, aus den Gedenkstätten in der ehemaligen Stasi-Zentrale Normannenstraße und der MfS-Haftanstalt Hohenschönhausen ein gemeinsames Forschungs- und Dokumentationszentrum „Diktatur und Geheimpolizei“ zu schaffen.
Im Kern geht es der Kommission um die künftige Gestalt der „Erinnerungslandschaft“ zur deutsch-deutschen Vergangenheit. Sie gelte es zu professionalisieren, in Zeiten leerer Kassen bestehende Einrichtungen stärker miteinander zu vernetzen, um Synergien zu nutzen – ohne Substanzverluste zu erleiden. Ziel ist es zudem, die Geschichte der SED-Herrschaft stärker als bisher in den europäischen Kontext kommunistischer Diktaturen einzuordnen. Carsten Dippel
Carsten Dippel
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