Links und rechts der Langen Brücke: Was für ein Tohuwabohu
Henri Kramer über die schwere Krise der Potsdamer Stadtpolitik
Stand:
Wachstum ist eigentlich ein positiver Begriff. Potsdam wächst. Doch die Stadt tut sich schwer dabei, dieses Wachstum zu gestalten, mit den Schattenseiten des Booms umzugehen: den steigenden Mieten und den großen Investitionen, die die Stadt schultern muss – für neue Kitas, Schulen, die gesamte Infrastruktur, die neue und alte Einwohner zu Recht erwarten.
Zu diesen Wachstumsschmerzen gesellt sich jetzt eine Krise der Stadtpolitik. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da die Stadt nach Wegen suchen muss, etliche neue Schulen finanzieren zu können, zeigt die jahrelang relativ stabil regierende Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP ernste Auflösungserscheinungen. Das ist an sich nicht weiter verwunderlich, ein paar Monate vor einer Kommunalwahl wollen sich Parteien voneinander abgrenzen, profilieren, auch auf Kosten einstiger Partner. Das hatten die Kooperationäre schon im vergangenen Jahr vorausgesehen und einen Doppelhaushalt beschlossen, gleich für 2013 und das Kommunalwahljahr 2014. Doch nun muss ein Plan für die Finanzierung der Schulen her, es geht um die gewaltige Summe von 160 Millionen in acht Jahren. Dazu kommen noch unabsehbare Kosten für die Sanierung der Sporthallen am Luftschiffhafen und die millionenschweren Bad-Pläne. Gegen all diese Herausforderungen wirkt der Millionen-Scheck für die Schlösserstiftung, an dessen ungelöster Finanzierung sich das Bündnis nun – neben dem Neubau der Weißen Flotte am Fuß des Hotels Mercure – zerstritten hat, wie Kleinkram.
Nun versuchen die Partner – nach diversen gegenseitigen Vorwürfen – am kommenden Montag zu kitten, was noch zu kitten ist. Ihr wichtigstes Thema: Irgendeine Art der Finanzierung der Schulen, dass für diese zumindest rechtzeitig angefangen werden kann zu planen und zu bauen – sonst werden vor allem im Norden der Stadt in den nächsten Jahren zu wenige Schulplätze für zu viele Kinder geben. Doch ob ein Finanzierungsplan gelingt, ist ungewiss. Denn konsequente Einsparungen oder Abgabenerhöhungen vor einer Kommunalwahl sind eher unwahrscheinlich. Das überlässt man erfahrungsgemäß lieber den Nachfolgern.
So ist das Scheitern der Kooperation kurz vor der Zielgeraden nicht ausgeschlossen. Dann bliebe der SPD und ihrem Oberbürgermeister Jann Jakobs noch die Linke und ihr Chef Hans-Jürgen Scharfenberg, um die Schulfinanzen zu regeln. Doch ob Scharfenberg sich auf so etwas einlässt? Seit Jahren fährt er einen harten Oppositionskurs. Seine Vorschläge konzentrieren sich derzeit darauf, von anderen (Land, Bund, Mäzene) mehr Geld zu erhoffen. Doch das Prinzip Hoffnung war noch nie ein guter Politikansatz.
Der Stadt droht so neben den Wachstumsschmerzen auch noch die Unregierbarkeit. Und der Wähler, der das alles beobachtet, muss sich langsam fragen, wem er angesichts dieses Tohuwabohus bei der anstehenden Kommunalwahl überhaupt noch seine Stimme geben soll.
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