Landeshauptstadt: Was Mädchen wollen
Beim Zukunftstag versuchte gestern vor allem Potsdams Wissenschaft, junge Frauen zu begeistern
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Auf diese Überraschung hätte Jann Jakobs gestern Morgen gern verzichtet: Als er gegen 9 Uhr auf dem Gelände der Feuerwehr in der Werner-Seelenbinder-Straße ankam, um den Brandenburger Zukunftstag für Potsdam zu eröffnen, musste das Stadtoberhaupt feststellen, dass nur zwei Mädchen und zwei Jungen gekommen waren. „Ich dachte, die Feuerwehr interessiert mehr junge Leute“, sagte Jakobs – und machte den vier Schülern Mut: „Hier wird sich nun wenigstens individuell um euch gekümmert.“
Das Mini-Praktika bei der Potsdamer Feuerwehr war allerdings auch ein Termin, der nicht auf der zentralen Internetseite des Brandenburger Zukunftstags aufgelistet war. „Wir haben aber alle Oberschulen in Potsdam angeschrieben“, sagte Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Sabina Scheuerer – und sprach fast ein wenig neidisch von den 130 Jugendlichen, die sich in den Potsdamer und Berliner Studios des Rundfunk Berlin-Brandenburgs die Arbeitsabläufe bei Funk und Fernsehen erklären ließen. Allerdings waren die zwei anwesenden Mädchen nicht enttäuscht, dass nur so wenige Gäste gekommen waren: „Zur Feuerwehr kommt man sonst nicht so einfach, deshalb wollten wir das einmal ausprobieren“, sagte Julia Trippo aus der neunten Klasse des Humboldt-Gymnasiums. Allerdings sei sie und ihre Freundin nun nicht gleich fest entschlossen, später wirklich zur Feuerwehr zu gehen.
Solche vorsichtigen Sätze waren gestern häufig zu hören, wenn es um die Motivation ging, warum Schüler bestimmte Betriebe für sich ausgewählt hatten. In mehr als 25 Potsdamer Unternehmen und Institutionen fand der Zukunftstag statt, der außerhalb von Brandenburg „Girls Day“ heißt. Mit dem Aktionstag sollen besonders Mädchen für Berufe begeistert werden, die sonst eher die Domäne von Männern sind.
Besonders die Potsdamer Wissenschaftseinrichtungen nutzten den Tag, um sich bekannter zu machen. 15 Mädchen aus ganz Brandenburg besuchten das Geoforschungszentrum (GFZ) auf dem Telegrafenberg. Dort erklärten ihnen die Wissenschaftler Dietlinde Friedrichs und Wigor Webers, was genau das Magnetfeld der Erde ist oder wie Vulkanausbrüche entstehen. „Wir haben hier einen großen Nachwuchsbedarf, da es bei den Studentenzahlen in den Geowissenschaften seit Jahren einen Einbruch gibt“, sagte Friedrichs. Da durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren die Schülerzahlen noch weiter sinken würden, werde der Nachwuchs langsam knapp, so Friederichs: „Deswegen wollen wir vermitteln, wie klasse dieses Studium ist: Man ist oft draußen, misst viele Werte und lernt die Erde kennen.“ Doch auch hier der Kommentar von zwei Schülerinnen: Noch nie habe man sich mit dieser Art von Wissenschaft beschäftigt, dadurch seien die Vorträge für sie als Zehntklässler zu detailgenau, sagte Rosa Wallow vom Einstein-Gymnasium.
Um langfristigeren Enthusiasmus für die eigene Arbeit zu vermitteln, setzte das Hasso-Plattner-Institut (HPI) am S-Bahnhof Griebnitzsee dagegen auf eigene Studenten statt auf Wissenschaftler. So erklärte zum Beispiel Janett Baresel, wie sie seit sechs Semestern am HPI den Studiengang Softwaresystemtechnik studiert: „Wir sitzen hier nicht nur am Rechner, sondern müssen vor allem Ideen entwickeln, was ein Computerprogramm können muss“. Außerdem sei es ein Klischee, dass Informatik nur im stillen Kämmerlein studiert werde: „Hier ist Gruppenarbeit das Wichtigste, außerdem gehen wir gern zusammen feiern.“ Für sein Institut erklärte Sprecher Hans-Joachim Allgaier, dass Studiengänge am HPI hervorragende Jobaussichten bieten würden: „Unsere Studenten werden nach ihrem Abschluss vom Campus aus angeheuert.“ Allerdings sei dringend weiblicher Nachwuchs wie Janett Baresel nötig: Nur zehn Prozent der Studenten seien weiblich.
Potsdams Gleichstellungsbeauftragte verwies gestern am Rande des wenig frequentierten Feuerwehrtermins auch darauf, dass dieses Phänomen anders herum existiere: „Männer müssen stärker in Frauenberufe: Männliche Erzieher werden dringend gesucht.“
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