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Landeshauptstadt: Was verbindet

Deutsch-polnisches Jugendwerk mit Sitz in Potsdam und Warschau wird am Wochenende mit dem Carlo-Schmid-Preis ausgezeichnet

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Deutsch-polnisches Jugendwerk mit Sitz in Potsdam und Warschau wird am Wochenende mit dem Carlo-Schmid-Preis ausgezeichnet Von Nicola Klusemann Die EU-Osterweiterung existiert schon über ein Jahrzehnt im Kleinen in einem gelben Klinkerbau in der Friedhofsgasse. Seit seiner Arbeitsaufnahme 1993 hat hier nämlich das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) seinen Sitz. Die zweite Geschäftsstelle des Förderers von Jugendbegegnungen ist in Polens Hauptstadt Warschau. Gemeinsam mit der deutsch-französischen Organisation wird das Werk am kommenden Sonnabend in Mannheim mit dem Carlo-Schmid-Preis ausgezeichnet. Die Begründung für diese Ehrung ist lang, beeindruckend lang: Für ihre „herausragende, grenzüberschreitende, europäische und nachbarschaftliche Gemeinschaftsarbeit für und mit Jugendlichen, mit der ein wichtiger Beitrag dafür geleistet wird, dass die Völker zueinander gebracht werden“. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk fügt sich damit ein in eine prominente Reihe von Carlo-Schmid-Preis-Trägern, so zum Beispiel der Fernsehsender Arte, Altbundeskanzler Helmut Schmidt und der heutige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe. Im vergangenen Jahr habe man die Eine-Million-Marke überschritten, erklärt die Geschäftsführerin des Jugendwerks in Potsdam, Doris Lemmermeier, etwas unvermittelt. Über 1,2 Millionen Jugendliche aus Polen und Deutschland hätten bis jetzt bereits mit Unterstützung des Jugendwerks an Begegnungen teilgenommen. Man organisiere diese Treffen allerdings nicht selbst, sondern fördere die Träger solcher Projekte. Und dies ideologiefrei: Die Inhalte seien so vielfältig wie die Anliegen der Geförderten – von Pfadfindern über Ökologen bis hin zu Jugendfeuerwehren. Jährlich seien das im Schnitt 3 000 Jugendbegegnungen mit rund 140000 Teilnehmern. Dazu hat das Jugendwerk insgesamt 8,1 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, 4,6 Millionen Euro stammen aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Rest steuere Polen bei. Auch wenn die Anteile nicht genau der Hälfte entsprächen, bedeute der polnische Beitrag für das Nachbarland eine enorme Kraftanstrengung, kommentiert Doris Lemmermeier anerkennend. Wie selbstverständlich werden in beiden Büros der Organisation beide Sprachen gesprochen. Von den zwölf Mitarbeitern in der Friedhofsgasse stammen vier aus Polen, im Warschauer Elferteam arbeiten drei Deutsche. Die Polen allerdings täten sich mit der deutschen Sprache im Allgemeinen leichter als umgekehrt, gesteht die Geschäftsführerin. Besonders in den großen polnischen Städten sei die Zweisprachigkeit selbstverständlich. Bei Einstellungsgesprächen achte sie aber eher auf die fachliche Kompetenz; der Spracherwerb sollte aber trotzdem auf der Wunschliste der Bewerber stehen. Ab und zu gebe es auch kleine bürointerne Auffrischungskurse. Der studierten und promovierten Slawistikwissenschaftlerin geht das Polnisch leicht über die Lippen. Trotzdem hätte die 46-jährige gebürtige Schwäbin nicht gedacht, dass diese Sprache für sie einmal zum Alltagsgeschäft wird. Allerdings nur für maximal zwei Amtsperioden. Spätestens 2008 gibt es einen Chefwechsel. Auch wenn die Beziehungen im Jugendwerk zwischen Deutschland und Polen sehr intensiv sind, habe man dennoch ein Sonderprogramm für die EU-Osterweiterung aufgelegt. „Wir haben uns bewusst gegen eine Großveranstaltung entschieden“, spricht Doris Lemmermeier auch im Namen ihres Warschauer Kollegen Piotr Womela. Vielmehr habe man den „Europäischen Frühling“ ausgerufen und feiert den EU-Beitritt Polens vom 21. März bis 20. Juni mit zahlreichen Einzelprojekten. Wie gehabt würden Jugendveranstaltungen gefördert. Bedingung: Sie müssen eine gemeinnützige Aktion beinhalten. Rund hundert solcher Anträge seien bewilligt, weitere Projekte würden entgegengenommen und versüßt. Für die Europäischen Frühlings-Teilnehmer gibt es nämlich ein kleines Überraschungspaket mit Frisbee-Scheibe, Luftballons und lustigen Bonbons. Für das neue Europa wünscht sich die Geschäftsführerin des Jugendwerks persönlich, dass sich die Verhältnisse zwischen Polen und Deutschland „normalisieren und deutlich intensivieren“. Und dass die Deutschen die Nachbarn nicht immer so von oben herab betrachteten. Polen sei nämlich ein sehr fortschrittliches und motiviertes Land. Wie man aufeinander zugehen könne, machten die geschichtlich unbelasteten Jugendlichen bei ihren Begegnungen deutlich: „Sie suchen nach dem, was verbindet.“ Klar seien die Treffen keineswegs vorurteilsfrei, sagt Doris Lemmermeier. Schnell stellten aber die Teilnehmer aus Deutschland und Polen fest: „Die haben ja die gleichen Probleme zu Hause und in der Schule, mögen gleiche Freizeitbeschäftigungen und hören dieselbe Musik.“ Die Begegnungssprache sei meist Englisch oder Deutsch oder mit Händen und Füßen. Gemeinsame Segeltörns, Choreografie-Workshops, Klettertouren oder musikalische Ferienlager funktionierten aber auch ohne viele Worte.

Nicola Klusemann

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