PREISE: „Wassersparen kostet Geld“
Prof. Wolfgang Kinzelbach sprach gestern beim Leibniz -Kollegs über das Thema Wassermangel und Nachhaltigkeit
Stand:
Herr Prof. Kinzelbach, in Brandenburg sowie in anderen Teilen Deutschlands und Europas gab es wochenlang keine Niederschläge. Muss sich Mitteleuropa in absehbarer Zukunft auf Wasserknappheit einstellen?
Die Klimamodelle sagen übereinstimmend voraus, dass der Mittelmeerraum trockener wird und dass bei uns die Sommerniederschläge abnehmen bei zunehmenden Winterniederschlägen. Außerdem ist mit häufigeren Wetterextremen zu rechnen. Die Entwicklung der letzten Jahre scheint diesen Trend zu bestätigen. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft wahrscheinlich mehr Bewässerung brauchen wird und wir uns darauf einstellen müssen, dass Engpässe wie im Jahr 2003 öfter vorkommen werden. Das Leben wird nicht unbedingt schlechter. Bei höherer Temperatur kann man mehr produzieren, wenn bewässert wird. Um sich über Klimafolgen zu informieren, braucht man übrigens als Potsdamer keinen auswärtigen Gast zu fragen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kann dazu kompetente Auskunft geben.
Wie lässt sich das Problem des hohen Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft in den Griff bekommen?
Weltweit wird das meiste Süßwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft verbraucht. Sie bietet auch das größte Wassersparpotential. So kann statt der verschwenderischen Flutbewässerung für eine Reihe von Agrarprodukten die Tropfbewässerung angewandt werden, etwa für Trauben, Obstbäume aber auch für Gemüse und sogar Mais. Lasergesteuerte Planierung von Feldern erlaubt eine sehr viel sparsamere Flutbewässerung Es reicht dann ein dünner Wasserfilm, um ein Feld gleichmäßig zu benetzen. Genveränderte Sorten mit erhöhter Dürreresistenz erlauben auch Wasserersparnis, so kann bei Baumwolle der Bedarf auf ein Drittel reduziert werden. Im Prinzip können wir letztlich Agrarprodukte in Gewächshäusern erzeugen und das verdunstete Wasser kondensieren und rezyklieren. Wo liegt das Problem? Wassersparen kostet Geld und man kann nicht einfach sparen „koste es was es wolle“. Um das Wasserproblem langfristig zu lösen, muss entweder der Preis von Agrarprodukten steigen oder wassersparende Maßnahmen müssen subventioniert werden.
Müssen trockengelegte Feuchtgebiete renaturiert werden, um natürliche Wasserspeicher zu schaffen?
Feuchtgebiete sind eigentlich keine effizienten Wasserspeicher. Sie verdunsten Wasser und speichern es nicht. Sie sind Konkurrenten der Landwirtschaft um die Wasserressourcen. Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten hat andere wichtige Gründe, nämlich die Wiederherstellung von Habitaten für bedrohte Arten und die Erhaltung der Biodiversität. Konkret heißt das, in vielen Ländern der Erde müsste die Landwirtschaft mit ihrem Wasserbedarf zurückstecken, um das Wasser wieder an die Natur zurückzugeben. In China wurde etwa angeordnet, die Aufteilung des Wassers zwischen Natur und Landwirtschaft wieder auf den Stand Ende der 80er Jahre zurückzuschrauben.
In ihrem Vortrag nennen Sie Lösungsansätze aus der Forschungspraxis: Das Okawango Delta in Botsuana und die Galeriewälder in Xinjiang, China.
In unserem Forschungsgebiet in China wird versucht, die Wasserressourcen besser zu nutzen. Zwei Quellen werden angezapft: Die erste ist die unproduktive Verdunstung – also nicht durch Pflanzen–, die eintritt, wenn der Grundwasserspiegel nahe an die Erdoberfläche kommt. Dies führt übrigens auch zur Bodenversalzung. Sie kann durch Pumpen von Grundwasser zur Bewässerung und die daraus folgende Grundwasserspiegelabsenkung gestoppt werden. Die zweite Quelle ist die Wassereinsparung bei der Bewässerung. Diese Maßnahmen führen zu höherem Wasserpreis, erscheinen aber machbar, wegen der verringerten Bodenversalzung und den höheren Abflüssen für den Unterstrom, die den Galeriewäldern von Populus Euphratica zugute kommen.
Und im Okawango Delta?
Im Okawango Delta geht es darum, die maximal erlaubte Wasserabzweigung im Oberstrom zu bestimmen, bei der das Delta gegenüber seiner jetzigen Größe und Habitatverteilung nicht mehr wesentlich beeinträchtigt wird. Wir haben auf der Basis von Modellrechnungen Zahlen vorgeschlagen, die der Okawango River Commission als Grundlage bei den Verhandlungen um „Geld für Wasser“ dienen können. Das kritischste Szenario ist Ableitung für Bewässerungszwecke und gleichzeitige Klimaveränderung.
Sind diese Ansätze auf andere Regionen übertragbar?
Ich denke, dass die Methoden und Prinzipien auch auf andere Regionen übertragbar sind. Was jeweils etwas anders ausgehen kann, ist die Kosten-Nutzen Rechnung oder der gesellschaftliche Konsens. So ist eine Verhandlung um Wasser leichter, wenn das reiche Land im Unterstrom dafür bezahlt, dass das arme Land im Oberstrom Wasser nicht zurückhält. Botsuana/Angola wäre so ein Beispiel. Wenn das reiche Land im Oberstrom und das arme Land im Unterstrom liegt wie im Fall USA/Mexiko ist eine Lösung weniger wahrscheinlich.
Fragen von Arno Meinken
Das Leibniz-Kolleg zeichnete gestern zwei Potsdamer Nachwuchswissenschaftler aus. Marcel Winnig vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) wurde für seine komplexen Forschungen zur Wahrnehmung des Süßgeschmacks mit dem Publikationspreis des Leibniz Kollegs Potsdam in Höhe von 2500 Euro ausgezeichnet. Von den Forschungsergebnissen können zukünftig Diabetiker profitieren. Prof. Ulrike Herzschuh, die am Alfred-Wegner-Institut für Polarforschung und an der Universität Potsdam forscht und lehrt, wurde mit dem Sonderpreis des Leibniz-Kollegs in Höhe von ebenfalls 2500 Euro geehrt. Prof. Herzschuh hat mit ihren Forschungsarbeiten in trockengefallenen Seen in Tibet dazu beigetragen, Mechanismen des Klimawandels besser zu verstehen. Die Ablagerungen in den Seen sind natürliche Klimaarchive. AM
Wolfgang Kinzelbach ist Professor für Hydromechanik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Gestern hielt er beim Leibniz-Kolleg Potsdam den Hauptvortrag.
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