Von Kay Grimmer: Weihnachtsfeiern gegen die Einsamkeit
Über hundert Menschen waren Heilig Abend in der Suppenküche, auch die Senioren feiern gemeinsam Weihnachten
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Päckchen über Päckchen stapeln sich in den Kisten, in denen sonst Lebensmittel lagern. Die Augen von Franziska leuchten. „Ich habe mir einen Nintendo DS gewünscht“, sagt sie leise und schielt auf den Weihnachtsmann. Ob die Spielekonsole wirklich in einem der Weihnachtspäckchen steckt, ist fraglich. Der Inhalt kommt ausschließlich aus Spenden. Es ist 24. Dezember: Bescherung in der Suppenküche.
105 Anmeldungen gab es für den Kaffeenachmittag in der Sozialeinrichtung, dutzende Kinder mit Eltern und Großeltern sind bereits vor 14 Uhr da, aber auch Jugendliche, junge Erwachsene und Ältere, die nicht allein sein wollen, wenn das „Fest der Familie“ gefeiert wird. Für die Kinder sind nicht die Torten und Kuchen auf den Tischen interessant, die Päckchen, aufgebaut in einem Nachbarraum, fesseln sie viel mehr. Geschenke kamen vom Karstadt Stadtpalais, Privatpersonen, Firmen und Parteien – darunter der CDU-Ortsverein Mitte/Nord, der mit über 400 Euro die Suppenküche unterstützte: Spielzeug für Kinder, Kleidung für Groß und Klein, Süßigkeiten, Taschen, Hygieneartikel waren dabei.
Auch Kevin Justin und Lara Josefine bekommen kindgerechte Geschenke. Sechs Päckchen sind es, die Mutter Lisa und Oma Andrea Roß für die Kinder entgegennehmen dürfen. „Wir sind das erste Mal zum Fest hier“, sagt Andrea Roß, auch wenn sie anfügt, „dass wir öfter kommen“. Zum einen sei das Essen billig und schmecke gut, zum anderen finde man hier auch immer wieder Kindersachen in der Kleiderkammer. Zu den Mittagessen an den Feiertagen wird Familie Roß jedoch nicht kommen, „da feiern wir mit anderen Familienmitgliedern“.
Das Essen am ersten Weihnachtsfeiertag spendet traditionell der Linke-Stadtverordnete Rolf Kutzmutz. Kassler und Sauerkraut ist es, wie in den Vorjahren auch. Nur auf die Ente am zweiten Feiertag müssen die Suppenküchen-Besucher in diesem Jahr verzichten. „Wegen unseres defekten Herds mussten wir auf Schmorbraten ausweichen“, erklärt Jörg Jutzi, stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Potsdamer Volkssolidarität. Die Kochstelle ging vor einigen Wochen kaputt. Zwar gab es bereits zwei gebrauchte Herde als Spende, die man an andere Bedürftige weitergegeben habe. Ein Küchenstudio will aber Anfang 2009 einen ganz neuen Herd liefern – kostenlos. Neue Geräte sind Jutzi am liebsten, die alten verbrauchen zu viel Energie. So kommt auch die Spende von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gut an: 500 Euro für einen neuen Kühlschrank.
Es bleibt ein unwirkliches Bild, was in dem Bürocontainer auf dem Gelände der Stadtverwaltung – dort sitzt die Suppenküche seit fast genau zwei Jahren – gezeichnet wird. Im Grunde ist es ein Weihnachtsfest wie jedes andere auch. Aufgeregte Kinder, Plätzchen und Stollen auf den Tischen, ein funkelnder Weihnachtsbaum. Doch die Atmosphäre ist nur bedingt feierlich. Wie sollte sie auch, die kargen, engen Containerflure strahlen Sterilität aus, das Licht der Neonröhren ist kalt. Auf vielen erwachsenen Gesichtern spiegeln sich Enttäuschung, Frust oder Desillusion wider. Nur die kleinen Gäste versprühen Weihnachts-Aufregung. Allein dafür lohnt aber der Aufwand. Schließlich: „Viele kommen ja wegen der Gemeinschaft hierher. Gerade an solch einem Tag möchte man nicht allein auf der Straße oder zu Hause sitzen“, glaubt Cornelia Galler, die dem Suppenküchen-Team an diesem Nachmittag hilft.
Wirklich weihnachtlich geht es in einer anderen Volkssolidarität-Einrichtung zu. Die Begegnungsstätte für Senioren am Kiewitt erstrahlt im flackernden Kerzenschein. 14 Senioren feiern gemeinsam den Heilig Abend – eine Tradition, an der viele der älteren Menschen schon Jahre teilnehmen. Oberbürgermeister Jakobs und Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller, die auch bei den Potsdamer Senioren vorbeischauten, hatten für die Begegnungsstätte ein Geschenk dabei: Geld für einen Geschirrspüler: „Damit sie nicht mehr selbst abwaschen müssen.“
Kaum Zulauf hingegen bei der Weihnachtsfeier, die Jürgen Weber, Vorsitzender des Vereins Hartz IV-Betroffener, im Sekiz-Selbsthilfezentrum ausrichtet. Lediglich Bernd Meyer hat sich am 24. Dezembers eingefunden. „Merkwürdig, viele klagen, dass sie allein sind, aber wenn sie aufgerufen sind, etwas zu tun oder sich zu treffen, ist Schicht im Schacht“, wundert er sich, während Weihnachtslieder leise im Hintergrund dudeln. „Aber wenn wir nur zu zweit sind, können wir doch unsere eigene Weihnachtsmusik auflegen. Wie wäre es mit AC/DC?“
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