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Homepage: Wein, Sonne und Badewetter

Die Klimaforschung stellt ihre Modelle im Internet zur Verfügung: Brandenburg wird mediterana

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Wer schaut nicht gerne in die Zukunft. Zumal wenn es eine sonnige wird, mit mehr Badetagen im Sommer, einem hohen Potenzial für Weinbau und viel Sonne für Photovoltaik. So könnte es zum Ende des Jahrhunderts in Brandenburg aussehen, wenn man den Modellen der Klimaforscher folgt. Was Forscher bisher im stillen Kämmerlein analysierten, ist nun auch öffentlich zugänglich. Zusammen mit dem Portal „Wetteronline“ hat das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) eine Internetseite gestartet, auf der deutschlandweit mögliche Klimaentwicklungen bis 2100 durchgespielt werden können. So sollen Lokalpolitiker, Land- und Forstwirte, das Baugewerbe aber auch interessierte Laien bis auf Landkreisebene hinunter auf individuell verwertbare Szenarien zur Klimazukunft zurückgreifen können.

Schaut man in der Dekade 2091-2100 in Potsdam auf die mittlere Höchsttemperatur im Sommer, landet man bei 27 Grad! Das sind drei Grad mehr als heute, ein Wert, den man derzeit nicht mal im äußersten Südwesten Deutschlands findet. Das freut Sonnenfanatiker, den Urlaub im Süden kann man sich dann sparen. Allerdings sollten Hobbymeteorologen und Entscheidungsträger im Umgang mit den Szenarien Umsicht walten lassen. Schließlich, so die Forscher, handelt es sich nicht um gesicherte Prognosen. „Das ist keine Vorhersage, wir wissen nicht, ob es tatsächlich so wird, es handelt sich lediglich um ein Szenario, eine Wenn-dann-Entscheidung“, stellt Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom PIK klar.

Dem Klimaportal liegt das nach derzeitigem Stand am wahrscheinlichsten eintretende „RCP 8.5-Szenario“ zu Grunde. Klickt man sich durch die unterschiedlichen Parameter, erhält man ein mögliches Bild der Zukunft. Und das ist in der Gesamtschau ein gänzlich anderes, als wir es heute kennen. Betrachtet man die mittlere Variante der Szenarien, wird in Brandenburg die Durchschnittstemperatur im Sommer von derzeit 18,5 Grad bis 2050 auf 19 Grad und bis 2100 weiter bis 20,5 Grad steigen, im Frühjahr schießt sie von derzeit rund neun auf 13 Grad nach oben. Auch regionale Unterschiede bilden die Modelle ab: So könnte Potsdam im Frühjahr sogar 14 Grad erreichen. Das hat Auswirkungen auf die Natur: Der Blattaustrieb der Birke beginnt zum Ende der Modellperiode 16 Tage früher.

In den Wintern dürften demnach die Temperaturen ebenfalls steigen. In Potsdam von knapp über einem Grad derzeit bis 2100 auf nahezu fünf Grad. Wohlgemerkt im Mittel, demnach gäbe es dann kaum noch Frosttage. Beim Niederschlag bestätigen die Szenarien die bereits bestehende Annahme, dass es in Brandenburg in den Sommermonaten wesentlich trockener werden dürfte. Von durchschnittlich 190 Millimetern Tagessumme würde der Niederschlag demnach auf nur noch 100 Millimeter abnehmen. Im Winter hingegen erreichen die Modelle eine Zunahme auf bis zu 180 Millimeter von rund 130 Millimetern heute.

Und es wird sonniger: Bei der Sonnenscheindauer errechnen die Computer für Brandenburg im Sommer eine Zunahme von 7,5 auf 9,5 Stunden pro Tag. Das Potenzial für Photovoltaik steigt nach diesem Modell um rund 25 Prozent, wobei das Gebiet zwischen Havelland und Oberhavel begünstigt sein dürfte. Deutschlandweit liegt die Region hier zusammen mit Süddeutschland an der Spitze.

Einher gehen diese sonnigen Aussichten mit einer signifikanten Verbesserung der Bedingungen für den Weinbau. Gerade westlich von Potsdam, wo heute bereits am Werderaner Wachtelberg und in Töplitz gekeltert wird, und in den Kreisen Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald ist bis 2100 mit einem starken Anstieg des sogenannten Huglin-Index, einem bioklimatischen Wärmeindex für das Weinbaupotenzial, zu rechnen. Der Index steigt in den Modellen auf Werte, die höher sind als heute im Südwesten Deutschlands. Teile Brandenburgs würden dann auf einer Höhe mit Rheinhessen, der Pfalz und Baden liegen.

Aber der Klimawandel wird auch negative Effekte in Brandenburg haben. Die tägliche Wasserbilanz liegt hier im Sommer ohnehin schon rund 140 Millimeter im Minus, ab 2030 über 200 Millimeter und bis 2100 dann sogar bis 290 Millimeter – am schlechtesten sieht es in Oder-Spree aus mit einem Minus von 320 Millimetern. Im Winter errechnen die Modelle einen Anstieg von 105 auf 135 Millimeter, im Herbst zeigen sie bis Mitte des Jahrhunderts noch positive Summen, die sich dann ab 2080 ins Negative verkehren. Die Grundwasserneubildung wird demnach nach einem Höchststand in den vergangenen zehn Jahren rückläufig: bis 2100 zeigen die Modelle einen Rückgang um rund 30 Prozent in der Mark an.

Auch in der Landwirtschaft verändern sich die Voraussetzungen. Während beim Winterweizen die Szenarien relativ gleichbleibende Ernteerträge berechnen, kommen sie beim Silomais ab 2030 auf eine Abnahme um bis zu 30 Prozent. So würde Brandenburg beim Maisanbau weiter Schlusslicht in Deutschland bleiben. Eine starke Zunahme modellieren die Programme beim Waldbrandrisiko ab 2015, die höchsten Werte dabei in der Lausitz.

Bei der Anzahl der Badetage profitiert vor allem das Havelland und Oberhavel: Aus rund 22 Badetagen heute werden dort über 56 im Jahr 2100. Potsdam käme demnach „nur“ auf 49 – Werte vergleichbar mit Sachsen und Südhessen. Bei der Schwüle kommt Brandenburg noch vergleichsweise glimpflich davon. In Potsdam wird es bis Ende des Jahrhunderts 13 statt 8 schwüle Tage geben, zwischen Belzig und Werder immerhin 16. In anderen Regionen Deutschlands wird es drückender: Spitzenreiter dürfte Baden-Baden mit 36 tropischen Tagen werden.

Betrachtet man die mittlere Temperatur und Sonnenscheindauer, so zeigt sich nach stetigem Anstieg seit den 1980er Jahren gegenwärtig aber auch ein leichter Rückgang. Dass dies keine Umkehr beim Prozess der Erderwärmung bedeutet, macht Klimaforscher Gerstengarbe deutlich: „Das liegt in der normalen Schwankungsbreite des Klimas.“ Es werde immer auch wieder Dekaden geben, in denen es etwas kühler wird. Auf lange Sicht gesehen bleibe aber ein deutlicher Anstieg: Von rund 16,5 Grad mittlerer Sommertemperatur um 1900 auf heute bereits über 18 Grad. Ab 2020 sollen die Werte dann weiter ansteigen.

Das Portal im Internet:

www.klimafolgenonline.com

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