
© Bernd Settnik/dpa
Von Jana Haase: Weißkohl und Südfrüchte
Die „Berliner Straße“ wird zum „Boxhagener Platz“: Regisseur Matti Geschonneck dreht im Studio Babelsberg
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Die „Berliner Straße“ ist grau geworden - und das liegt nicht nur am Wetter. „Wir haben fast die ganze untere Etage neu gestaltet“, erklärte Szenenbildner Lothar Holler gestern in der berühmten Außenkulisse von Studio Babelsberg. Etwa 20 Handwerker hätten das Außenset in vier-wöchiger Arbeit renoviert. Neu ist in diesem Fall jedoch alt: Denn der Film, der hier momentan gedreht wird, spielt im Ostberlin des Jahres 1968. „Obst, Gemüse und Südfrüchte“ verkündet ein verstaubtes Ladenschild, darunter an der Tafel steht das Angebot des Tages: Es gibt „Kohl weiß“ und „Kohl rot“, außerdem Äpfel. Am Straßenrand steht ein taubenblauer Wartburg, schräg gegenüber ist die Eckkneipe „Feuermelder“ eingezogen - einer der Hauptschauplätze des Films „Boxhagener Platz“ von Regisseur Matti Geschonneck, für den Lothar Holler das Szenenbild macht.
Die Tragikomödie dreht sich um Oma Otti, die sich im hohen Alter und trotz fünf überlebter Männer noch einmal verliebt. Ihre neue Flamme, gespielt von Martin Gwisdek, lernt die rüstige Dame, dargestellt von Gudrun Ritter, bei der Grabpflege auf dem Friedhof kennen. Ins Rollen kommen die Ereignisse im Ostberliner Kiez um den Boxhagener Platz, als Ottis zweiter Verehrer, der Altnazi Fisch-Winkler, eines Tages tot aufgefunden wird. Ottis zwölfjähriger Enkel Holger wird daraufhin zum Hobbydetektiv und erfährt bei seinen „Ermittlungen“ nebenbei nicht nur einiges über die Liebe, sondern auch über die politischen Unruhen im Jahr 1968.
Mit der verschroben-liebenswerten Familiengeschichte feierte Torsten Schulz, HFF-Dramaturgieprofessor, bereits vor fünf Jahren sein Romandebüt. Auch das Drehbuch für Geschonnecks Film schrieb Schulz jetzt selbst: „Eine neue Erfahrung“, erzählte der HFF-Professor gestern. Und nicht ganz einfach: Insgesamt neun Fassungen habe er erarbeitet.
Gedreht wird seit Mitte März, unter anderem in Sachsen-Anhalt und im Studio Babelsberg. Nur am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain war das Filmteam nicht: „Dort sieht es heute völlig anders aus“, erklärte Regisseur Geschonneck. Für den Sohn von Schauspiellegende Erwin Geschonneck ist der Dreh trotzdem ein Heimspiel: Denn der gebürtige Potsdamer wuchs am Boxhagener Platz auf. Ostalgisch soll der Film allerdings nicht werden, betonte er: „Er hat viel mit Berlin zu tun und weniger mit DDR“, so Geschonneck: „Der Film soll Spaß machen und trotzdem authentisch sein.“ Der Pandora Filmverleih will den Streifen im März 2010 ins Kino bringen.
Für Szenenbildner Holler ist die Arbeit in der „Berliner Straße“ ein Jubiläum: Denn vor fast genau zehn Jahren plante der HFF-Professor das Außenset für den Dreh von Leander Haußmanns „Sonnenallee“. „Ende Mai 1999 war Grundsteinlegung“, erinnerte sich Holler gestern. Seitdem entstand in dem potemkinschen Straßenzug unter anderem Roman Polanskis Oscar-gekröntes Drama „Der Pianist“, Dani Levys Hitler-Satire „Mein Führer“ und zuletzt Kultregisseur Quentin Tarantinos Weltkriegsfarce „Inglourious Basterds“. Das Pariser Kino, das Tarantino hier hat aufbauen und in die Luft fliegen lassen, ist längst verschwunden und dem DDR-Look gewichen. Einfach war der Umbau nicht, berichtet Holler. Besonders DDR-Alltagsgegenstände seien heute schwer zu finden: „Die alten Autos gibt es noch, aber altes Klopapier nicht.“
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