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Ursachenforschung: Noch ist unklar, wie genau sich der tragische Bootsunfall auf dem Schlänitzsee ereignete. Mit zwei Todesopfern ist der Unfall vom Sonntag einer der folgenreichsten Unglücke, die Potsdam in den vergangenen Jahren erlebt hat.

© Michael Klug/ddp

Von Jörn Hasselmann, Guido Berg und Henri Kramer: Weitere Tote nach Bootsunfall

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kapitän des Güterschiff: Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung

Stand:

Marquardt - Die Kollision zwischen einem Sportboot und einem Binnenschiff bei Marquardt hat ein zweites Todesopfer gefordert. Am Sonntag starb eine 42-jährige Thüringerin in einem Potsdamer Krankenhaus. Sie war, wie berichtet, etwa 30 Minuten nach dem Untergang des Bootes aus dem Wrack befreit und aus dem Wasser geholt worden. Eine 62 Jahre alte Frau war am Sonntag gegen 18 Uhr tot in der Kajüte des Bootes gefunden worden, nachdem dieses vom Grund gehoben worden war. Die Ehemänner der Frauen konnten sich mit einem Sprung ins Wasser retten. Die Ursache des Unglücks auf dem Schlänitzsee ist weiter unklar. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Kapitän des Güterschiffs wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Der Mann sei noch nicht vernommen worden, sagte Behördensprecher Ralf Roggenbuck.

Die Kollision ereignete sich an der Einmündung des Sacrow-Paretzer-Kanals in den Schlänitzsee. Unklarheit gibt es über den Hergang. Laut der Potsdamer Polizei sollen das motorisierte Segelboot und das Binnenschiff in die „gleiche Richtung“ von Westen aus nach Berlin gefahren sein. Der zuständige Dezernatsleiter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD), Gerhard Schimm, sagte dagegen, dass das Segelboot nur auf dem Schlänitzsee unterwegs gewesen sei. Möglicherweise habe das Sportboot einen – erlaubten – Abstecher über den See gemacht. Ob es dann in den Kanal einbiegen oder ihn kreuzen wollte, ist unklar. Anwohner in Marquardt zeigten sich gestern überzeugt, dass das Segelboot von Marquardt in Richtung Süden unterwegs war und die Fahrrinne der Lastschiffe im 90-Grad-Winkel kreuzte. Das knapp 80 Meter lange Binnenschiff hatte das acht Meter lange Segelboot seitlich voll getroffen und sofort versenkt.Der 60 Jahre alte Besitzer des Segelbootes blieb unverletzt, sein 67-jähriger Freund erlitt eine Platzwunde am Kopf. Alle Bootsinsassen stammen aus Thüringen, der 60-jährige Schiffseigner hatte das Boot erst kürzlich in Berlin gekauft.

Nach Polizeiangaben waren die „Kapitäne“ nicht alkoholisiert und hatten auch die erforderlichen Erlaubnispapiere. Auf Bundeswasserstraßen hat in aller Regel die Berufsschifffahrt Vorfahrt – schon weil ein Binnenschiff kaum „bremsen“ oder schnell ausweichen kann. Ausweichpflichtig sind Kleinfahrzeuge wie Motor- oder Segelboote. Deshalb sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, nun wegen fahrlässiger Tötung zu ermitteln, überraschend, sagte ein Experte. Welcher Anfangsverdacht vorliege, wollte die Justiz nicht sagen. Dem Vernehmen nach ist es in der Branche gang und gäbe, dass der Kapitän eines Binnenschiffes kurzzeitig die Brücke verlässt und einem Helfer das Ruder überlässt. Ob das Schiff zu schnell war, lässt sich laut WSD nicht mehr klären, am Unglücksort gilt ein Tempo von neun Kilometer pro Stunde. Unklar blieb gestern auch, inwiefern die Bauweise des Güterschiffes eine Rolle spielte. So existiert bei solchen Kähnen ein toter Winkel vor dem Bug – an dem Gütermotorschiff wurde aus dem Steuerhaus des Schiffsführers laut Polizei ein toter Winkel von 250 Meter festgestellt, ab Bugspitze betrug er 185 Meter. Mit Gutachten wollen Staatsanwaltschaft und Wasser- und Schifffahrtsdirektion nun klären, ob eines der Fahrzeuge technische Mängel hatte. Eine besondere Gefahrenstelle ist der Schlänitzsee nicht, eine so folgenschwere Kollision hat es seit Jahren nicht gegeben.

Unterdessen berichteten gestern Anwohner über Schwierigkeiten bei den Rettungsarbeiten am Sonntag. Wie Dietrich Miroph aus der nahen Anglersiedlung Schlänitzsee schilderte, hatte die Feuerwehr erhebliche Probleme, den Unglücksort zu erreichen. Die Retter, die mit Einsatzfahrzeug samt Schlauchboot-Anhänger kamen, hätten 15 bis 20 Minuten benötigt, um das Örtchen zu durchqueren. Ursache seien in der Siedlung parkende Autos von Wochenendbesuchern gewesen, so Miroph. Ein Fahrzeug hätten Feuerwehrmänner sogar „per Hand“ zur Seite rücken müssen. Bei dem Einsatzwagen seien noch keine Taucher dabei gewesen – Anwohner Miroph zufolge erreichten sie den Unglücksort erst weitere fünf Minuten später mit einem Schnellboot.

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