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POSITIONEN: Weniger „Adlon“, mehr „Louvre“

Wie „historisch“ der Landtag wird, ist für die Stadt-Identität zweitrangig Von Till Meyer

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Nicht Fisch, nicht Fleisch, sagt man, wenn etwas nicht richtig gelungen ist, wenn man – entgegen eigener Erwartung – weder das Eine noch das Andere bekommen hat. „Nicht Fisch, nicht Fleisch“, so wird auch das Urteil ausfallen, wenn irgendwann der Landtag in seinen neuen Sitz am Alten Markt einzieht, der den einen zu viel und den anderen zu wenig sandsteinseliges Schloss geworden ist. Dabei ist diese Frage, an der man sich so wunderbar abarbeiten kann, längst nicht kriegsentscheidend, das heißt von einer Wichtigkeit, die alles andere verdeckt. Wichtig ist, dass die Stadt ihr Entrée zurückerhält, einen Ort der Schönheit und Verdichtung, der die jetzige breite, banale Autoschneise vergessen macht. Die Proportionen müssen wieder stimmen, das ganze Areal zwischen Langer Brücke (Obacht bei der neuen Trambrücke!), Altem Rathaus, Nikolaikirche und Friedrich-Ebert-Straße sollte etwas anderes als das Prinzip Beliebigkeit ausstrahlen.

Fakt ist aber auch, dass das seit Jahrzehnten abwesende Schloss als Hülle zurückkehrt, trotz aller neuerlichen Sinngebung ein Stück Fiktion bleiben wird, weil sich Geschichte nicht zurückdrehen oder neu schreiben lässt. Gebaut wird (Vorsicht: Widerspruch!), eine mehr oder weniger authentische Kopie, die trotz aller Detailtreue nicht echt sein kann (und will!) und daher klassischen bis klassizistischen Kunstliebhabern in jedem Fall schwer zu schaffen machen wird. Die trotz generöser Spender fehlenden Millionen, die verhindern, dass wir das Schloss eins zu eins kopieren, sind gleichzeitig eine große Chance und Herausforderung, die wir in urpreußischer Tradition nutzen beziehungsweise annehmen sollten. Man baute schon häufiger mit arg beschränkten finanziellen Mitteln, ohne dass dies auf Kosten der Schönheit ging. Das Neue Palais, das der nach dem Siebenjährigen Krieg bankrotte Friedrich nur baute, um aller Welt zu zeigen, dass er eben nicht bankrott sei, gibt davon eindrucksvoll Zeugnis.

Die Stadt, die Abgeordneten und der Finanzminister müssen Architekten auswählen, die keine bloßen Erfüllungsgehilfen bei der Kostendeckelung sind und uns eine keine Architektur vorsetzen, die ein urbanes Make-up á la Braunschweiger Schloss darstellt. Dort hat man, abgesehen von der Frontseite, eine Kulisse aufgebaut, die mit ihren nackten und kümmerlichen Fassaden reinste Einkaufscenterarchitektur ist. Um dem Kitsch, den Steintapeten und 0815-Varianten zu entkommen, ist Mut von Nöten. Die meisten Stadtverordneten, das zeigt die Geschichte der letzten Monate und Jahre, werden ihn nicht haben und sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Doch wer es allen Recht zu machen versucht, der macht es am Ende keinem wohl. Wenn man schon innen und an den Seitenflügeln anders bauen muss, dann sollte man die Finger von Kompromissen lassen, weniger „Adlon“, mehr „Louvre“ bauen. Ieoh Ming Pei hat sowohl in Paris als auch am Deutschen Historischen Museum in Berlin eindrucksvoll bewiesen, welche Schönheit in der Kombination mit der Moderne steckt. Potsdam war die ganze Neuzeit hindurch immer auch Spielwiese fremder, zeitgemäßer Architektureinflüsse. Es wäre ein Bruch mit der eigenen Geschichte, wenn Potsdam plötzlich im Klein-klein verharrt und nicht über den Tellerrand schaut. Wir verlören innerstädtische Magnetwirkung, weil uns Kommissköppe und Architekturbanausen ihren Revisionismus aufdrängen würden. Die Frage ist deshalb nicht, wie viel historisierende Elemente es sein dürfen, sondern was für ein Heute wir in den dafür vorgesehenen zehn bis 40 Prozent Gebäude wollen. Der neue Landtag soll aussehen, als ob er dorthin gehört – aber nicht unbedingt so, als ob er schon immer dort gewesen ist. Nur dann ist Potsdam auch im 21. Jahrhundert wieder ganz sans souci – ohne Sorge.

Till Meyer ist Historiker, Juso-Chef und Ortsvereinsvorsitzender der SPD Potsdam Süd

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