Fluchtpunkt Potsdam: Weniger Flüchtlinge kamen 2016 nach Potsdam
661 Flüchtlinge sind im Jahr 2016 in der Stadt aufgenommen worden, weniger als ursprünglich erwartet. Die meisten werden wohl bleiben.
Stand:
Potsdam hat im vergangenen Jahr die zweitmeisten Flüchtlinge seit der Wiedervereinigung aufgenommen – dennoch kamen weniger als ursprünglich angenommen. Insgesamt kamen im Jahresverlauf 661 neue Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Brandenburg nach Potsdam, teilte die Stadtverwaltung auf PNN-Anfrage mit. Im Vorjahr waren es noch 1500 gewesen, für das Jahr 2016 hatte Potsdam 1000 Flüchtlinge erwartet.
Anders als in früheren Jahren, als Potsdam es aus Platzgründen nicht schaffte, sein Soll gegenüber dem Land zu erfüllen, ist die Stadt diesmal allerdings schuldlos an der verfehlten Prognose. Sie war angesichts der Erfahrungen aus dem zweiten Halbjahr 2015 bewusst hoch angesetzt worden. Es kommen einfach weniger Schutzsuchende in Brandenburg an, seit die Staaten auf dem Balkan flüchtende Menschen mit Zäunen und Wachposten an der Weiterreise hindern.
Syrer sind die größte Gruppe in Potsdam
Mit 252 stellen Menschen aus Syrien die größte Gruppe unter den nach Potsdam gekommenen Flüchtlingen im Jahr 2016. 154 Bürger der Russischen Föderation sind die zweitgrößte Gruppe, gefolgt von 126 Afghanen. Die Zusammensetzung weicht damit deutlich vom bundesweiten Durchschnitt ab. Insgesamt liegt der Anteil von Flüchtlingen aus der Russischen Föderation – meist sind es Tschetschenen – nämlich nur bei 1,5 Prozent. Verschiedene Bundesländer seien auf bestimmte Herkunftsländer spezialisiert, wie das brandenburgische Innenministerium erklärt. Hintergrund sind etwa kulturelle Kompetenzen wie Übersetzer oder die geografische Lage. Tatsächlich erreichen viele Flüchtlinge aus der Russischen Föderation Deutschland auf dem Landweg über Polen und kommen deshalb bereits in Brandenburg an. Hingegen dazu kam kein einziger Iraker nach Potsdam, obwohl Iraker bundesweit einen Anteil von mehr als 13 Prozent an den Flüchtlingen hatten.
Für die Unterbringung und Versorgung der in Potsdam lebenden Asylbewerber hat die Stadt im Jahr 2016 insgesamt 25,7 Millionen Euro ausgegeben. Darin enthalten sind Kosten für Kauf oder Miete sowie Betrieb der 13 Gemeinschaftsunterkünfte und Lohnkosten für Sicherheitsdienste und Sozialarbeiter. Außerdem bekommt jeder Flüchtling nach dem Asylbeweberleistungsgesetz Geld für den privaten Bedarf: 351 Euro stehen laut Gesetz einem Alleinstehendem monatlich zu. Zum Vergleich: Der Hartz-4-Satz für Deutsche liegt bei 409 Euro. Etwa 19 Millionen Euro bekommt die Stadt vom Bund zurückerstattet.
Unklar, wie viele Asylanträge noch unbearbeitet sind
Die meisten Flüchtlinge, die es nach Potsdam geschafft haben, werden auch als politisch Verfolgte oder Kriegsflüchtlinge anerkannt. Im Jahr 2016 traf das auf 881 Personen zu. Sie erhielten von der Potsdamer Ausländerbehörde einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Da die Verfahren vom Bundesamt für Migration (Bamf) und Flüchtlinge geführt werden und meist einige Monate dauern, dürften unter den 881 auch viele Menschen sein, die bereits im Vorjahr nach Potsdam gekommen sind. Wie viele Asylanträge noch unbearbeitet sind, weiß die Stadtverwaltung nicht. Das Gleiche gilt für die Zahl der abgelehnten Asylanträge. Und das Bamf erhebt bei der Bearbeitung nicht den Wohnort. 31 abgelehnte Asylbewerber haben Potsdam im Jahr 2016 freiwillig verlassen. Fünf Menschen wurden abgeschoben.
Unterdessen steht man im Rathaus noch vor einem Rätsel: Brandenburg hatte als erstes Bundesland kurz vor Weihnachten einen Erlass an die Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten herausgegeben. Diese sollen abgelehnten Asylbewerbern, die Opfer rechter Gewalt wurden, vorübergehend ein längeres Bleiberecht einräumen. Der Erlass bezieht sich auf Opfer von Körperverletzungen, versuchten Tötungsdelikten, Brand- und Sprengstoffdelikten, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Delikten des Landfriedensbruchs sowie Sexualdelikten. Zudem muss ein dringender Verdacht vorliegen, dass die betroffene ausländische Person Opfer einer rechtsmotivierten Gewaltstraftat wurde, heißt es in dem Erlass.
2015: 44 Gewaltstraftaten gegen Asylbewerber in Brandenburg
Wie viele Personen in Potsdam davon betroffen sind, ist indes unklar. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt keine dem Erlass entsprechende statistische Erfassung vor“, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Selbst beim Innenministerium selbst weiß man es auch nicht genau. Man habe keine gesonderten Zahlen, für wie viele Personen das neue Bleiberecht infrage komme, heißt es auf Nachfrage. Allerdings dürften es nicht allzu viele werden. Im Jahr 2015 richteten sich landesweit 44 der insgesamt 129 rechten Gewaltstraftaten gegen Asylbewerber. Die Polizeistatistik für 2016 liegt noch nicht vor. Betroffen waren insgesamt 105 Flüchtlinge. Bei den Delikten handelte es sich nach Angaben des Innenministeriums fast ausschließlich um Körperverletzung oder versuchte Körperverletzung. Da man jedoch davon ausgehen kann, dass ein großer Teil der Opfer ohnehin einen Aufenthaltstitel bekommt, wird die Neuregelung wahrscheinlich auf einen niedrige zweistellige Zahl von Personen angewendet werden.
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