Landeshauptstadt: Wenn der Drache Schuppenshampoo braucht
Anna Eschenhagen, eine Potsdamer Staatsanwältin, nutzte die Elternzeit und schrieb ein Kinderbuch
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Kinderbücher über Drachen und Ritter gibt es zuhauf. Und doch wollte Anna Eschenhagen selbst eines schreiben, für sich, ihre zwei Kinder, für alle, die Gefallen daran finden würden. „Ein Märchen für Kinder und vorlesende Erwachsene“, heißt es unter dem Titel. Seit April ist das Buch „Kleines Drachenlied“, ein Gemeinschaftsprodukt von vier befreundeten Künstlerinnen, im Buchhandel zu haben.
Den Text dazu zu schreiben, das sei der geringste Teil der Arbeit gewesen, sagt Anna Eschenhagen. Die 42-Jährige, die 2006 wegen ihrer Arbeit als Staatsanwältin von Berlin nach Potsdam zog, ist nach einem langen Entstehungsprozess – vor allem nach reichlich Klinkenputzen bei Verlagen – derzeit mit der Vermarktung des Buches beschäftigt. Die nur kleine Auflage in Höhe von 1000 Exemplaren verkaufe sich zwar gut, aber nicht von allein. Immerhin hat das Autorenteam auf einen familienfreundlichen Preis geachtet. Für etwa zwölf Euro bekommt man angemessen viel zum Lesen und Anschauen. „Ich finde, ein Kinderbuch sollte nicht mehr kosten, als man für ein Kindergeburtstagsgeschenk ausgeben würde“, sagt sie.
Anna Eschenhagen kann sich erinnern, wie sie sich ihre Freude am Schreiben bereits als Schulkind zu Nutzen machte. Bei einem Schulwettbewerb trug sie ein eigenes Weihnachtsgedicht vor und beeindruckte damit die Jury. „Und es war kürzer und weniger zum Lernen“, sagt sie und lächelt. Die Vorliebe zu Reimen floss nun in den Text der Drachengeschichte ein. Mit Endreim und in vorbildlichem Versmaß ist die Geschichte verfasst, über einen Drachen, der nicht länger Lust hat, die ihm anvertrauten Schätze zu hüten, und stattdessen in die Welt zieht. Über Prinzessin Oreide, die nicht länger auf einen Befreier warten will und selbst aktiv wird. Und über Ritter Theobald, der selbstredend am Ende mit Oreide zusammenkommt. Das Happy End und keine offene Situation, eine vernünftige Lösung, mit der die Protagonisten aber auch die kleinen Leser zufrieden sein können, war der Autorin wichtig. Auf dem Weg dahin muss allerdings der böse Zauberer irgendwie verschwinden. Dabei griff sie, um nicht allzu brutal werden zu müssen, zu einem Trick: Der Zauberer zerfällt von ganz allein zu Staub.
Dennoch will sie nicht in die Ecke derer gerückt werden, die altertümliche Märchen heute für gefährlich oder politisch inkorrekt halten. „Ich hab als Kind immer Märchen gemocht – und sie haben mich nicht traumatisiert“, sagt sie lachend. „Mir ist aber aufgefallen, dass viele Märchen heute in abgemilderten Versionen erzählt werden“, sagt sie.
Drei Monate während der Elternzeit mit ihrem kleinen Sohn hat sie an den Zeilen geschrieben und gefeilt. Hat im Café, wenn der Kleine im Wagen schlief, auf dem Schreibblock Listen mit Reimwörtern angelegt. Das Schreiben mit der Hand war ihr lieber, sagt sie, wenngleich auch gefährlich: Einmal habe sie die Tasche mit dem Manuskript verloren, bei einer Freundin stehen gelassen und erst Wochen später wiedergefunden.
Neben ihren eigenen Ideen flossen auch Wünsche ihrer Kinder und der Kinder der Mitautoren ein. Wieder und wieder sollten sie die Geschichte vorlesen, es wurde nie langweilig. Stattdessen gab es Wünsche, vor allem an die Illustratorin: „Die Prinzessin musste immer eine Krone tragen. Prinzessin ohne Krone – das ging gar nicht“, erinnert sich Anna Eschenhagen. Es wurden die Namen vom Personal geändert, und der Drache bekam Schuppenshampoo.
Sie selbst, die Juristin in Elternzeit, spürte damals, wie die Beschäftigung mit dem Buch ihr gut tat. Es war eine Auszeit vom zielgerichteten Denken, vom Wunsch, immer für alles, das Gute und vor allem das Böse im Menschen, eine Erklärung, eine Geschichte zu finden. „Der Zauberer ist eben einfach böse, Punkt. Da wird nicht gefragt warum, ob er möglicherweise eine schlimme Kindheit hatte“, sagt die Potsdamerin. Sie weiß, dass sich Juristen manchmal schwer tun, im Alltag die vertraute berufliche Brille abzusetzen. Und sie freut sich über den Erfolg, die Freude auf Seiten der Zuhörer. „Ich bringe in meinem Beruf ja eher selten Kinderaugen zum Leuchten“.
Etwa ein Jahr arbeiteten die vier Frauen an Text, Illustration, finaler Bearbeitung. Machten sich selbst über die Schriftart Gedanken – der Text sollte auch auf der Bettkante bei Schummerlicht gut lesbar sein. Dann suchten sie einen Verlag und fanden Berenkamp in Österreich, der sich für die Geschichte in Eschenhagens lyrischer Sprache, die tatsächlich Kinder und Erwachsene gleichermaßen anspricht, für die Bilder der Illustratorin mit dem Künstlernamen Jakob Knapp, für Aquarelle, die mit wenigen, aber eindeutigen Grundfarben auskommen, sowie zarte Zeichnungen begeisterte. Auch Eschenhagen ist mit dem Ergebnis zufrieden, ist froh, dass das Buch nicht zu niedlich geworden ist, die Illustratorin auch mal etwas düster zeichnete – wie es eben zu einer solchen Geschichte passt.
Wenn sie es bis dahin noch nicht war, so wurde Eschenhagen dabei zu einer Mittelalterexpertin. Sie habe viel recherchiert, beispielsweise sich gefragt, was der Unterschied zwischen einem Drachen und einem Lindwurm ist. „Der Lindwurm ist schlangenartig und hat nur zwei Beine. Es wurde also ein Drache“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Für ein weiteres Buch gibt es schon Ideen aber noch nichts Konkretes. „Es ist schwer, einen Spannungsbogen zu entwickeln“, sagt sie. Aber sie würde auf jeden Fall in der Märchenwelt bleiben.
– Anna Eschenhagen, Jakob Knapp, Alexandra Rode, Eva Weiße: Kleines Drachenlied. Berenkamp 2014, Wattens, 12,40 Euro
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