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Helfende Hand. Beauftragte Betreuer kümmern sich um bedürftige Menschen. Fotografieren lassen wollen sich die meisten nicht – um das Vertrauensverhältnis nicht zu gefährden.

© dpa

Landeshauptstadt: Wenn der Geist schwindet

Wer kümmert sich um Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können? Sabine Aengst tut dies beim Caritas-Betreuungsverein

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Rudolf R.* ist körperlich noch recht fit. Längere Touren mit seinem Fahrrad waren für den Potsdamer Rentner bis vor Kurzem kein Problem. Doch der 78-Jährige ist dement. Wahnvorstellungen plagen ihn. Seinen Mitmenschen traut der Senior wohl nicht mehr über den Weg. Vor einiger Zeit erklärte der Rentner, er wolle weg aus Potsdam und überhaupt raus aus diesem Land.

Ein paar Monate zuvor war Rudolf R. von der Polizei auf der Straße aufgegriffen worden. Den Beamten fiel der Rentner auf, weil er mit seinem Fahrrad auf der Autobahn unterwegs war. Verwirrt habe er da gewirkt. Die Polizei brachte Rudolf R. zum sozialpsychiatrischen Dienst nach Potsdam. Bald darauf war der Rentner zwar wieder zu Hause, doch dass Rudolf R. nicht mehr ohne fremde Hilfe durchs Leben kommen würde, war dem Amt schnell klar. Sabine Aengst vom Caritas-Betreuungsverein wurde dem 78-Jährigen als Betreuerin zur Seite gestellt.

Ein „ganz süßer, älterer Herr“ sei Rudolf R. und „mitunter sehr charmant“, erzählt Aengst. Doch seine Demenz ist weit fortgeschritten. Der Rentner kann inzwischen nicht mehr in seiner eigenen Wohnung leben. Aengst besucht ihn regelmäßig in einer Klinik, die auf Menschen wie Rudolf R. eingestellt ist. Mittlerweile frage er nicht einmal mehr nach seinem Zuhause.

Für 14 Menschen habe sie derzeit die Verantwortung als Betreuerin. Es seien längst nicht nur demente Ältere, für die sie sorge, auch Menschen mit einer krankhaften Sucht oder einer geistigen Behinderung seien darunter, so Aengst. Den Altersdurchschnitt der ihr Anvertrauten schätzt die Betreuerin auf gerade einmal Mitte 40. Jeder von ihnen hat seine eigene Vita, sein ganz spezielles Schicksal.

Klar, dass Aengst sich immer wieder in eine neue Situation einfühlen muss, wenn sie eine Betreuung übernimmt. Im Falle von Rudolf R. ging sie zunächst in die Wohnung des Rentners und verschaffte sich einen Überblick über seine Lebensverhältnisse. „Das ist der unangenehmste Part an meinem Job“, sagt Aengst. In diesen Situationen nehme sie immer einen Zeugen mit. So könne man ihr später nicht vorhalten, sie habe etwas mitgehen lassen. Rente, Krankenkasse, Bank – bei Rudolf R. sichtete Aengst zunächst die Papiere. Sie besorgte sich den Rentenbescheid, beantragte bei der GEZ die Gebührenbefreiung für Radio und Fernsehen und schrieb das Sozialamt wegen der Grundsicherung an. Rudolf R., der nur eine kleine Rente erhält, hatte zuletzt – offenbar infolge seiner Demenz – nicht mehr die Grundsicherung zur Aufstockung seiner Rente beantragt. Doch ohne Antrag keine Leistung. Das Amt stellte die Zahlungen im März ein. Mietschulden liefen auf. Aengst verhandelt nun mit dem Vermieter.

Betreuer wie Sabine Aengst werden in einem Betreuungsfall jeweils für bestimmte „Aufgabenkreise“ bestellt. Lässt es die Krankheit oder Behinderung des Hilfebedürftigen beispielsweise nicht zu, dass er die Korrespondenz mit den Behörden führt, so kann er hierfür vom Betreuungsgericht – einer Abteilung des Amtsgerichts – einen Betreuer erhalten. Gut möglich, dass der Hilfebedürftige seine übrigen Postangelegenheiten aber noch selbst regeln kann. Einen Betreuer hierfür bekommt er dann nicht.

Menschen wie Rudolf R., denen ihre geistigen Fähigkeiten zum großen Teil abhanden gekommen sind, bedürfen freilich einer umfassenden Betreuung. Im Falle von Rudolf R. ist Sabine Aengst nicht nur für die Kontakte zu den Ämtern zuständig. Sie kümmert sich unter anderem auch um sämtliche Postangelegenheiten und die „Gesundheitssorge“ des Rentners. Neben ihrer eigentlichen Arbeit als Vereinsbetreuerin wirbt Aengst dafür, dass sich auch Ehrenamtler als Betreuer engagieren. Aengst: „Ich motiviere Menschen, Betreuungen zu übernehmen.“ Das ehrenamtliche Engagement sei wichtig, schließlich werde im Betreuungsfall zunächst danach geschaut, ob nicht ein Angehöriger als Betreuer bestellt werden kann. Während die Ehrenamtler nur eine Entschädigung für ihren Aufwand erhalten, bekommen die Betreuungsvereine und die selbstständigen Berufsbetreuer eine echte Vergütung. Je nach finanzieller Lage bezahlen die Betreuten diese Dienste selbst oder aber der Staat springe ein, erklärt Aengst. Seit Jahren vom Land Brandenburg nicht mehr finanziell unterstützt werde hingegen die Arbeit der Betreuungsvereine als Anlaufstelle für die ehrenamtlichen Betreuer, sagt Beate Romanowski vom Berliner Caritas-Betreuungsverein. Im Gegensatz zu Brandenburg fördere das Land Berlin diese Arbeit nach wie vor.

Wer seine eigenen Angelegenheiten fürs Alter regeln will, dem empfiehlt Vereinsbetreuerin Aengst, über eine Vorsorgevollmacht nachzudenken. Im Ernstfall kann damit eine förmliche Betreuung vermieden werden. Zweimal im Jahr, so Aengst, führe sie zu diesem Thema eine Informationsveranstaltung durch.

(* Name von der Redaktion geändert)

Holger Catenhusen

Caritas-Betreuungsverein, Berliner Straße 49, Tel.: (0331) 290 88 11.

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