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Forscher aus Potsdam: Wenn der Moorfrosch blau wird

In Potsdam ergründen Forscher den Wandel im Lebensraum der Amphibien. Besonders oft sind sie im Einsatz, wenn sich Kröten und Frösche paaren.

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Potsdam - Fragt man Menschen nach ihrem Lieblingstier, wird erst einmal alles genannt, was Fell oder Federn hat. Kröte, Lurch und Co. rangieren eher auf den hinteren Plätzen. Nicht so bei Wolfgang Ewert: Der 64-jährige Fotograf robbt an Seen und Teiche heran, um deren quakende Bewohner nicht zu stören und möglichst gute Schnappschüsse von ihnen machen zu können. „Ich finde Amphibien und Reptilien einfach faszinierend“, sagt Ewert, der vor Kurzem zusammen mit anderen Naturbegeisterten vom Potsdamer Kreisverband des Naturschutzbundes (Nabu) die neue Fachgruppe Herpetologie gegründet hat.

„Herpetologie ist die Wissenschaft, die sich mit Amphibien und Reptilien beschäftigt“, so Ewert. Ihr verschrieben haben sich in der Fachgruppe bislang zwölf Interessierte. „Es gab schon in den 80er-Jahren eine sehr aktive Gruppe für Feld-Herpetologie in Potsdam, bei der auch ich dabei war“, so Fachgruppenleiter Jörg Dorowski. Zu ihr gehörten damals unter anderem Detlef Knuth, heute Leiter des Naturkundemuseums Potsdam, oder Günther Kehl, derzeit Chef der Unteren Naturschutzbehörde Potsdam.

Die Gruppe von damals besteht im Prinzip bis heute, in den vergangenen Jahren war sie jedoch eingeschlafen und hatte sich vor allem auf Außeneinsätze zur Krötenwanderung konzentriert. Zwischenzeitlich hatte man sich aufgrund von Mitgliedermangel sogar mit der Nabu-Fachgruppe für Säugetiere zusammengeschlossen, so Ewert, doch nun gibt es neuen Zulauf. Jetzt wolle man wieder verstärkt Exkursionen unternehmen und Untersuchungen zum Zustand der umliegenden Gewässer und der Artenvielfalt durchführen.

Erdkröten, Moorfrösche und Knoblauchkröten leben in Potsdam

Dafür können die Naturforscher auf viel Datenmaterial zurückgreifen: In den 80er-Jahren hatten die Hobby-Herpetologen sehr umfassende Beobachtungen in Potsdam und Umgebung unternommen, Kleingewässer erfasst, vorhandene Arten registriert und die Umgebung dementsprechend kartiert. Vor allem Erdkröten, Moorfrösche, Grasfrösche und Knoblauchkröten tummeln sich rund um Potsdam. „Es hat mir Riesenspaß gemacht und ich muss ziemlich viel Zeit da reingesteckt haben“, sagt Dorowski mit Blick die zwei dicken Aktenordner, die vor ihm liegen. Hunderte Seiten mit Daten, die die Fachgruppe in den kommenden Jahren mit der heutigen Situation vergleichen will.

„Das wird keine schöne Aufgabe“, sagt der 64-jährige Kleinmachnower. „In den meisten Fällen wird sich die Situation nämlich verschlechtert haben. Die Kleingewässer, die unglaublich wichtig für die Biodiversität sind, waren in den vergangenen Jahren stark durch Bautätigkeit und Grundwasser-Absenkung gefährdet.“ Auch ein anderer Umstand war in den 80ern besser für die Tiere: Zur Paarungszeit waren die nachtaktiven Frösche und Kröten auf den Straßen nachts nur selten von Autos gefährdet. „Das hat in der DDR kaum eine Rolle gespielt“, so Dorowski.

Mehr als 1000 Tiere passieren Landesstraße 77

Heute ist der Verkehr um einiges stärker, daher gibt es laut Wolfgang Ewert vier stationäre Einrichtungen in Potsdam, sprich: Krötentunnel. Die Mitglieder der Gruppe kümmern sich zur Paarungszeit von Februar bis Juni vor allem um einen Abschnitt bei Nudow, wo pro Saison mehr als 1000 Tiere die Landesstraße 77 passieren. Ewert bittet alle Potsdamer, die Fachgruppe über Straßen zu informieren, wo besonders viele Frösche und Kröten unterwegs sind und noch keine Schutzzäune stehen.

Durch einen solchen Hinweis entdeckten die Tierschützer 2010, dass es in Güterfelde ein großes Krötenwanderproblem gab: „Ein Busfahrer sah uns beim Aufbau von Schutzzäunen in Nudow, hielt an, und sagte mir, dass er sich in Güterfelde in dieser Zeit kaum zu bremsen traue, weil es so rutschig von den überfahren Tieren war“, sagt Dorowski. Zusammen mit seinen Helfern kümmert er sich seitdem darum, vor allem Erdkröten in Eimern sicher zum Güterfelder Haussee zu transportieren. Rund 2000 Tiere kreuzen hier pro Saison die Straße, in einer Nacht mussten sogar einmal 1500 der Amphibien zur anderen Seite befördert werden: „Man kam zurück und die Eimer am Krötenzaun waren schon wieder halb voll“, erinnert sich Dorowski.

Straßen haben eine magische Anziehungskraft

Leider werden gerade Amphibien von Straßen geradezu magisch angezogen: „Kröten bleiben gerne einfach mal auf der Straße sitzen, denn da haben sie zur Paarungszeit einen besseren Überblick“, erklärt Dorowski. „Außerdem sind Straßen meist wärmer als der Erdboden, da können die wechselwarmen Tiere dann Wärme tanken.“

Wenn die Herpetologen nicht bei strömendem Regen mit der Taschenlampe Krötenzäune kontrollieren, genießen sie es einfach, die Tiere in ihrem Lebensraum zu beobachten. Wolfgang Ewert hat sogar einige Frösche in seinem Gartenteich: „Man kann richtig dabei zusehen, wie sie ihre Reviere abstecken und gegeneinander verteidigen.“

Sein Kollege Jörg Dorowski erinnert sich eher an die Episode, wie er einmal an einem Teich nahe einer Siedlung eine große Laichgesellschaft von Moorfröschen entdeckt hatte, die sich zur Paarungszeit knallblau färben. „Ich wies einen Anwohner darauf hin, ob er auch die blauen Frösche gesehen hatte, aber der wusste gar nicht, wovon ich redete.“ Als sich der Mann mit eigenen Augen überzeugt hatte, rief er sofort alle seine Nachbarn herbei, um das Naturschauspiel zu beobachten. „Die hatten das noch nie gesehen, obwohl sie zum Teil schon seit 40 Jahren da wohnten“, schmunzelt Dorowski.

Wer auch solche Erlebnisse machen will, kann sich den Naturforschern einfach anschließen: Die Fachgruppe Herpetologie trifft sich jeden zweiten Dienstag in Potsdam, Interessierte können über die Webseite des Nabu-Kreisverbandes Kontakt aufnehmen: www.nabu-potsdam.de

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