Von Henri Kramer: Wenn erst der Bürger fragt
Spitzenkandidaten der südlichen Neubaugebiete diskutierten über den Kepler-Platz und andere Themen
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Wahlkampfdiskussionen werden erst bei Bürgerfragen spannend. Zu beobachten ist das Phänomen auch an diesem Donnerstagabend, als die Spitzenkandidaten der südlichen Neubaugebiete im Club 18 am Stern aufeinander treffen.
Gerade hat sich Helga Hefti von der örtlichen Bürgerinitiative in Rage geredet. Wie nur soll der Schandfleck Kepler-Platz wieder schöner werden? Vor allem die leere Kaufhalle? Christian Motz von der FDP sagt, dass Politik nicht verantwortlich für Objekte ist, sondern nur Rahmenbedingungen setzen kann. Man muss wohl mit Rewe verhandeln. Dem stimmt die politisch noch unerfahrene Fraktion Die Andere-Kandidatin Ulrike Simon zu. Monika Keilholz hat dagegen einen anderen Plan: Halle wegreißen, billiger Wohnungsbau. Später rufen ihr einige Zuschauerinnen entsetzt zu: „Moni, wer will denn da wohnen?“ Gegenüber ist ein Hochhausklopper. Auch Rolf Kutzmutz (Die Linke) kann sich mit der Idee nicht anfreunden, sich aber ein Kulturhaus in der Halle vorstellen. Und sicher ist er sich auch: „Die Verwaltung muss mehr tun.“ Harald Kümmel von der SPD plädiert auf Warten, bis der Mietvertrag für die Halle ausläuft, erst danach seien wohl Verhandlungen über eine Nachnutzung möglich. Ähnlich argumentiert Peter Lehmann (CDU), der aber fordert, sich bis dahin Gedanken zu machen. Dieter Gohlke will dagegen die Halle von der Stadt kaufen lassen, dann soll ein Gremium der Fachhochschule über die Nutzung entscheiden. Jürgen Stelter dagegen sagt: „Es gibt da wohl zur Zeit keine Superlösung.“
Es sind auch solche Eingeständnisse, die den Abend interessant machen. Als Sozialpädagogin Ulrike Simon nach ihren Wirtschaftsvorstellungen gefragt wird, sagt sie: „Das ist nicht mein Thema.“ Andere Themen sind etwa die Neubaugebiete als sozialer Brennpunkt oder die Jugendpolitik in den Stadtteilen. Viele Reibungen gibt es da noch nicht. Doch irgendwann muss ein Wahlkämpfer dem Volk auch “mal nach dem Mund reden. Da beklagt sich eine Zuschauerin darüber, dass bei jedem Schulwechsel neue Bücher gekauft werden müssen. Gohlke fordert sofort kostenlose Bildung, immer. Lehmann verfehlt das Thema und fordert Schuluniformen, zieht den Unmut des Publikums auf sich. Stelter versucht abzufangen: Das ist Sache der Landespolitik, „alles was hier versprochen wird, kann nach der Kommunalwahl niemand halten.“ Kümmel verweist zumindest auf Sozialfonds. Doch es ist die Zeit der Träume: Kutzmutz wünscht sich schon nur ein Buch. Und Keilholz sekundiert, wegen der „Chancengleichheit“. Auch Simon kann sich das vorstellen, hofft auf die Landtagswahlen in einem Jahr. FDP-Motz ist von so viel Einmütigkeit beeindruckt, selbst er ist für weniger Bücher. Da reißt Stelter sichtlich der Geduldsfaden: „Herr Kutzmutz, wollen Sie dann entscheiden, was das beste Schulbuch ist - das hatten wir schon mal.“ Weil er vielen Zuhörern nicht auf den Mund geschaut hat, ist das Protestraunen vernehmlich: „Früher war nicht alles schlecht.“ Bei Wahlkampf in Neubaugebieten herrschen andere Regeln.
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