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Homepage: „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“

Herzls Utopie und Israels Gegenwart – eine Fotoausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums

Stand:

Israel ist ein altes neues Land. Vom Königreich Israel ist schon in der Bibel die Rede, als moderner Staat wurde es erst 1948 begründet. Der Anspruch Hitlers, alle Israeliten vernichten zu wollen, und die sukzessive Verwirklichung dieses Planes machten die Staatsgründung zu einer völkerrechtlichen Notwendigkeit. Der Traum eines Landes, in dem Juden als freie Staatsbürger unverfolgt leben könnten, existierte indes schon viel länger. Einer, der ihn träumte, war Theodor Herzl. Seiner Utopie und Israels Gegenwart hat das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) eine Fotoausstellung gewidmet, die parallel in Israel und in der Jüdischen Gemeinde Berlin zu sehen ist.

1896 hatte Herzl in „Der Judenstaat“ das theoretische Grundkonzept eines modernen jüdischen Staates skizziert. 1902 erschien sein Roman „Altneuland“, die prosaisch ausformulierte Utopie dieser Idee. Die Handlung spielte in der Zukunft, im Jahre 1923, das Herzl, der 1904 mit nur 44 Jahren starb, nicht mehr erleben sollte. So war es ihm nicht vergönnt zu sehen, wie einige seiner futuristischsten Träume wahr wurden. Oder noch wahr werden wie die „elektrische Schwebebahn“: „Wir haben sie in unseren Städten gleich von vornherein eingerichtet, weil der Massenverkehr so leichter und gefahrloser bewältigt werden kann“, schrieb Herzl 1902. Tatsächlich sollen ab 2009 die ersten Straßenbahnen durch Jerusalem fahren, die Bauarbeiten dafür sind heute schon zu sehen.

Studenten der Universität Potsdam haben eine solche unfertige Straßenbahntrasse entdeckt. Mit dem Roman Herzls in den Hinterköpfen reisten die jungen Deutschen durch das Land und fotografierten Dinge, die ihnen wie visuelle Kommentare zu Herzls Roman vorkamen. So entstand die Idee für die Ausstellung des MMZ mit dem Titel „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“. Die Entscheidung, schwarz-weiß zu fotografieren, bildet dabei eine kluge ästhetische Brücke von der Gegenwart in die zukunftsträumende Vergangenheit. Jedem Bild ist ein Zitat Herzls zugeordnet, wobei manche Worte noch immer wie eine Utopie klingen: „Wir fragen nicht, welchen Glaubens und welcher Rasse einer ist. Ein Mensch soll er sein, das genügt.“ Dazu ist die winterliche Illumination eines Restaurants in Haifa abgebildet, Lichterketten formen am Haus neben einem Chanukkaleuchter einen Weihnachtsbaum und einen orientalischen Halbmond.

Es ist vor allem die Architektur – die Strandpromenade in Tel Aviv, eine Shoppingmall in Haifa, ein Krankenhaus in Jerusalem – die den modernen Eindruck des jungen Landes unterstreicht. In den Hafenansichten, Telefondrähten und einem Expresszug materialisieren sich die technischen Metaphern eines Schriftstellers, der in seiner säkularen Gesellschaftsutopie auch vom industriellen Fortschritt zum Wohle der Menschen träumte.

Der Wert der Fotos liegt in dem erkennbaren Staunen, weniger in ihrer Qualität. Für einen guten fotografischen Blick genügt Enthusiasmus allein nicht. Einige Objekte kippen geradezu aus dem Rahmen, und besonders den Landschaftsaufnahmen fehlt die Tiefenschärfe. Die Ausstellung ist aber auch gar nicht als Kunstausstellung konzipiert, keines der Fotos trägt einen individuellen Autorennamen. Der Gemeinschaftscharakter des Projektes, das sich als Kommentar zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels verstanden wissen will, hätte Theodor Herzl ganz sicher gefallen. Lene Zade

bis 18. Mai, So 14-18 Uhr, Mo-Do 9-18 Uhr, Fr 9-15 Uhr, Fasanenstr. 79 in Berlin

Lene Zade

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