Homepage: Wie Fehler klug machen können Jahrestagung der Medienwissenschaftler
Der Volksmund weiß es längst: „Aus Fehlern wird man klug.“ Etwas Ähnliches versuchen derzeit auch die mehr als 200 Medienwissenschaftler, die sich noch bis zum morgigen Samstag zur Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft in Potsdam treffen.
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Der Volksmund weiß es längst: „Aus Fehlern wird man klug.“ Etwas Ähnliches versuchen derzeit auch die mehr als 200 Medienwissenschaftler, die sich noch bis zum morgigen Samstag zur Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft in Potsdam treffen. „Dysfunktionalitäten“ lautet das Thema der Konferenz, die von der Fachhochschule Potsdam und der Universität Potsdam mit Unterstützung der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ ausgerichtet wird. Auch wenn der Titel etwas komplizierter klingt als das besagte geflügelte Wort, geht es den Teilnehmern genau darum: Um Störfälle, Ausfälle und Unfälle, um Unbestimmbares und Unbeherrschbares, aber auch um bewusst subversive Aktionen – all das also, was oft als Fehler im System abgetan wird, weil es nicht oder nicht mehr funktioniert.
Das Tagungsprogramm zeigt, welch weites Forschungsfeld sich dabei eröffnet: Da gibt es Vorträge über zerkratzte Filme, „Trauma-TV“ oder Medien, die die Wohnungseinrichtung stören. Da wird über den Schnappschuss diskutiert, über die Internet-Straßenkarte Google Street View, das Stolpern im Animationsfilm, Christoph Schlingensiefs Krebs-Blog oder das „(Un-)Wissen der Datenbanken“ – um nur einige Beispiele zu nennen.
Dass der Blick auf Missglücktes durchaus Erkenntnisgewinn verspricht, demonstrierte der US-amerikanische Medienwissenschaftler Rick Altman bei seinem Eröffnungsvortrag am Mittwochabend am Beispiel der Technik für Tonfilmaufnahmen. Auch wenn sich der Tonfilm in den Kinos erst ab Ende der 1920er Jahren durchsetzte, gab es bereits vor der Jahrhundertwende Geräte, die Bild und Ton synchron wiedergeben konnten. Anders als oft angenommen, seien diese „Kinetophone“ oder „Vivaphone“ aber nicht an der unzureichenden Technik gescheitert, argumentierte Altmann.
Stattdessen sei das Potenzial der Ton-Technik als neues Medium schlicht nicht erfasst worden. Statt erzählende Filme mit einer Handlung drehen zu lassen, beschränkten sich die Anbieter auf Vaudeville-Kunststückchen oder kurze komische Szenen, die mit Musik unterlegt wurden. Hinzu kam die Beschränkung auf nur einen Zuschauer je Gerät: In den Hallen der „1-Cent-Vaudevilles“ reihten sich Dutzende diese Geräte aneinander. Auf den Gedanken, mit einem „Kinetophone“ ein ganzes Publikum zu bespielen – laut Altman wäre das technisch möglich gewesen –, kam indes niemand.
Altman hat eine Erklärung für das Brett vor dem Kopf der Erfinder: Sie hätten sich zu stark am damals erfolgreichen Phonographen orientiert, einem Gerät, das Ton aufnehmen und abspielen konnte. Sie füllten also „neuen Wein in alte Schläuche“, so Altman. Als Beleg dafür, dass das nur im Desaster mit kaputten Schläuchen enden kann, gab er das entsprechende Bibelzitat zum Besten. Altman plädierte dafür, auch andere „Dysfunktionalitäten“ nach dem „Neuer-Wein-Alte-Schläuche“-Modell zu analysieren – und nicht einfach als gescheitert abzutun. Jana Haase
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