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Landeshauptstadt: Wie Potsdam vor 15 Jahren

Branko Wehnert lebt und arbeitet seit zwei Jahren in Tadschikistan beim deutschen Entwicklungsdienst

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Wie ein Abenteurertyp sieht er eigentlich nicht aus: Branko Wehnert sitzt in einem Café in Potsdam und rührt mit dem Löffel in der Tasse. Der junge Mann im akademisch wirkenden Hemd-und-Pullover-Outfit ist hier allerdings nur auf Besuch. Denn seit zwei Jahren lebt und arbeitet der 30-jährige Potsdamer als Entwicklungshelfer des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in Tadschikistan. In Khujand, der zweitgrößten Stadt des zentralasiatischen Landes, hat er im vergangenen Jahr ein Regionalbüro für den Verband von kreditgebenden Unternehmen aufgebaut: Er organisiert Weiterbildungen, Regionaltreffen und kümmert sich um Lobbyarbeit für die so genannten Mikrofinanz-Organisationen. „Ziel ist es, internationale Methoden im Land zu fördern“, erklärt Wehnert.

Über tausend Entwicklungshelfer hat der DED nach eigenen Angaben aktuell in über 45 Länder entsendet. Jährlich werden etwa 300 der begehrten Stellen frei. Die Entwicklungshelfer arbeiten vor Ort jeweils für lokale Institutionen oder Nichtregierungsorganisationen. Bei Branko Wehnert ist das der Verband AMFOT (Association of Microfinance Organizations of Tajikistan), in dem knapp 40 Kleinkreditgeber organisiert sind. Bei den von ihnen gewährten „Mikro-Krediten“ geht es um Summen von durchschnittlich 850 Dollar pro Person mit einer Laufzeit von sechs bis acht Monaten, erklärt Wehnert. Damit können sich Tadschiken bereits eine eigene Existenz aufbauen: Zum Beispiel als Näherin in der eigenen Nähstube, als Fladenbrot-Bäcker oder mit dem Kauf von Vieh.

So abenteuerlich ist das Leben in der Hochgebirgsrepublik zwischen Afghanistan, Usbekistan, Kirgisistan und China allerdings gar nicht, wehrt der Potsdamer freundlich ab. Als er 2005 zum ersten Mal in die ehemalige Sowjetrepublik reiste, kam ihm einiges sogar sehr bekannt vor: Die Gelenk-Busse vom Typ Ikarus zum Beispiel: „Wie in Potsdam vor 15 Jahren“, erinnert er sich. Geduldig erzählt Wehnert, wie er dahin gekommen ist, wo er jetzt lebt: In die 180 000-Einwohner-Stadt Khujand im Norden des Landes.

Angefangen hat der Kommunikationswissenschaftler mit einem Entwicklungsstipendium des DED in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe: „Die Entwicklungszusammenarbeit ist schon immer mein großer Traum gewesen“. Bei Auslandspraktika im arabischen Raum während des Studiums an der Berliner Universität der Künste habe sich der Berufswunsch bestätigt. Und trotzdem war der Stipendienplatz in Tadschikistan neues Terrain: „Ich bin vorher nie in der Gegend gewesen.“

Von der islamischen Kultur des Landes habe er sich gleich „angeheimelt“ gefühlt – die Sprache hat er dagegen bis heute nicht gelernt: „Die alltägliche Arbeit läuft nur auf Russisch, Englisch kann dort kaum jemand“, berichtet Branko Wehnert. Die sowjetische Kultur ist auch 16 Jahre nach der Unabhängigkeit noch gegenwärtig. Aber die Zeiten, in denen das vom Bürgerkrieg der Neunziger Jahre zerrüttete Land mit Nothilfemaßnahmen wiederaufgebaut werden musste, gehen langsam vorbei, erklärt er: Heute zielt das Engagement des DED vor allem auf nachhaltige Entwicklung. Nach einem Jahr als „Entwicklungsstipendiat“ entschied sich, dass der Potsdamer als Entwicklungshelfer übernommen wurde.

Als Wehnert im März 2007 zum ersten Mal in sein heutiges Büro kam, gab es dort nur einen Computer, erinnert er sich. Mittlerweile stellt er schon Arbeitserfolge fest: „Das Gefühl einer Community bei den Kreditgebern ist da.“ Eine gute Voraussetzung für gemeinsame Verhandlungen mit der Nationalbank.

Heute fühlt sich der Potsdamer in Khujand zuhause: „Ausschließlich dort“, sagt er. Denn in Tadschikistan lernte er auch seine Frau kennen: Im Sommer heirateten die beiden, die Tochter ist gerade fünf Monate alt. Die Sommer in seiner neuen Heimat findet er „bombastisch“: An den Wochenenden geht es zum Baden an den Stausee oder in die Berge zum Wandern. Das Freizeitangebot in der Stadt allerdings sei beschränkt: „Da gibt es kein Kino, keinen Irish Pub.“ Jetzt im Winter ist es dagegen empfindlich kühl: Unter Null fällt die Temperatur zwar nur selten, aber es gibt sehr viele Stromausfälle. Im Büro steht deshalb ein Generator. Der Computer kann damit weiter laufen – aber die Heizung bleibt kalt: „Arbeiten sie mal bei zwölf Grad!“

Wie lange Wehnert noch in Zentralasien bleiben wird, ist unklar: „Ein bis zwei Jahre noch“, glaubt er. Spätestens dann kann die über den DED finanzierte Tadschikin als einheimische Fachkraft, die Wehnert für AMFOT einarbeitet und qualifiziert, seine Tätigkeit übernehmen. Wohin er mit seiner Familie dann gehen wird, weiß der Potsdamer noch nicht: „Ich bin eigentlich offen für alles.“ Und dann blitzt doch so etwas wie Abenteuerlust in seinen Augen auf: Nach ein paar Jahren am selben Ort, sagt der Entwicklungshelfer, wird man „den Feinheiten gegenüber blind“, sagt er, und: „Das was mich reizt, ist der Wechsel.“

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