zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Wieder dem Vergnügen der Einwohner

Christian Wendland rettete 1966 den Kanaloper-Fries. Nun fordert er: Rückkehr von Berlin nach Potsdam

Stand:

„Zu den Arbeiterfestspielen sollen keine Ruinen mehr stehen“, sagte ein Feuerwehrmann freimütig. Die Kameraden hatten eine Leiter aufgerichtet, an deren oberen Ende stand ein Fotograf. Der Musenfries des berühmten Bildhauers Gottfried Schadow sollte fotografiert und dokumentiert werden –„und dann ab auf die Müllkippe“, berichtet Christian Wendland. 1966 stand nur noch der Giebel des im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Königlichen Schauspielhauses. Der Widmungsspruch „Dem Vergnügen der Einwohner“ des auf Geheiß von Friedrich Wilhelm II. zwischen 1793 und 1795 errichteten und wegen der Nähe zum Stadtkanal auch Kanaloper genannten Theaters war bereits abgeschlagen. Der Fries von Schadow, das „Fest der Musen und Grazien“, eine Gruppe von Figuren der griechischen Mythologie aus Stuckgips war aber noch gut erhalten.

Nur fotografieren? Nicht bergen, nicht retten das erhaltene Kulturgut? Wendland rannte zum Dekan seiner Fakultät an der Universität Dresden – und der antwortete, er glaube nicht jede „Rias-Ente“. Zurück in Potsdam wird der Student beim stellvertretenden Oberbürgermeister vorstellig. Dessen Reaktion: Der Fries werde nicht geborgen, es gebe keine Gerüstkapazitäten und wer schicke ihn überhaupt?

Kein „Neues Deutschland“ gelesen?, fragte Wendland zurück: „Plane mit, arbeite mit, regiere mit“ – nun, jetzt wolle er mitplanen, nämlich dass der Schadow- Fries erhalten wird. Doch Wendland blitzte ab. Auch das Argument, das Schadow bereits 1955 durch eine Ausstellung der Akademie der Künste der DDR geehrt worden war, machte auf den Bürokraten keinen Eindruck.

Wieder in Dresden, trifft Wendland den obersten Denkmalschützer der DDR, Prof. Deiters, und auch der muss bekennen, er habe sich vergebens um das Musen-Werk bemüht.

Wendland gibt nicht auf. Heute ist er ein 70-jähriger Mann, der sagt, von roten Fahnen wolle er nichts mehr wissen. 444 Tage saß er Anfang der 1960iger Jahre in Gefängnissen, weil er den Umgang der DDR mit dem Bauerbe kritisierte. Dennoch geht er zu Horst Milde, Professor am Institut für Marxismus-Leninismus. Dieser lehrte Theorie der Architektur „und war bestens informiert über die Qualität des Schauspielhauses“, errichtet von Michael Philipp Boumann nach Entwürfen von Carl Gotthard Langhans.

Der rote Gelehrte sah in dem auf König-Erlass errichteten Bühnenhaus „französische Revolutionsarchitektur in Preußen“, die natürlich erhalten werden müsse. Revolutionsarchitektur – nur ein ideologischer Kunstgriff, um das Haus den sozialistischen Stadtvätern schmackhaft zu machen? „Nicht unbedingt“, sagt Wendland: Immerhin war das Haus „Dem Vergnügen der Einwohner“ gewidmet, „also allen, ob König oder Kutscher“, begeistert sich Wendland: „Das war eine kulturpolitische Revolution von oben.“

Der Marxismus-Leninismus-Professor verfasste ein zwölfzeiliges Protest-Telegramm, dass der Dekan zwar noch entschärfte, aber zusammen mit anderen Einwürfen in Potsdam offenbar zum Umdenken führte. Als Wendland vier Wochen später wieder nach dem Kanaloper-Giebel sah, war dieser eingerüstet und Leute in weißen Kitteln waren gerade dabei, das Schadow-Fries abzumontieren.

Es wurde zunächst in Berlin eingelagert und dann an den Innenwänden des 1968 wiedererrichteten Kronprinzpalais in drei getrennten Teilen angebracht. Dort kann es seit langem niemand mehr sehen, weil sich der Berliner Senat und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben seit Jahren um das Haus an der Straße Unter den Linden vor Gericht streiten.

„Es ist unbedingt notwendig, das dieses Kunstwerk Schadows wieder dem Vergnügen der Einwohner Potsdams dient“, fordert Wendland, gebürtiger Berliner und Potsdamer Lokalpatriot. „Auf dieses Fries haben die Potsdamer einen Anspruch“, so Wendland weiter. Und auch die Potsdamer Stadtverordnete Saskia Hüneke findet: Die Schiffbauergasse wäre genau der richtige Ort für das Werk. „Ich wünsche es mir sehr dringend zurück“, so die Bündnisgrüne, „aber ich weiß, dass es schwierig wird.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })