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Sport: Wieder mal weltrekordverdächtig

Die Brandenburgerin Martina Willing will bei den Paralympics Medaillen sammeln

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Die Brandenburgerin Martina Willing will bei den Paralympics Medaillen sammeln Von Klaus Weise Die Olympischen Spiele sind das Größte in der Welt des Sports. Doch nur gleich danach kommen die Paralympics, das Olympia der behinderten Athleten. Die besten Sportler mit Handicap treffen sich vom 17. bis 29. September in Athen, um an den gleichen Wettkampfstätten wie die El Guerroj, Phelps oder van Almsick um Medaillen zu kämpfen. Zu den 213 deutschen Paralympics-Teilnehmern gehören zehn Brandenburger Starter. Sie wollen an das erfolgreiche Abschneiden des Bundeslandes bei den Spielen der „Fußgänger“ (Behinderten-Jargon für die Nichtbehinderten) – Brandenburger waren an fünf olympischen Goldmedaillen beteiligt – mit der kleinen, aber feinen Delegation anschließen. „Wir haben deshalb in der Vergangenheit auch nicht auf Cent und Euro gesehen, um optimale Möglichkeiten zu schaffen“, sagte Brandenburgs Sportminister Steffen Reiche. „Aus einem Landesleistungszentrum 1990 sind inzwischen vier geworden. Das ist erfreulich.“ Aushängeschild der Brandenburger Paralympics-Starter in Athen dürfte die 44-jährige Leichtathletin Martina Willing (Stahl Brandenburg) sein, die gleich mit einem Medaillen-Dreierpack zur Edelmetall-Ausbeute beitragen will. Die Rollstuhlsportlerin, die zudem durch Blindheit doppelt behindert ist, wird in allen drei Wurf- und Stoßdisziplinen antreten. Sie ist in ihrer Schadensklasse sowohl mit Kugel, Speer als auch Diskus jeweils Weltrekordlerin. Das freilich garantiert noch lange kein paralympisches Gold. Denn in Athen werden jeweils mehrere Klassen zusammengelegt und über ein Punktsystem eine Relation hergestellt. Sieger kann durchaus jemand werden, der in nackten Zahlen ein schlechteres Ergebnis aufweist als die nachfolgenden. „Kein sonderlich fördernder Umstand für die öffentliche Wahrnehmung“, findet Martina Willing. Sie will, auf ihre Schadensklasse F 56 bezogen, in allen drei Disziplinen neue Weltrekorde aufstellen, „aber zu welchen Plätzen das reicht, muss man abwarten“. Fakt ist, dass sie in guter Form ist. Beim Abschiedssportfest der deutschen Paralympics-Leichtathleten am Wochenende im Berliner Sportforum stieß sie mit der Kugel 8,37 Meter – ihr eigener offizieller Weltrekord (solche Bestmarken werden nur bei internationalen Meisterschaften anerkannt) steht bei 8,01 m, ihre „inoffizielle“ Topleistung bei 8,43 Meter. „Das lässt sich schon ganz gut an“, meinte sie gut gelaunt, „mit ein bisschen mehr Schmackes ist in Athen ein neuer Rekord fällig.“ In ihrer Behindertensport-Karriere hat sie bislang bereits 21 Rekorde erzielt, die Mehrkampf-Marke von Barcelona 1992 hat immer noch Bestand. Und ehrgeizig und hungrig nach sportlichem Erfolg ist Martina Willing, die inzwischen „auf dem 23. Bildungsweg“ als Compense-Bioenergetikerin arbeitet, immer noch. „Mal satt zu sein, nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Auch wenn das Schicksal sie besonders gebeutelt hat. Von Geburt an sehbehindert und mit 21 Jahren völlig erblindet, gewann sie 1992 in Barcelona mit dem Speer Gold, zwei Jahre später bei den Winter-Paralympics in Lillehammer Silber mit der Ski-Staffel. Im abschließenden Einzelrennen in Norwegen stürzte sie, weil ihr Begleitläufer zu langsam war. Bei der folgenden Knieoperation führte eine Blutung im Rückenmark als Folge der Betäubungsspritze zur Querschnittslähmung. Schon zwei Jahre später bei den Paralympics gewann Martina Willing wieder Gold im Speerwerfen – diesmal aber startete die Frau mit der dunklen Brille nicht bei den Sehbehinderten, sondern als einzige Blinde bei den Rollstuhlfahrern. „Man darf halt im Leben nie aufgeben oder den Mut verlieren, egal, wie hart einen das Schicksal auch trifft“, sagt sie und verblüfft ihre Umwelt stets aufs Neue mit grenzenlosem Optimismus und hintersinnigem Humor. „Wer das Lachen verlernt, der hat wirklich einen ernsthaften Schaden. Aus allem anderen kann man immer noch etwas machen“, meint sie. In Sydney stockte Martina Willing ihre paralympische Medaillenbilanz um Silber im Kugelstoßen auf, im Speerwerfen wurde sie Vierte. Auch Athen, so erzählt die doppelte Paralympics-Siegerin, dreifache Welt- und 13-malige Europameisterin bei der Berliner Generalprobe für die Paralympics, soll keineswegs das Ende sein. „Ich bin jung genug, um Peking anzugehen – ob es dann für ein altes Weib wie mich nochmal reichen wird, muss man abwarten.“ Zwar ist die finanzielle Absicherung fürs Sporttreiben alles andere denn einfach, „aber die Grundbasis bekomme ich über die deutsche und Brandenburger Sporthilfe, den Verein und ein paar kleinere Unterstützer schon zusammen.“ Dass in den vergangenen zwei, drei Jahren „größere Katastrophen“ bei Martina Willing ausgeblieben sind, schiebt sie auf den Job. „Seitdem ich Bioenergetikerin bin, weiß ich mich zu regulieren. Manchmal fehlt mir jetzt sogar ein Quantum Impulsivität“, sagt sie und macht auch daraus etwas Positives: „Besser kontrolliert zum Gold als gar nicht!“

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