
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Wir gehören hierher, nicht in die Pampa“
Arbeitsbedingungen für die Kreativwirtschaft in Potsdam sind nicht gut – es fehlen Räume. Künstler vermissen politischen Willen
Stand:
Wohin mit der Kunst? Was kann eine Stadt tun – und kann sie überhaupt etwas tun – , damit die Unternehmer der Kreativwirtschaft, die ja weitaus mehr umfasst als die bildenden Künste, in ihr auskömmlich leben können?
Diese Frage stellten sich die Teilnehmer einer Gesprächsrunde, zu der am Donnerstagabend ins Kunsthaus „Sans Titre“ eingeladen wurde. Initiatorin war Katja Dietrich-Kröck, Koordinatorin für Kreativwirtschaft im Land Brandenburg, eine Stelle, die vor einem Jahr extra für sie und hinsichtlich der Brisanz des Themas geschaffen wurde.
Der Tagungsort im Kunsthaus in der Französischen Straße hat einen unmittelbaren Bezug zum Thema: 2009 bezogen Künstler diese Industriebrache, nachdem sie bereits zwei Umzüge innerhalb der Stadt hinter sich hatten, jedes Mal, nachdem sie die Immobilie mit privaten Mitteln grundsaniert hatten. „Das ist das Kernproblem: Wir sind mit Bauen beschäftigt, statt künstlerisch tätig zu sein. Und auch jetzt wissen wir nicht, wie es weitergeht. Unser Mietvertrag mit der PWG 1956 läuft 2013, spätestens 2014 aus. Wir brauchen, wie alle in der Branche, langfristige Planungssicherheit“, sagte Constanze Henning von „Sans Titre“.
Doch wie den scheinbaren Widerspruch Wirtschaft und Kreativität auflösen? Hermann Voesgen, Professor an der Potsdamer Fachhochschule, fragte in die Runde, ob es nicht Spielraum in der städtischen Liegenschaftspolitik gäbe, den man geschickter und mit dem Willen der Stadt nutzen könnte. Denn darauf hatte Vereinsvorsitzender Chris Hinze verwiesen: Der umkämpfte Wohnungsmarkt verhindere in Potsdam, was woanders vielleicht noch möglich ist: „Wenn wir nicht auf die Bedingungen des Vermieters eingegangen wären, hätten wir das Haus nicht bekommen“, so Hinze. Da könne man sich noch so schöne Vertragsbedingungen ausdenken, wie sie Immobilienexperte Thomas Ehrich als Absicherung vorgeschlagen hatte. Sehr gern würde der Sans Titre e.V. das Haus kaufen, aber, so auch Meinungen aus dem Publikum, in Potsdam warte jeder Immobilienbesitzer auf Hoteliers, von denen noch mehr zu holen ist. Kunst habe keinen guten Leumund.
Potsdams dienstältester Galerist Rainer Sperl appellierte diesbezüglich an Zweckoptimismus und Durchhaltewillen, die Künstler normalerweise auszeichneten und mit denen sich auch schwierige Zeiten überstehen ließen. Der städtische Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs sah die Lösung woanders. „Wir brauchen Verrückte mit Kohle“, sagte Frerichs, der ebenfalls auf dem Podium saß. Denn die vornehmliche Aufgabe der Stadt, der kommunalen Bauholding Pro Potsdam beispielsweise, sei die Wohnraumbeschaffung. „Und wir schaffen ja nicht mal das.“ Einige der rund 50 Gäste der gut besuchten Veranstaltung sahen das anders. „Wo ist denn eigentlich die Kulturbeigeordnete?“, wurden Zwischenrufe laut. Voesgen fasste die Problematik so zusammen: Die Stadt gibt viele Fördermittel für die Kultur aus, bietet der freien Kreativwirtschaft aber eher ungünstige Arbeitsbedingungen. Da müsse mehr politischer Wille her, das zu ändern. Einige Gäste wurden gleich konkret und nannten Brachen, Hebbelstraße 1 und Sellostraße Ecke Zeppelinstraße, die sie sich als Künstlerhäuser vorstellen könnten.
Stefanie Raab vom coopolis Planungsbüro berichtete von einer Privatinitiative, die Mut machen sollte: Der Potsdamer Unternehmer Christoph Miethke hat gerade beispielhaft in einen Kunst- und Kreativstandort in Oranienburg investiert. Nur eben leider nicht in Potsdam, wie manche Besucher bemerkten. Denn trotz der hohen Mieten glauben diese an eine Zukunft in ihrer Stadt: „Wir gehören hierher zu unserem Publikum, nicht irgendwo in die Pampa.“ Vielleicht könne man in Einzelfällen ja etwas machen, bot Wirtschaftsförderer Frerichs zuletzt seine Hilfe an: Zwar könne man keine Kulturabgabe einführen, aber die Stadt habe ja Hasso Plattner – den Software-Milliardär und Kunstmäzen, dessen Kunsthallen-Geschenk die Stadt erst vor einem halben Jahr verschmäht hatte.
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