zum Hauptinhalt

Homepage: „Wir haben keine Trendwende“

Der Vizepräsident der Universität Potsdam, Andreas Musil, über den unerwarteten Rückgang von Studienanfängern im Wintersemester „Studienplätze werden nicht gezielt verknappt“

Stand:

Herr Musil, in diesem Jahr gab es überraschend elf Prozent weniger Neuimmatrikulierte an der Universität Potsdam. Wie kommt es zu diesem Rückgang?

Bei der Gesamtstudierendenzahl liegen wir nun tatsächlich rund 1000 Personen unter dem Vorjahr: statt 21 000 haben wir nun 19 972 Studierende. Dieser Rückgang liegt an vielen Faktoren. Wir haben rund 500 Langzeitstudenten erfolgreich mit einem Abschluss entlassen können. Hinzu kommt ein Rückgang bei den Studienanfängern. Hintergrund ist hier in erster Linie der doppelte Abiturjahrgang, der uns im Wintersemester 2012/13 höhere Studienanfängerzahlen beschert hatte. Nun haben wir in etwa wieder den Stand von 2011 erreicht. Also eher eine Normalisierung als ein Rückgang.

Wie ist es gelungen, Langzeitstudenten zum Abschluss zu bringen?

Wir haben jeden Einzelnen durch Beratungs- und Betreuungsangebote dazu gebracht, nach Möglichkeit einen Abschluss zu machen. Das haben viele von ihnen wirklich ernst genommen. Und diese 500 Absolventen freuen uns wirklich besonders.

Wurden auch Studienplätze künstlich verknappt?

Auf keinen Fall. Das ist nicht unsere Strategie. Wir haben die Überlast, die wir letztes Jahr beispielsweise in der Rechtswissenschaft hatten, ein wenig korrigiert. Diesmal haben wir statt 400 rund 300 Plätze zur Verfügung gestellt. Das war aber keine gezielte Verknappung, sondern vielmehr eine technische Reaktion auf die sehr starke Auslastung im letzten Jahr.

Die Zahl der Bewerbungen ist gleichbleibend hoch, wie kommt es dann überhaupt zu weniger Studienanfängern?

In anderen Bundesländern gab es in diesem Jahr noch doppelte Abiturjahrgänge, sodass die Bewerberzahlen bundesweit ziemlich hoch waren. Nur haben davon im Osten weniger Bewerber schließlich auch ihren Studienplatz angenommen. Es gibt eine sehr hohe Bewerberquote, aber das Annahmeverhalten ist für uns unkalkulierbar. Das lässt sich nicht vorhersagen. Letztes Jahr haben wir im ersten Hauptverfahren relativ schlechte Annahmequoten gehabt und im Nachrückverfahren ist dann alles voll geworden. Diesmal hatten wir bessere Annahmequoten im ersten Hauptverfahren, uns hatten also tatsächlich viele als Erstwunsch gewählt. Im Nachrückverfahren kam dann aber kaum noch etwas nach. Das kann damit zu tun haben, dass im Westen die Hochschulkapazitäten mit Blick auf die doppelten Abiturjahrgänge ausgeweitet wurden. Bewerber bevorzugen nämlich generell Studienplätze in der Nähe ihrer Heimat. Das sind Verzerrungen, die wir kaum beeinflussen können.

Was konnten Sie beeinflussen?

Wir hatten in Absprache mit dem Ministerium etwas weniger Zulassungen als im Vorjahr zur Verfügung gestellt, sodass es zwangsläufig dieses Jahr weniger werden musste. Hintergrund dafür war, dass wir im vergangenen Jahr in einigen Fächern erheblich mehr Studierende aufnehmen mussten als gedacht. Dazu kam dann eben noch das unerwartet geringere Annahmeverhalten der Bewerber.

In welchen Fächern haben Sie weniger Studierende aufgenommen?

Eine ganze Reihe von Studiengängen in allen Fakultäten ist betroffen. So haben wir Rückgänge in einigen unserer Zwei-Fächer-Bachelorstudiengänge, aber auch beispielsweise in Mathematik und Chemie, in manchen Lehramtsfächern und wie schon erwähnt in der Rechtswissenschaft. Hinzu kommt beispielsweise noch ein Rückgang durch die Umstellung der Informatik auf Computational Sciences. Das neue Angebot ist bei den potenziellen Interessenten noch nicht bekannt genug.

Eigentlich wähnen sich die Potsdamer Hochschulen auf der sicheren Seite. Auch wenn aus Brandenburg weniger Abiturienten kommen, so gab es bislang immer regen Zulauf aus Berlin und den alten Bundesländern. Ändert sich das nun?

Wenn die Zahlen in einem Jahr ein wenig anders sind, bedeutet das noch keine Trendwende. Außerdem haben wir immer noch eine hohe Bewerberquote, bei den Bewerbungen sind wir siebenfach überbucht. Das unkalkulierbare Annahmeverhalten der Bewerber wollen wir in Zukunft mit dem „Dialogorientierten Serviceverfahren“, dem Nachfolger der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), ein wenig berechenbarer machen. Bei Psychologie und Jura haben wir hier bereits gute Erfahrungen gemacht.

Also wird es in den nächsten Jahren nicht leerer an der Potsdamer Uni?

Nein, vielmehr gehe ich davon aus, dass es im nächsten Jahr eher wieder voller wird. Nicht so stark wie 2012/2013, aber es wird sich auf relativ hohem Niveau stabilisieren. Voraussetzung ist natürlich das Vorhandensein entsprechender Ressourcen.

Die Uni will die Qualität in der Lehre erhöhen. Gleichzeitig sind einige Bereiche überlaufen. So gesehen dürfte Ihnen der Rückgang der Studierendenzahlen doch gelegen kommen.

Vordergründig ja, aber eigentlich ist das nur eine scheinbare Entlastung. Erstens gab es nur einen geringfügigen Rückgang. Zweitens könnte ein längerfristiger Rückgang vom Land zum Anlass genommen werden, die Finanzierung herunterzufahren. Für uns wäre es keine sinnvolle Strategie, Studienplätze leerlaufen zu lassen.

Liegt darin auch ein gewisses Risiko?

Ganz klar, wir würden nie strukturell darauf bauen, Studienplätze unbesetzt zu lassen. Das würde der Landesregierung signalisieren, dass Angebote nicht ausgelastet oder nicht attraktiv sind. Es wird unser Ziel bleiben, unsere Studienangebote auch auszulasten.

Die Ausstattung der Studienplätze wollen Sie trotzdem verbessern?

Natürlich. Die Ausstattung ist auch im Bundesvergleich nicht gut. Die Ausfinanzierung der Studienplätze ist nicht hinnehmbar. Im Grunde werden wir finanziell so behandelt wie eine Fachhochschule. Das ist nicht adäquat, wir sind eine Universität und Brandenburgs größte Hochschule. Wir werden weiter mit der Politik verhandeln, um hier Verbesserung zu erzielen.

Welche Strategie verfolgt die Universität bei den Studienplätzen?

Wir haben eine ganz klare Zukunftsstrategie, wir wollen unsere Studiengänge weiter profilieren und gegenüber den Berliner Angeboten inhaltlich absetzen. Wir entwickeln beispielsweise Mono-Bachelorangebote – etwa in einigen geisteswissenschaftlichen Fächern –, die mehrere Fachkomponenten kombinieren. Zweifachangebote wollen wir einschränken, sie führen stark zu unkalkulierbaren Studienverläufen und schlechten Absolventenbilanzen. In diesen Bereichen wollen wir uns profilieren. Im Masterbereich wollen wir uns noch stärker auf unsere forschungsstarken Bereiche ausrichten. Unser Ziel ist es, trotz der großen Konkurrenz im Hochschulbereich weiterhin viele gute Bewerber anzuziehen. Zudem setzen wir auf eine bessere Ausfinanzierung unserer Studienplätze.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Andreas Musil (42)

ist Vizepräsident für Lehre und Studium der Universität Potsdam. Der Professor für Öffentliches Recht ist Richter am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })