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Kriegsverletzung. Der behandelnde Arzt Lars-Peter Götz steht im Klinikum „Ernst von Bergmann“ am Bett von Mahmud Elhamiady. Schon sechs Mal musste der Patient wegen seiner Schussverletzung operiert wurden. Metallstangen halten sein Bein zusammen.

© dpa

Landeshauptstadt: „Wir kämpfen um sein rechtes Bein“

Mahmud Elhamiady wird im Potsdamer Klinikum behandelt. Im Krieg in Libyen wurde sein Bein zerfetzt

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Trotz aller Bilder im Fernsehen ist der Krieg in Libyen abstrakt, die Zahl der Todesopfer und die noch größere Zahl der Verletzten sind kaum begreifbar. Im Krankenzimmer in der Unfallchirurgie im fünften Stock des Potsdamer Klinikums „Ernst von Bergmann“ ist der Schrecken ganz konkret. Es ist das Zimmer, in dem Mahmud Elhamiady seit Anfang November liegt. Der 27-Jährige stammt aus Libyen und ist schwer verletzt.

„Ein schwerer Schussbruch mit begleitenden Weichteil-, Gefäß- und Nervenschäden“, so die medizinische Beschreibung dessen, was der Student erlitten hat. Man könnte auch sagen, dass sein rechter Unterschenkel von einem Geschoss beinahe komplett zerfetzt wurde. Auf dem Röntgenbild sieht man, dass ein ganzes Stück Knochen fehlt, ringsum Knochensplitter. Das Bein wird von sogenannten externen Fixaturen zusammengehalten – Metallgestänge, die mit den Knochen verschraubt sind. Das Loch in seinem Bein ist etwa 15 Zentimeter groß. Der ganze Unterschenkel ist verbunden. Am Mittwoch wurde er zum sechsten Mal operiert, seitdem er in Potsdam ist. „Wir kämpfen um sein Bein“, sagt der behandelnde Oberarzt Lars-Peter Götz. Ob er Erfolg haben wird, weiß er nicht. Mit den Operationen sollen zunächst Bakterien aus der Wunde entfernt werden. Später soll der Knochen mit einer Stahlplatte und Knochenmark aus seiner Hüfte wieder aufgebaut werden. Klappt das nicht, droht die Amputation. Doch auch im besten Fall wird das Bein von Mahmud nie wieder so sein wie vor dem Krieg.

Der Wirtschaftsstudent Elhamiady aus dem libyschen Saudia ist einer von zwei Kriegsopfern, die noch im Potsdamer Klinikum behandelt werden. Seinem Zimmernachbarn, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung sehen möchte, geht es vergleichsweise besser. Auch er hat eine Schussverletzung am Bein, ist aber auf dem Weg der Besserung. Insgesamt hat das Klinikum seit Anfang November acht Männer und eine Frau aus Libyen aufgenommen, die bei den Kämpfen zum Sturz des Diktators Gaddafi verletzt wurden. Sie alle hatten Brüche und Splitterverletzungen durch Schüsse oder Explosionen erlitten. Die Hilfsorganisation Almeda GmbH sorgte im Auftrag der libyschen Übergangsregierung, die auch für die Kosten aufkommt, für den Transport der Verletzten nach Deutschland. 25 Menschen aus Libyen wurden in brandenburgischen Krankenhäusern versorgt. Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) besuchte am gestrigen Donnerstag die Patienten und dankte den Klinikmitarbeitern.

Mit Verletzungen dieser Schwere sei das Klinikum vertraut. „Allerdings haben wir es sonst meist mit Opfern von Verkehrsunfällen zu tun“, sagte Oberarzt Götz: „Kriegsopfer habe ich vorher noch nicht behandelt.“ Auch sei die Kommunikation schwierig: Obwohl es auch arabischsprachiges Klinikpersonal gebe, sei der unmittelbare Kontakt mit dem Patienten für den Arzt erschwert. Kulturell habe man sich arrangiert: Die Klinikküche biete ohnehin fleischlose Kost an, so dass die muslimischen Patienten Schweinefleisch meiden können. Und mittlerweile hätten die Patienten verstanden, dass ihnen in einem deutschen Krankenhaus auch Frauen etwas zu sagen haben.

Glücklich sei er, sagt Mahmud, dass der Diktator nach 42 Jahren endlich gestürzt sei. Und für seine Genesung habe er Geduld. Er lächelt. Es ist schwer zu sagen, wie viel von seiner Zuversicht echt ist und was auf die starken Schmerzmittel zurückgeht, die seine Verletzung seit Wochen erträglich machen. Ohne diese Mittel wären seine Schmerzen nicht auszuhalten. Kraft gebe ihm, dass er regelmäßig mit seiner Familie telefonieren kann – und dass es ihr gut geht.

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