Sicherheitsfirmen und die Flüchtlingskrise: „Wir könnten Tag und Nacht registrieren“
Für Sicherheitheitsfirmen gibt es in der Flüchtlingskrise viel zu tun: Michael Goldschmidt, Aufsichtsratschef des Potsdamer Unternehmens GSE Protect, spricht im PNN-Interview über Sicherheit für Asylunterkünfte, organisatorisches Versagen bei der Flüchtlingsaufnahme und fehlendes Personal.
Stand:
Herr Goldschmidt, der Ansturm von Menschen, die nach Deutschland flüchten, verschafft Ihrem Sicherheitsunternehmen viel Arbeit, viele Aufträge.
Die ganze Branche wird in Anspruch genommen und wir partizipieren ebenso. Die Unterkünfte benötigen Schutz, weil sie angegriffen werden – weil es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass man seine neuen Nachbarn freundlich begrüßt.
Manchem ist es nicht geheuer, dass Unternehmen vom Flüchtlingszustrom wirtschaftlich profitieren.
Zu unrecht. Es sind alles Maßnahmen, die nötig sind, um den Zustrom zu bewältigen. Private Unternehmen sind genau dazu da, in dem Maße einzuspringen, wie es die öffentliche Hand auch fordert.
Können Sie die Entwicklung an Zahlen deutlich machen?
Ich schätze, dass die Branche durch die Flüchtlingskrise einen Umsatzzuwachs von 15 bis 20 Prozent hat. In diesem Maße haben auch wir Anteil daran.
Haben Sie mehr Mitarbeiter eingestellt?
Wir haben jetzt 1650 Mitarbeiter und hatten vor einem Jahr zwischen 1300 und 1400.
Finden Sie genügend Menschen, die bei Ihnen tätig werden wollen? Und wenn ja, wie machen Sie das?
Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber, weil wir die vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft festgelegten Standards einhalten. Wir greifen alle gemeinsam auf den Arbeitsmarkt zu. In dem Maße, wie dieser uns Mitarbeiter zur Verfügung stellt, suchen wir die am besten geeigneten Mitarbeiter aus oder schulen und bilden sie bei Bedarf aus.
Können Sie alle Aufträge, die Sie bekommen, auch annehmen?
Mittlerweile ist der Markt eng geworden. Wir könnten viel, viel mehr Aufträge bedienen. Meine Kunden, die Altverträge haben, können sich freuen – denn die neuen müssen mehr bezahlen. Die Stunden werden teurer, weil es nicht mehr genügend gute Leute gibt, wie wir sie für diese Aufträge benötigen. Und wir haben einen hohen Suchaufwand.
Sie schulen Ihre Mitarbeiter auch für den Einsatz in Flüchtlingsheimen.
Ja. Das Wachgewerbe ist nicht darauf vorbereitet, in Flüchtlingsheimen tätig zu sein – auf den Kontakt mit teilweise schwer traumatisierten Menschen aus anderen Kulturen, mit anderen Wertvorstellungen. Das kann man nicht in einer Woche lernen, aber man kann in dieser Zeit auf die wichtigsten Punkte hinweisen. Über eine gute Dienstaufsicht lässt sich zudem verhindern, dass sich Vorgänge aufschaukeln.
Was haben Sie für ein Bild von den Zuständen in und rund um die Flüchtlingsheime, in den Registrierungsstellen und Erstaufnahmen?
Wir sind in vielen Bundesländern tätig – in Brandenburg, aber auch in Bayern, Sachsen und anderen. Ich kann es auch der Presse entnehmen, dass der Wachdienst oftmals im Fokus steht, weil er fehlerhaft auf Situationen reagiert. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Wachdienst oft herhalten muss für das organisatorische Versagen der Verantwortlichen. Wenn der Druck im Kessel hoch ist, weil viele Menschen registriert werden müssen oder sie eine andere Form staatlicher Zuwendung benötigen, und das passiert dann nicht oder nur unzureichend – dann entstehen Lagen, die gefährlich sind, die sich aufschaukeln können. Damit fertig werden muss dann der Sicherheitsdienst. Das muss so nicht sein. Das kann man anders organisieren.
Das unrühmliche Beispiel ist das Lageso in Berlin?
Wenn Sie mir das so in den Mund legen, kann ich da nicht nein sagen.
Sie übernehmen als privates Unternehmen in einigen Bundesländern die Registrierung verschiedener Daten der Flüchtlinge. Warum geht das nicht überall, wo es dringend wäre, schneller zu sein?
Es ist möglich, man muss uns nur beauftragen. Wir dürfen das tun. Man kann uns auch öffentlich beleihen, dann können wir mit diesen Daten umgehen. Wir nutzen die Datenerfassungsgeräte, die vorhanden sind – und zwar zu Zeiten, wo vielleicht ein öffentlich Bediensteter nicht arbeiten kann. Damit stellen wir eine kontinuierliche Erfassung sicher. Warum das an einem Ort gemacht wird, anderenorts nicht, kann ich nicht sagen. Vielleicht fehlt der politische Wille.
Mit anderen Worten: Ihre Mitarbeiter könnten bei Bedarf Tag und Nacht Flüchtlinge registrieren?
Ja, das könnten wir. Tag und Nacht.
Die Fragen stellte Sabine Schicketanz
ZUR PERSON: Michael Goldschmidt, Jahrgang 1955, ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz mbH, bekannt als der Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz mbH, bekannt als GSE Protect. Zuvor war er seit 1998 Geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens mit Hauptsitz im Potsdamer Stadtteil Drewitz.
Gegründet wurde GSE Protect 1977 in Berlin-Charlottenburg unter dem Namen „Deutsche Wachgesellschaft Wert- und Sicherheitstransporte mbH“. 1993 zog das Unternehmen nach Potsdam. Der Umsatz lag nach eigenen Angaben bei 23 Millionen Euro im Jahr 2012, 25 Millionen Euro in 2013 und 28 Millionen Euro in 2014.
Bundesweit gibt es elf Standorte, neun im Norden und Osten Deutschlands. Das Unternehmen gehört seit 2013 zu den Kooperationspartnern des Landes Brandenburg in der Initiative gegen Rechtsextremismus „Tolerantes Brandenburg“. Das Unternehmen gehört seit 2013 zu den Kooperationspartnern des Landes Brandenburg in der Initiative gegen Rechtsextremismus „Tolerantes Brandenburg“. Goldschmidt ist verheiratet, Vater von vier Kindern und lebt im Potsdamer Umland. Er war bis Anfang November dieses Jahres Präsident des Universitäts- Judo- und Kampfsportclub Potsdam e.V. (UJKC) des Universitäts- Judo- und Kampfsportclub Potsdam e.V. (UJKC)und ist jetzt dessen Schatzmeister sowie engagiert im Förderverein des Clubs. Seine Hobbys sind Wassersport, Laufen und Doppelkopf-Spielen.
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