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ZUR PERSON: „Wir sind nicht mehr das Stiefkind“

Kunstvereins-Chefin Silke Albrecht über die zeitgenössische Bildende Kunst in Potsdam

Stand:

Frau Albrecht, im jüngsten Kulturausschuss wurde über die zeitgenössische Bildende Kunst in Potsdam gesprochen. Wie es scheint, geht es ihr so gut wie nie zuvor.

Gut ist immer relativ. Ich würde sagen, der Patientin geht es besser. Sie ist aber nicht gesund. Durch die kulturpolitischen Konzepte, die vor gut zwei Jahren auf den Weg gebracht wurden, ist eine deutliche Verbesserung zu erkennen. Das ist aber immer noch viel zu wenig. Wir sind aber zumindest nicht mehr das Stiefkind, das wir vor wenigen Jahren noch waren.

Wo erkennen Sie die Fortschritte?

Sicherlich bei der Aufstockung des Projektmitteletats von 116 000 Euro auf 348 000 Euro. Im Vergleich mit anderen Städten in gleicher Größenordnung und anderen Landeshauptstädten ist die Summe aber verschwindend gering. Dennoch sehen wir ein erstes Signal der Stadt, dass sich hier das Bewusstsein ändert. Insgesamt ist das Bewusstsein für aktuelle Kunst in der Stadt stärker geworden. Dafür haben die Träger und Initiativen massiv geworben.

Immer wieder wurde in der Vergangenheit gefordert, dass die Gegenwartskunst auch Besucher von außerhalb nach Potsdam holen sollte. Ist das gelungen?

Unsere eigenen Erfahrungen als Verein sind sehr positiv. Vom Kölner Museumsdirektor bis zum Berliner Sammler haben wir ein Publikum an uns gebunden, das von Potsdam geradezu erwartet, als Landeshauptstadt in der ersten Liga zu spielen. Wir haben unseren Ruf auch in Berlin etabliert, andere Institutionen arbeiten ebenfalls an ihrem Profil. Es gibt in Potsdam aber noch Vermittlungsbedarf für diese verbindende Perspektive.

Vielleicht ist der Potsdamer noch nicht bereit für die zeitgenössische Bildende Kunst?

Das ist ein Vorurteil, das nach und nach aussterben wird. Wer immer sich aber in Potsdam für die Bildende Kunst interessiert, wird sagen, dass noch viel mehr Öffentlichkeitsarbeit nötig ist.

Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit auch durch die Stadt?

Ja, da sind wir mittlerweile auch in sehr guten Gesprächen. Letztendlich steht und fällt alles mit den Finanzen.

Und das Einwerben von privaten Geldern aus der Wirtschaft? Wie wirksam kann dies in Potsdam für die zeitgenössische Bildende Kunst sein?

Wir sind da immer wieder dran. Allerdings ist Potsdam kein einfacher Standort.

Warum?

Viele Firmen, die wir in den vergangenen zwei Jahren angesprochen haben, folgen der Politik, dass sie Kunst am Mutterstandort fördern. Wenn sie sich dann in ihren Zweigstellen, wie hier in Potsdam, engagieren, dann meist für soziale Projekte. Es kommt aber auch vor, dass Kunst beispielsweise aus München eingeflogen wird. Um das zu ändern, würde natürlich eine stärkere Werbung und Unterstützung von städtischer Seite sehr hilfreich sein.

Ist es nicht ein bisschen einfach, bestimmte Verantwortungen immer auf die Stadtverwaltung zu schieben.

Nein, darum geht es uns überhaupt nicht. Wie Birgit-Katharine Seemann, Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum, gesagt hat, müssen wir zusammen auf die Wirtschaft zugehen und gemeinsam werben. Kunst ist ein Wirtschaftsfaktor in jeder modernen Metropole. Die Stadt muss sich engagieren, damit die Förderung Zugkraft auch für die Privaten erlangt.

Wenn Firmen beispielsweise Kunst aus ihren Mutterstädten nach Potsdam holen, kann es nicht vielleicht auch daran liegen, dass hier ein entsprechendes Angebot an guten Künstlern fehlt?

Nein, es gibt nicht nur sehr gute Kunst vor Ort, es gibt auch eindrucksvoller Sammler und gute Galerien. Dieses Kapital, mit dem sich wuchern lässt, ist ja nicht allein auf Potsdam beschränkt, sondern umfasst die gesamte Region Berlin und Brandenburg.

Wie soll es nun weitergehen mit der zeitgenössischen Bildenden Kunst in Potsdam?

Das Programm muss weiter ausgebaut und verstetigt, Planungssicherheit muss gewährleistet werden. Man muss nicht nach Berlin fahren, um spannende Kunst zu sehen. Hier setzen wir ganz stark auf den Dialog mit der Stadt. Wir müssen die Marke „Bildende Kunst“ noch besser herausarbeiten, damit Potsdam neben der Musik, dem Theater und den Schlössern und Gärten etwas hat, was auch langfristig neue Besucher in die Stadt lockt.

Gibt es da konkrete Projekte?

Ja, da sind wir unter anderem mit den Hotels im Gespräch. Die „Kunst-Genuss-Tour“ im Sommer ist in dieser Hinsicht ein absoluter Erfolg. Da kommen auch viele Besucher aus dem Umland und ganz Brandenburg.

Im Kulturausschuss wurde unter anderem auch gefordert, regionale Künstler verstärkt zu fördern.

Zuerst einmal muss es darum gehen, in der Stadt ein Profil von zeitgenössischer Bildender Kunst zu schärfen. Die Frage ist doch, warum Potsdamer Künstler wie Göran Gnaudschun oder Steffen Mühle nicht am „Tag des offenen Ateliers“ teilnehmen.

Ist diesen bekannten Künstlern das Konzept zu provinziell?

Was heißt provinziell? Ich würde eher sagen, dass Profil ist nicht geschärft. Gerade die guten Künstler können sich aussuchen, wo sie ausstellen. Sie wollen nicht an einem städtischen, sondern an einem internationalen Maßstab gemessen werden. Es gibt zwar immer wieder Bemühungen, alle Künstler unter einen Hut zu bekommen, aber wichtig ist, Prioritäten zu setzen und Netzwerke zu fördern. Regionale Kunst zu fördern ist gut, aber regionale Kunst darf sich nicht isolieren. Potsdam muss ein Leuchtturm im Land und in der Region sein.

Was halten Sie nun von der Forderung, die regionalen Künstler beispielsweise durch günstige Mieten für Ateliers oder durch Stipendien zu fördern?

Günstige Mieten für Ateliers begrüße ich auf jeden Fall. Da gibt es ein großes Defizit in der Stadt. Bis auf das Künstler- und Gründerzentrum Puschkinallee, das vor einer ungewissen Zukunft steht und dem Neuen Atelierhaus Panzerhalle, einer privaten Initiative in Groß Glienicke, gibt es hier, soweit ich weiß, keine städtischen Atelierräume. Es gibt aber genug Örtlichkeiten, die sich eignen würden.

Liegt es vielleicht auch an der fehlenden Initiative der Künstler selbst?

Ja, denn es gibt nicht wirklich eine Lobby unter den Künstlern innerhalb der Stadt. Als ich vor drei Jahren nach Potsdam kam, war es extrem schwierig die Künstler auszumachen, weil es keine Szene gibt. Da fehlt einfach ein Sprachrohr.

Und das Thema Stipendien?

Das finde ich zwiespältig. Natürlich ist es immer wünschenswert, Stipendien auszuschreiben. Aber gerade weil die öffentlichen Gelder so knapp sind und im Bereich der Bildenden Kunst so wenig Mittel zu Verfügung stehen, sollte man in erster Linie in bestehende sinnvolle Strukturen investieren, also Institutionen stärken, die vor Ort bereits konkurrenzfähige Angebote schaffen und Potsdam mit der Welt verlinken.

Kann die vom Brandenburgischen Kunstverein ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft Gegenwartskunst dieses von Ihnen angesprochene Sprachrohr für die Künstler sein?

Wir nehmen diese Funktion wahr, sind aber Verwerter, Aussteller Vermittler. Wir brauchen natürlich auch das Gespräch mit den Künstlern und versuchen, sie soweit es geht zu unterstützen. Wir brauchen aber vor allem auch den Austausch mit Kollegen, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Darum haben fünf so unterschiedliche Institutionen diese Arbeitsgruppe gegründet, um gemeinsame Interessen voranzubringen. Die Künstler sollten unbedingt mit einer eigenen Stimme zu dieser Horizontweitung beitragen.

Gibt es in Potsdam überhaupt eine Szene von bildenden Künstlern?

Es gibt sehr viele Künstler, die hier vor Ort arbeiten, aber viel zu wenig sichtbar sind. In Berlin ist das insofern anders, weil es dort vom Senat geförderte große Atelierhäuser gibt, wo viele Künstler arbeiten und sich so eine entsprechende Szene einfacher bilden kann.

Arbeitet der bildende Künstler in Potsdam also vor allem noch im stillen Kämmerlein?

Viel zu sehr. Aber jetzt ist es an der Zeit, Zukunft zu schaffen. Dabei geht es nicht um Almosen. Der Kreativsektor ist der drittgrößte Arbeitgeber in Deutschland, gleich nach der Autoindustrie. Und er ist verhältnismäßig krisenfest und stärkt das Profil einer ganzen Region. Potsdam muss in seine Institutionen vertrauen und nach vorne schauen. Es gibt noch viel zu tun.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Silke Albrecht, 1974 in Duisburg geboren, ist Geschäftsführerin im Brandenburgischen Kunstverein in Potsdam.

Silke Albrecht studierte Kunstgeschichte, Amerikanistik und Italianistik in Marburg, Bologna und Bochum. Nach ihren Stationen als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Künstlerhaus Schoss Balmoral in Bad Ems und dem „hartware medien kunstverein“ in Dortmund war sie Projektleiterin und Assistentin des künstlerischen Leiters bei beim Zollverein Performing Arts Choreographisches Zentrum Tanzlandschaft Ruhr.

Vor drei Jahren kam Silke Albrecht nach Potsdam und übernahm die Geschäftsführung im Brandenburgischen Kunstverein. D.B.

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