Von Eva Schmid: „Wir waren alle große Kämpfer“
Die Ex-Spionin Marthe Hoffnung-Cohn ist zum ersten Mal wieder in Deutschland und besuchte Potsdam
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Sie ist 1,40 Meter groß, zierlich und über 80 Jahre alt. Ihr Gesichtsausdruck ist interessiert, die Augen hellwach und glänzend, wenn sie ihre Lebensgeschichte erzählt. Eine Geschichte, die viel zu lange unbekannt war und eigentlich ein gutes Drehbuch für einen Spielfilm hergeben würden. Es ist die Geschichte von einer kleinen, blonden und blauäugigen Französin, die jüdisch ist und als Spionin für Frankreich in Nazideutschland tätig war.
Marthe Hoffnung-Cohn ist nun zum ersten Mal nach Kriegsende nach Deutschland zurückgekehrt. Am Samstagabend ist die Seniorin privat zu Gast bei Marcel „Otto“ Yon (FDP) gewesen, zusammen mit DDR-Bürgerrechtlern wie Vera Lengsfeld oder Adam Lauks und auch der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. Sie kamen alle um die spannende Geschichte der französischen Jüdin zu hören, die mittlerweile in Los Angeles lebt. Ihre Memoiren mit dem Titel „Behind Enemy Lines“ sind bisher nur in Frankreich und den USA erschienen.
Alle in ihrer Familie, erzählt Marthe Hoffnung-Cohn, waren große Kämpfer. Ihre sieben Geschwister und ihre Eltern waren im Widerstand gegen die Nazis aktiv. Ihre spätere Spionage-Karriere war nur möglich, weil sie zweisprachig aufgewachsen ist. Geboren am 13. April 1920 in Metz, in Lothringen, wurde ihre Familie kurz vor Beginn des Krieges, 1939, weg von der deutschen Grenze nach Poitiers gebracht. „Der wirkliche Krieg begann erst im Mai 1940, als Deutsche auch Poitiers besetzten“, erzählt sie. Und sie betont, dass Frankreich unter dem Vichy-Regime und die französische Bevölkerung anfangs stark kollaborierten. Das Leben ihrer Familie rettete ein Franzose aus Poitiers, der ohne eine Gegenleistung zu fordern, allen einen Ausweis ohne den Judenstempel besorgte. „Ich habe mich gegenüber all den Menschen, die uns geholfen haben, verpflichtet gefühlt. Das ist einer der Gründe, wieso ich dann in die französische Armee wollte.“ Zwei weitere Gründe waren die Exekution ihres damaligen Verlobten durch deutsche Soldaten sowie die Deportation ihrer jüngeren Schwester nach Auschwitz.
Ende 1944 schaffte sie es dann in die Armee. Bereits zuvor hatte sie immer Probleme, sich Widerstandsgruppen anzuschließen: „Die wollten mich nicht, sie vertrauten einem jungen, blonden und naiven Mädchen einfach nicht. Und was konnte ich ihnen schon beweisen?“ Doch ihre Hartnäckigkeit hatte Erfolg und sie wurde mit einer Einheit an die französisch-deutsche Front geschickt. Per Zufall wurde sie Spionin: Ein Colonel entschuldigte sich bei ihr, dass er der einzigen Dame in der Truppe keine französische Lektüre anbieten könne. Es gäbe nur deutsche Bücher. Doch Marthe Hoffnung-Cohn lächelte und erzählte, sie könne die deutsche Sprache fließend.
Für ihre erste Spionage-Mission in Deutschland benötigte sie 14 Versuche – und als sie für die Grenzüberquerung durchs Feld robbte, hatte sie große Angst. Es war klar, in Deutschland würde ihr als Jüdin so kurz vor der drohenden Kriegsniederlage niemand helfen. „Doch ich war eine gute Schauspielerin.“ In ihrer Rolle als Marta Ullrich sollte sie so tun, als suche sie ihren Mann an der Front. Für den französischen Geheimdienst sollte sie dabei „so viele Informationen wie möglich einholen“. Aus Angst, bei einer Ausweiskontrolle aufzufliegen, nahm sie nie den Zug. Daher ging sie alles zu Fuß, immer wieder von Freiburg, wo sie spionierte, zurück zur Schweizer Grenze am Bodensee. Sie machte zwei große Entdeckungen: einmal die Räumung der Siegfried-Linie im Großbereich Freiburg und zweitens den genauen Standort der restlichen Armee-Einheiten im Schwarzwald.
Marthe Hoffnung-Cohn überlebte den Holocaust als Spionin in Deutschland und „hatte immer viel Glück im Leben“, schmunzelt sie heute. Und sie überlegt: „Vielleicht liegt das ja an meinem Nachnamen – ich heiße ja Hoffnung.“
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