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Interview: „Wir werden in keiner Weise bevorzugt“

Der Immobilien-Unternehmer Theodor Semmelhaack über den Gewoba-Deal, Architektur und sozialen Wohnungsbau in Potsdam

Stand:

Herr Semmelhaack, wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis zu Potsdam?

Es ist ein gutes Verhältnis. Wir sind seit 1992 in der Stadt, unser erstes großes Engagement war in Eiche. Dort haben wir 1000 Wohneinheiten gebaut. Seitdem ist eine große Zuneigung zu Potsdam entstanden und wir haben weitere Wohngebiete neu errichtet, zum Beispiel an der Thaerstraße in Bornstedt, in Fahrland und im benachbarten Werder.

Im Jahr 2000 haben Sie rund 1000 Wohnungen von der damaligen Gewoba gekauft. Die Umstände sorgen bis heute für Schlagzeilen – es wurde der Verdacht laut, Sie könnten bei der Privatisierung bevorzugt worden sein.

Das ist elf Jahre her. Ich erinnere mich daran, dass ein Grundstückspaket von der Gewoba ausgeschrieben worden ist und wir bei einem zweiten Paket wie andere Interessenten auch angeschrieben worden sind. Wie die Ausschreibungen innerhalb der Gewoba gelaufen sind, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur: Wir haben uns seinerzeit sehr schwer getan, diese Wohnungen zu kaufen. Wir hatten einen Leerstand von 30 Prozent in den Objekten, die Immobilienbranche kam aus einer Krise, es handelte sich um einen Streubesitz von kleinteiligen Zwei-Familien-Häusern bis zum 16-stöckigen Plattenbau im sozialen Brennpunkt. Es war damals nicht einfach, eine Bank davon zu überzeugen, mir dieses Paket zu finanzieren. Dass es im Nachhinein betrachtet eine richtige Entscheidung war – das ist mein Job.

Was hat Sie damals bewogen, die 26,3 Millionen Euro für die Wohnungen und Immobilien auszugeben?

Wir haben an Potsdam geglaubt, sonst hätten wir uns als Schleswig-Holsteiner nicht in der Stadt engagiert. Wir hatten ja auch andere Möglichkeiten, in Rostock oder Schwerin beispielsweise.

Was hat für Sie den Ausschlag für Potsdam gegeben?

Die Entwicklungsfähigkeit. Die Nähe zu Berlin. Die Kultur. Die Kaufkraft.

Das reichte, um von der Gewoba im Jahr 2000, als Potsdam noch Jammerhauptstadt des Ostens war, auch viele unattraktive Wohnungen zu erwerben?

Wir sind Immobilienentwickler und -bestandshalter und wir haben Fantasie. Nehmen Sie das Residenz-Hotel in der Saarmunder Straße in der Waldstadt. Viele haben mich viele seinerzeit für verrückt gehalten, das zu kaufen. Es war ein leerstehendes Hotel, ein Plattenbau – und heute ist es ein Seniorencampus mit 450 Seniorenwohnungen. Wir errichten dort in Kürze noch ein weiteres Pflegeheim. Es ist eben Fantasie, die man braucht. Und es ist mein Job, richtige Standorte zu suchen und daraus etwas Gutes zu machen.

Sie haben sich im Privatisierungsverfahren der Gewoba, bei dem Ungereimtheiten gesehen werden, einwandfrei verhalten?

Ja. Welche Ungereimtheiten soll es gegeben haben? Wir sind angesprochen worden, haben uns beworben und den Zuschlag bekommen. Ist es eine Ungereimtheit, dass ich acht Jahre später den Handballverein in Potsdam sponsere, wozu mein Hausarzt mich überredet hat?

Ungereimtheiten werden nicht in Ihrem Sponsoring gesehen, sondern im Akt der Privatisierung des städtischen Vermögens durch die Gewoba. Der Fernsehmoderator Günther Jauch, der in Potsdam auch Immobilien besitzt, schrieb bekanntlich zum Verfahren an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), dass die Gewoba „unter Bedingungen, die nahelegen, dass außer Herrn Semmelhaack kein anderer beim Erwerb zum Zuge kommen sollte“, verkauft habe.

Wenn eine Ausschreibung in der Zeitung steht, werden sich darauf alle Interessierten bewerben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Gewoba nur uns angeschrieben und uns die Immobilien angeboten hat. Sie wird auch viele andere angesprochen haben, und einer hat das beste Gebot abgegeben.

Sie haben bei dem Geschäft damals einen Preisnachlass – den sogenannten Paketabschlag von einmal zehn und einmal 20 Prozent – bekommen.

Ich habe es schon einmal gesagt: Wir haben Immobilien mit 30 Prozent Leerstand gekauft, in sozialen Brennpunkten, kleine und große in der Stadt verteilte Wohnungen und Häuser. Ich glaube kaum, dass andere, insbesondere derjenige, der den Vorwurf erhoben hat, wir wären bevorteilt worden, bereit gewesen wären, das zu kaufen – und sich zum Beispiel den Hochhäusern am Humboldtring anzunehmen. Wir haben den Abschlag bekommen, mussten dafür aber auch Immobilien kaufen, die nicht so attraktiv waren. Wir haben die Pakete so gekauft, wie sie geschnürt worden sind. Mit allen Problemen, die da drin steckten. Wir haben um die 50, 60 Millionen Euro in die Immobilien investiert. Allein die Sanierung der Plattenhochhäuser am Humboldtring hat um die sieben Millionen Euro gekostet. Das kommt ja zum Kaufpreis hinzu.

Wirtschaftlich hat sich die Investition für Sie aber sicherlich gelohnt.

Das ist mein Job, dass ich wirtschaftlich handele, dass es sich langfristig lohnen soll. Damals hat es uns eine Menge Eigenkapital gekostet.

Es ist Ihnen im Zusammenhang mit den Gewoba-Privatisierungen auch vorgeworfen worden, mit einigen ehemals städtischen Immobilien spekuliert zu haben – sie also jahrelang nicht saniert und dann nach Ablauf der Spekulationsfrist teurer weiterverkauft zu haben.

Richtig ist: Wir haben nach mehr als zehn Jahren Haltedauer einige wenige Objekte aus den Gewoba-Paketen weiterverkauft, weil sie nicht in unsere Portfolio-Strategie passten. Aber das kann man uns doch nicht vorwerfen, dass wir von den Gesamtpaketen vielleicht zehn Prozent weiterverkauft haben.

Ein weiterer Punkt sind die Sanierungsvorschriften: Die Gewoba hat Sie offenbar anders als üblich nicht dazu verpflichtet, die Immobilien in bestimmten Zeiträume zu sanieren.

Die Gewoba hat uns damals keine Sanierungsauflagen gemacht. Aber es war unser Interesse, dass wir einen wesentlichen Teil der Objekte, die wir langfristig halten wollen, sanieren. Das haben wir auch getan.

Haben Sie darauf gedrungen, dass man Ihnen keine Sanierungspflicht in die Verträge schreibt?

Nein. Die Gewoba war froh, kann ich mir vorstellen, dass sie damals jemanden gefunden hat, der ihr diese Last abgenommen hat.

Affären um intransparentes Sponsoring, Kungeleien und Abhängigkeiten haben in den vergangenen Monaten in Potsdam Schlagzeilen gemacht. Wenige in der Stadt bestimmen vieles, so das vorherrschende Bild. Teilen Sie diese Sicht?

Weiß Gott nicht. Wir entwickeln und bewirtschaften unsere Objekte, tun das gern – nutzen aber in keiner Weise irgendwelche Netzwerke innerhalb der Stadt.

Gibt es in Potsdam Filz?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Für uns gilt: Wir werden in keiner Weise bevorzugt. Wir haben genauso wie andere schwierige Abstimmungsgespräche mit den Behörden. Wir versuchen aber immer, uns mit der Stadt vernünftig zu einigen und Kompromisse einzugehen. Wir meinen nicht, unser Recht ohne Wenn und Aber durchsetzen zu müssen. Wir sind nicht auf Krawall gebürstet, auch wenn Potsdam für Bauherren kein einfaches Pflaster ist. Doch wir wollen unsere Bauvorhaben ruhig und vernünftig abwickeln. Dazu haben wir viele Flächen für unsere Bauvorhaben – zum Beispiel am RAW, dem früheren Reichsbahnausbesserungswerk am Hauptbahnhof, – nicht von der Stadt gekauft.

Für die Neubauten auf dem RAW-Gelände mussten Sie reichlich Kritik einstecken. „Schlaatz IV“ wurde das Areal in Potsdam getauft, in Anspielung auf das Plattenbaugebiet und die Sozialleistung Hartz IV.

Das RAW – es heißt bei uns City-Quartier – ist mit seinen fast 700 Wohnungen voll vermietet. Zusätzlich steht unser Pflegeheim kurz vor der Fertigstellung, auch betreutes Wohnen bieten wir an, beides wird ebenfalls bald voll belegt sein. Auch architektonisch gibt uns dieser Erfolg recht.

Die volle Vermietung sehen Sie als Zustimmung für Ihre Architektur? Hat sie nicht vor allem mit der angespannten Situation des Potsdamer Wohnungsmarkts zu tun?

Architektur ist Geschmackssache. Ich finde die Architektur des City-Quartiers gut, und andere auch. Sie müssen bei der Betrachtung einbeziehen, dass wir uns auf einem Zentrumsgrundstück befinden. Hier kann ich keine Stadtvillen bauen wie andere am Wasser und auch keine Reihenhäuser. Nur eine verdichtete Bebauung war hier möglich und auch gewollt. Sie ist zudem energieeffizient und barrierefrei.

Sie sagen, diese Anforderungen lassen wenig anderes zu als das jetzige Erscheinungsbild des RAW-Quartiers?

Wenn man nach energetischen Vorgaben baut, gibt es zum Beispiel ein festgelegtes Verhältnis zwischen Fensterfläche und Wänden. Das heißt, ich kann hier keinen Glaspalast bauen. Ich muss gewisse Regeln einhalten, aber das ist natürlich architektonisch ein Problem. Außerdem haben wir an der Bahnstrecke den Lärmschutz zu beachten gehabt – zur Bahn hin haben alle Wohnungen nur Küchen-, Bad- und Abstellkammer-Fenster.

Nicht anfreunden können sich Kritiker auch mit den Fassadenfarben.

Die Farbgebung wurde mit dem zuständigen Mitarbeiter im Rathaus abgestimmt. Auch wenn das nicht sein musste – wir haben es trotzdem gemacht.

Die Architektur Ihrer Häuser ruft in Potsdam oft wenig Begeisterung hervor. Die Stadt werde „versemmelhaackstückt“, so die Kritik, und Ihr Antrieb sei allein die Rendite, wodurch an allen Ecken und Enden bei den Bauten gespart werde.

Diesen Vorwurf kann ich mir überhaupt nicht erklären. Doch wer viel baut, bekommt leider auch immer viel Kritik. Wir bauen in verschiedensten Bauweisen, dazu gehört auch aufwendige und teure Architektur wie Häuser mit norddeutschem Krüppelwalmdach. Wir haben im Doppel- und Reihenhausbereich in Potsdam Tausende von Eigenheimen mit Verblendmauerwerk gebaut, was sehr viel teurer ist als ohne. Am Krongut Bornstedt haben wir fast jedes Haus anders gebaut, ganz individuell, in sehr enger Abstimmung mit der Stadt. Diese Häuser sind sehr teuer geworden. Dort und in Fahrland haben wir deshalb viel Geld verloren. Auch bei Geschosswohnungen bauen wir aufwendig, weil wir die Häuser ja zu 90 Prozent bei uns im Bestand halten wollen. Da will ich sicher sein, dass die Wohnungen langfristig gut vermietet werden und geringe Instandhaltungskosten anfallen.

Dennoch: Semmelhaack-Bauten lassen sich oftmals leicht durch ihr Äußeres erkennen. Geht es nicht doch anders?

Ein Beispiel: Wir bauen gerade am Johannes-Kepler-Platz 118 Wohnungen – und auch da kann ich die Architektur nur so darstellen, wie es energetisch machbar ist. In der Babelsberger Straße bauen wir 229 Wohnungen in den „Auenhäusern“, ganz original so wie der Bebauungsplan uns das vorgibt. Das Baufenster und die Geschossigkeit sind genau so im Plan vorgesehen. Und trotzdem wird man mir wieder vorwerfen, ich würde zu eng, zu groß, zu viel, zu klein bauen.

Und allein aufs Geld schauen.

Als Unternehmer muss ich auch unternehmerisch handeln. Ich bin 53 Jahre alt und seit 34 Jahren selbstständig. Immer mit der gleichen Firmengruppe. Es gibt keine Insolvenzen, keine Schwierigkeiten. Das ist ein Stück Erfolg. Es gibt viele, die toll bauen, und hinterher merken, sie kommen mit dem Geld nicht hin. Dann wird das Papier abgegeben und eine neue Gesellschaft gegründet. So etwas gibt es bei mir nicht. Unser Ziel ist der bezahlbare Wohnungsbau. Da mag immer jemand kommen und sagen, es ist zu teuer, aber wir müssen es wirtschaftlich darstellen: Wir bekommen keine Fördermittel, keine Investitionszulagen, wir müssen immer sehen, dass es sich rechnet.

Sie halten in Potsdam den zweitgrößten Bestand an Wohnungen nach der städtischen Pro Potsdam. Was haben Sie noch vor in der Stadt, was ist Ihr Ziel?

Es gibt einige Quartiere, die wir noch entwickeln möchten, dazu gehören Eiche II mit rund 800 Wohnungen, die erwähnten Auenhäuser an der Babelsberger Straße, 54 Wohnungen am Humboldtring, der Kepler-Platz. Zudem haben wir weitere Quartiere in Vorbereitung. Maßgeblich für uns ist, dass wir wirtschaftlich bleiben. Solange das geht, wollen wir gern noch ein bisschen wachsen in Potsdam. Aber sicherlich werden wir auch irgendwann nur noch den Bestand verwalten.

Herausgehobene Flächen in der Stadt, die Potsdamer Mitte mit der Alten Fahrt oder der Brauhausberg, reizen Sie nicht?

Wir haben uns auch beworben, so für die Humboldtstraße 1 und 2, aber sind dort nicht Sieger gewesen – Sie sehen, wir bekommen nicht überall den Zuschlag. Im Ernst: Im überschaubaren Bereich machen wir auch solche Projekte, haben zum Beispiel die Villa von Arnim, den heutigen Industrieclub, saniert.

Haben Sie Interesse, auf dem Brauhausberg Wohnungen zu bauen?

Das ist wegen der Grundstückskosten für mich nicht darstellbar. Dort werden sicherlich hochwertige Eigentumswohnungen entstehen. Wir wollen Bestandswohnungsbau, und dafür ist die Grundstücksvorbelastung am Brauhausberg für mich zu hoch.

Künftig soll es nach Vorstellungen der SPD von Oberbürgermeister Jann Jakobs für Investoren in Potsdam neue Pflichten geben. Sie sollen sowohl die Planungs- und Erschließungskosten übernehmen, alle öffentlichen Flächen wie Straßen, Spielplätze und Grünflächen darauf bezahlen und sie später der Stadt kostenlos überlassen sowie die Kosten für die Instandhaltung tragen. Bei größeren Baugebieten soll der Investor zudem einen Teil der Wohnungen für sozial Schwache zur Verfügung stellen.

Wenn wir große Gebiete erschließen, erfüllen wir die Forderungen in großem Umfang schon. Wir bezahlen die Erschließung – im Durchschnitt 100 Euro pro Quadratmeter – widmen die Straßen öffentlich und stellen sie unentgeltlich zur Verfügung, ebenso die Grünanlagen. Das sind hohe Aufwendungen, die dazu führen, dass oftmals Grundstückskaufpreise von 200 Euro pro Quadratmeter abgerufen werden, obwohl die Flächen als Rohbauland nur 60 Euro kosten. Doch wenn es zur Auflage wird, dass wir auch noch einen Großteil der Wohnungen für subventionierten Wohnungsbau zur Verfügung stellen können, dann wird es wohl keine Investoren mehr geben.

Das heißt, eine solche Vorgabe halten Sie für nicht realisierbar?

In Brandenburg in Gänze sicherlich nicht. In anderen Bundesländern gibt es öffentlich geförderten Wohnungsbau. Zwischen 50 000 und 70 000 Euro fließen in jede Wohnung, und dann gibt es eine Kappungsgrenze für die Miete bei ungefähr bei 5,50 Euro. In Schleswig-Holstein und Hamburg, wo wir auch tätig sind, funktioniert das. Aber mit Kapitalmarktdarlehen ist sozialer Wohnungsbau überhaupt nicht zu finanzieren. Wenn es in Potsdam gewollt ist, müsste das Land Brandenburg den öffentlichen Wohnungsbau fördern.

Das Interview führte Sabine Schicketanz

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