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SERIE: Wo der Eisvogel wohnt - FahrRad in Potsdam

Die Natour: Mit dem Fahrrad entlang Potsdams Grenzen im Norden und Westen – eine vielfältige Fahrt durch Flora und Fauna

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Sonnnenüberflutetes Wasser, blauer Himmel, die Brücke des Friedens schon in Sichtweite: Das zieht den Blick an. Plötzlich zuckelt eine schmale, aber einen halben Meter hohe Bodenwelle heran, die so hoch ist, dass Pedale nutzlos sind. Denn das Fahrrad hängt plötzlich in seiner Mitte in der Luft, weil der steile Mini-Hügel zu hoch ist und zu plötzlich auftaucht. Nur Absteigen hilft, die Hände fest am Lenkrad. Eine Tour am nördlichen Ufer des Jungfernsees entlang gleicht an manchen Stellen einem Abenteuer, weil die schmalen Wege auf dem früheren Armee-Gelände weithin unwirtlich sind.

Wer Potsdams Ränder im Norden und Westen erkundet, findet zum Glück nicht viele solch ungemütlicher Fahr-Fallen. Und wird belohnt: Ob mit dem weiten Blick über den Fahrländer See oder mit der idyllischen Lindenallee zwischen Neuem Palais und dem Ortsausgang von Golm. "Wer auf so einer Fahrt immer 'mal absteigt und sich Zeit nimmt, kann an ein paar Plätzen zum Beispiel den Eisvogel beobachten", sagt Frank Fiedler vom Naturschutzbund (Nabu) in Potsdam. Seit Jahren erkundet der 45-Jährige per Rad und zu Fuß die Landeshauptstadt und ihre Umgebung. Den Eisvogel kennt er besonders gut: Das orange-türkisblaue Tier - etwas größer als ein Spatz - hat vom Nabu in diesem Jahr den Titel "Vogel des Jahres" erhalten, in Deutschland ist er eine streng geschützte Art. Er nistet an Flüssen und Seen, in Potsdam etwa am Sacrow-Paretzer-Kanal, an der Havel - oder an den Düsteren Teichen.

Die kleinen Seen finden sich im Wald hinter dem Schloss Lindstedt, ein schmaler Feldweg führt in das wildromantische Areal. Weil eingesäumt von Erlen und Weidengebüschen, streicht hier der Wind meist nur sanft über die dunkel wirkende Wasserfläche, auf der sich die Umgebung spiegelt. Anziehende Teiche sind es, vom Moorfrosch bis zur Erdkröte siedeln hier viele Amphibien. "Manchmal ist auch ein Zwergtaucher zu sehen", sagt Naturschützer Fiedler. Der Wasservogel wird oft mit der Ente verwechselt, erkennbar ist er an seinem rötlichen Hals. Er jagt vornehmlich Insekten, kann aber auch kleine Fische fangen, weil er exzellent tauchen kann.

Es sind viele solcher Details, die Fiedler über die Fauna im Westen und Norden Potsdams erzählen kann: "Zum Beispiel fliegt über Fahrland manchmal ein Seeadler hinweg, es ist die einzige Brut weit und breit." Sowieso ist die Vogelwelt im Norden Potsdams abwechslungsreich, graugefiederte Kraniche ziehen ihre Kreise, auch ein Weißstorchpärchen lebt hier. Auch auf dem Boden tut sich was: Seit etwa einem Jahr ist in Marquardt am Kanal ein Biber unterwegs. "Den sieht man allerdings nicht, ihn verraten aber die Nagespuren an den Bäumen", sagt Fiedler.

Um an einem Tag solche Details zumindest theoretisch vom Rad aus zu erleben - vom Jungfernsee-Ufer aus über Neu-Fahrland, Fahrland und Marquardt zur Bornimer Feldflur,dann zum Schloss Lindstedt, an der Polizei vorbei nach Golm und von da in den Wildpark -, braucht es vor allem Ausdauer. Und obwohl das Wegenetz in einem akzeptablen Zustand ist, ist an manchen Stellen schon Vorsicht angebracht. Etwa eben am Jungfernsee, wo viele Wege von Sandkuhlen unterbrochen werden: Einfach durchfahren, ohne die Pedale zu treten, sonst bricht das Rad hinten aus ... Schwierig ist auch die nicht allzu breite Auto-Straße zwischen Fahrland und Marquardt, häufig befahren und ohne Radweg. Absteigen muss, wer über die Eisenbahnbrücke in Marquardt wieder auf den Radweg will: Nur eine Treppe führt nach unten. Ab dort bietet die Strecke nach einer Kleingartenkolonie allerdings den besonderen Reiz der Bornimer Feldflur mit viel Strauchwerk und Laubbäumen, die den geteerten Weg einrahmen - und an denen vorbei ein weiter Blick über die von Landwirtschaft geprägte Gegend möglich ist. "Gu-kuh", ruft ein Kuckkuck.

Nach der Amundsenstraße, den Düsteren Teichen und der anschließenden Fahrt über den Weg nach Bornim und die Lindenallee sind zum Schluss die ersten Ausläufer vom Wildpark-West zu sehen. An einer weithin sichtbaren Satellitenanlage der Telekom vorbei ist der Weg in die Mitte des Waldes zwar an manchen Stellen huckelig, die Geräuschkulisse mit zwitschernden Vögeln aber umso beruhigender. Laut Naturschützer Fiedler fliegen hier Spechte umher, ebenso wie der Eichelhäher. Auch Rehe gibt es zu entdecken, Wildschweine sowieso, häufiger aber sind Eichhörnchen. Und so geht es über den Wegestern - ein hübscher Ruheplatz - über die Wildmeisterei auf sanften Waldwegen bis schließlich zum Uferweg an der Havel.

28 Kilometer sind an dieser Stelle schon gefahren, ausreichend Proviant und Getränke im Tourgepäck sind wichtig. Denn Imbisse sind unterwegs rar gesät. Ab dieser Stelle allerdings nicht mehr, viele Restaurants und Bars finden sich den gesamten Uferweg entlang. Und über Teller und Bierglas hinweg ist dann vielleicht auch noch ein Komoran in der Ferne sehen - mit einem Fernglas erkennt man ihn sogar ganz deutlich , den meist stummen, schwarzen Vogel. Irgendwo ruft eine Stockente: "Wak wak wak." Vielsprachige Natur.

Was am Radweg liegt, aber nicht immer sichtbar ist, zeigen die PNN in einer Serie anlässlich der Potsdamer Fahrrad-Aktionswoche.

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Konjunktour

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Donnerstag: Diktatour

Freitag: Futour

Samstag: Literatour

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