Landeshauptstadt: „Wo der hinschlug, war ich nicht mehr“
Manfred Wolke hat in Babelsberg Fußball gespielt – und sei nur zufällig ein großer Boxer geworden, sagt er
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Das Kompliment geht runter wie Öl, es lässt den Gast Mittwochabend im Kulturhaus Babelsberg regelrecht erstrahlen „Je länger ich Ihnen zuhöre, Herr Wolke, desto mehr begeistere ich mich plötzlich fürs Boxen. Bisher musste ich bei den Kämpfen immer weggucken. Ihre Lebendigkeit beim Erzählen fasziniert mich“, sagt eine Dame aus dem Publikum.
Zum Vortrag über „Babelsberger Köpfe“ sind etwa 25 Gäste gekommen, um den einheimischen Promi zu sehen und seinen Geschichten zu lauschen. Der Förderkreis Böhmisches Dorf Nowawes und Neuendorf hatte diesmal Boxer und Boxtrainer Manfred Wolke eingeladen. Weil der erfolgreiche, vielleicht sogar der berühmteste Boxtrainer, wie Moderator Stephan Koop sagt, ein Ur-Babelsberger ist, dessen großartige Karriere hier begann. Fußball und Boxen, das sind eben die beiden Babelsberger Sportarten, sagt jemand im Publikum.
Auch Wolke, Jüngstes von zehn Geschwistern, die ohne Vater aufwachsen mussten, weil der im Krieg geblieben war, spielt anfangs Fußball, teils barfuß, wie ein Gast anmerkt, der damals zu der Jungshorde gehörte. Als zwei Spieler seiner Mannschaft abtrünnig werden und zu den Boxern von Motor Babelsberg wechseln, soll ausgerechnet Manfred Wolke sie zurückholen. „Es ist absolut Zufall, dass aus mir ein Boxer geworden ist“, sagt er. Denn er bleibt in der Boxhalle hängen und denkt sich, so wie jetzt die Zuhörerin: Das ist ja gar nicht so uninteressant. Bald entwickelt er eine enge Beziehung zu seinem Trainer Martin Neef, er wird eine Art Vaterersatz für ihn, bis heute, sagt Wolke, haben sie Kontakt.
Auch unter den Gästen sind Boxsportler, zwölf und 13 Jahre alte Jungs, Trainer und der Vereinsvorsitzende von Motor Babelsberg, Ralf Mantau. Es ist aufregend, den Mann zu sehen, der 1968 Gold bei Olympia gewann, der Henry Maske und Axel Schulz entdeckte und in die Profikarriere führte. Diese Nachwende-Entwicklung kommt ein wenig zu kurz an dem Abend, doch es ist schwierig, die unterschiedlichen Erwartungen der Zuhörer zu erfüllen. Die einen wollen wissen, wo Wolke als Kind Äpfel geklaut hat, einer, ob es Messgeräte gibt, um die Energie, die Schlagkraft im Arm zu messen.
„Heute spielt Kraft weniger eine Rolle als früher“, sagt Wolke. Alles gehe so schnell, „ich muss den Gegner schlagen, ohne dass er erkennt, dass er geschlagen wird“. Eigentlich sei Boxen eine intellektuelle Sache, der Kampf werde vom Kopf gesteuert. Dann erklärt er Atemtechnik und Sauerstoffschuld: „Manche, die Hecheln doch nur, die müssen lernen, tief zu atmen“. Dabei ist er selbst kein Vorbild, er spricht aufgeregt und fahrig und gestikuliert reichlich mit den Armen, springt zwischen Themen und Zeiten hin und her. Man kann sich gut vorstellen, wie er als spindeldürrer Boxer 1968 seinem Gegner blitzschnell auswich: „Wo der hinschlug, da war ich schon längst nicht mehr“, sagt Wolke.
Die Wende ermöglichte ihm endlich eine Profikarriere. Das bedeutete die Umstellung auf längere Kämpfe, nicht nur drei Runden wie bei den Amateuren. Und die Manager klopften an. „Auch Potsdam könnte einen Profistall vertragen“, sagt Wolke zum Schluss. Er würde das unterstützen. Die Potsdamer Boxer, derzeit in der Ersten Bundesliga, würden sich schon über Unterstützung für ihren Amateurclub freuen, sagen sie. Doch eigentlich will Wolke jetzt mehr Zeit mit seiner Familie in Frankfurt (Oder), wo er jetzt wohnt, verbringen. „Früher waren wir manchmal 30 Wochen im Jahr im Trainingslager, ich habe da was nachzuholen“, sagt er. Laufen und Kraftsport betreibt der Siebzigjährige aber weiterhin – drei mal in der Woche.
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